Die Zweifel an der Fähigkeit der Gesellschaften, langfristig die versprochenen Garantien zu erwirtschaften, nehmen zu. Auch bei Politikern wächst der Unmut
Friederike Krieger Herbert Fromme
Herbert Fromme und Friederike Krieger, Köln
Die deutsche Versicherungswirtschaft stemmt sich gegen wachsende Zweifel an der Stabilität der Lebensversicherung. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) reagierte Donnerstag mit einer scharf gefassten Stellungnahme auf Medienberichte über Probleme der Branche.
In seiner Erklärung bestreitet der Verband, dass einzelne Versicherer erwägen, eine Aussetzung der Garantiezahlungen an ihre Kunden zu beantragen. „Es gibt keine Strategie von Lebensversicherern, Kunden zu einem Wechsel von älteren Verträgen mit höherer Verzinsung in niedriger verzinste Verträge zu bewegen“, heißt es dort weiter.
Hintergrund sind Sorgen von Versicherten und Experten, ob die Assekuranz ihre Zusagen an die Kunden angesichts der niedrigen Zinsen auf den Finanzmärkten einhalten kann. Und indirekt nährt die Branche sogar Zweifel an ihrer Stabilität, indem sie von Bundesregierung und Bundestag Erleichterungen verlangte – und erhielt: Am Mittwoch hatte der Finanzausschuss auf Drängen der Versicherungslobby eine Änderung des Versicherungsvertragsgesetzes beschlossen. Künftig müssen die Gesellschaften ausscheidenden Kunden nicht mehr 50 Prozent der stillen Reserven aus den Kapitalanlagen auszahlen, sondern nur einen je nach Kapitalmarktumfeld deutlich reduzierten Wert. Wenn das Gesetz in Kraft tritt, werden Kunden mit ablaufenden oder gekündigten Verträgen spürbar weniger erhalten. Gleichzeitig wird die Stabilität der Versicherer gestärkt.
Bei einigen Politikern regt sich nun Unmut. Es sei richtig, auf die Probleme der Lebensversicherer wegen der niedrigen Zinsen zu reagieren, sagte Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen. Doch müsse genau dargelegt werden, zulasten welcher Kundengruppen das gehe. „Außerdem müssen die Versicherer viel transparenter werden“, sagte er.
Hintergrund der Probleme sind die anhaltend niedrigen Zinsen. Sie machen es für die Branche schwieriger, die den Kunden garantierten Zinsen zu erwirtschaften. Welche Garantien Versicherer höchstens geben dürfen, legt das Finanzministerium fest. Bis 1994 waren es 3,5 Prozent Garantiezins auf den Sparanteil der Prämie, von 1995 bis Mitte 2000 vier Prozent. Danach senkte die Regierung die Höchstgarantien immer weiter ab, heute stehen sie bei 1,75 Prozent.
Doch dieser Niedrigwert hilft der Branche bei ihren aktuellen Problemen wenig: Über alle Garantiegenerationen hinweg müssen die Versicherer ihren Kunden jährlich im Durchschnitt 3,2 Prozent gutschreiben. Noch verdienen die meisten Unternehmen deutlich mehr und schreiben höhere Werte gut – 2012 rund 3,9 Prozent. Das liegt aber vor allem daran, dass sie viele ältere Papiere mit höheren Zinsen im Bestand haben.
Doch einzelne Gesellschaften haben schon heute Schwierigkeiten, die Garantien zu verdienen. 2012 können die Versicherer bei Neuanlagen nur noch zwischen 2,6 Prozent und 3,2 Prozent Verzinsung erzielen, hat die Ratingagentur Standard & Poor’s errechnet. Das ist sehr nahe an oder sogar unter den Garantiezinsen.
Carsten Zielke, Analyst bei der Société Générale und Berater der EU-Kommission in Rechnungslegungsfragen, empfahl der Branche auf einer FTD-Konferenz am Dienstag dringend, Bestände mit vier Prozent Garantie zu reduzieren und dafür ein Umtauschangebot zu machen. Die Logik: Den Kunden müsste klargemacht werden, dass sie ohne Umtausch möglicherweise die Garantien zwangsweise durch eine Aktion der Finanzaufsicht verlieren.
Quelle: Financial Times Deutschland
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