Versicherern ist eine praxisorientierte Ausbildung wichtig, Banken einStudium. Beide schätzen fachfremdes Wissen
Friederike Krieger
Friederike Krieger
Als Anna Bliznina mit der Schule fertig war, hatte sie eine recht gute Vorstellung, wie ihr späterer Job und ihr Weg dorthin aussehen sollten. „Ich wollte etwas machen, das mit Mathe und Finanzen zu tun hat, wollte aber auch Praxisbezug und Kundenkontakt“, sagt sie. Heute hat es die 25-Jährige in die Versicherungswirtschaft verschlagen. Seit zwei Monaten arbeitet sie bei der Köln Assekuranz, die zum weltweit größten Rückversicherer Munich Re gehört. „Im Endeffekt ist die Assekuranz die ideale Branche für mich“, sagt Bliznina.
Die Köln Assekuranz bietet Policen für Industrieunternehmen an, mit denen sie zum Beispiel den Transport von Waren absichern können. Bliznina kümmert sich als Transport-Underwriterin darum, Risiken zu bewerten und Verträge unter Dach und Fach zu bringen. „Ich bin viel unterwegs zu Terminen mit Maklern und Kunden, lerne viele Leute kennen, analysiere aber auch Risiken“, sagt sie.
Den Weg zum Traumjob hat ihr ein dualer Studiengang an der Fachhochschule Köln geebnet. In sechs Semestern hat sie nicht nur einen Bachelor of Science im Versicherungswesen mit Schwerpunkt Rückversicherung und Transport gemacht, sondern auch eine Ausbildung zur Kauffrau für Versicherungen und Finanzen. Wer den dualen Studiengang absolvieren will, muss zunächst ein Ausbildungsunternehmen finden. Rund 20 Versicherungsunternehmen und -makler kooperieren mit der Fachhochschule Köln. Bliznina fand einen Ausbildungsplatz bei der Delvag, dem firmeneigenen Versicherer der Lufthansa. Statt in die Berufsschule zu gehen, besuchte sie die Fachhochschule. In den Semesterferien, wenn andere Studenten frei hatten, arbeitete sie im Betrieb. „Das war schon stressig, aber ich wusste ja, wofür ich es mache“, sagt sie. „Das duale Studium hat mir einen schnellen und leichten Einstieg ins Berufsleben ermöglicht.“
Hermann Wilkes, Geschäftsführer des auf die Finanz- und Medizinbranche spezialisierten Personalberaters Wilkes & Partner Executive Search, kann das bestätigen. „Ein duales Studium ist schon sinnvoll, wenn man eine Karriere in der Finanzbranche anstrebt“, sagt er. „Eine Ausbildung mit hohem Praxisbezug ist gerade in diesem Business wichtig, denn es geht darum, sich mit Kunden auseinander zu setzen.“ Je früher der Nachwuchs damit beginne, desto besser.
In der Industrie sind duale Studiengänge längst gang und gäbe. Große Konzerne wie Siemens bieten solche Programme schon seit Jahren an und haben damit gute Erfahrung gemacht. „Auch in der Finanzbranche kann ein dualer Studiengang ein sinnvoller Weg sein, allerdings eher im Versicherungs- als im Bankenbereich“, sagt Wilkes. Versicherer seien eher praktischer veranlagt, denn viele Mitarbeiter haben direkten Kundenkontakt. Auch Quereinsteigern ohne Studium fällt es in der Regel wesentlich leichter, bei Versicherern und Finanzvertrieben einen Fuß in die Tür zu bekommen als bei Banken, die oft sehr viel wert auf eine klassische akademische Grundausbildung legen.
„Bis auf öffentlich-rechtliche Kreditinstitute, bei denen das Angebot für Hochschulabsolventen aufgrund ihrer regionalen Organisationsstruktur begrenzt ist, hat der klassische Karrierepfad Abitur, Banklehre, Bankkaufmann in den letzten Jahren stark an Bedeutung verloren“, sagt Wilkes. Der Trend zur Akademisierung hänge auch mit dem Image der Branche zusammen, das durch die Finanzkrise stark gelitten hat. „Banken wollen durch Hochschulabsolventen Kompetenz vermitteln“, sagt er. Bei einer Bank absolvieren sie meist noch ein Traineeprogramm. „Wer dann das Traineeprogramm erfolgreich abgeschlossen hat, kann anschließend als Berater, Projektleiter oder Führungskraft unterschiedliche Karrierewege einschlagen“, sagt Wilkes. Als perfekte Eintrittskarte in die Bankerwelt gilt ein Studium an Instituten wie der Frankfurt School of Finance & Management, der ESCP in Berlin, der WHU in Vallendar, der Leipziger HHL und der LMU in München.
Es muss aber nicht unbedingt ein wirtschaftswissenschaftliches Studium sein. „Natürlich ist der erfolgreiche Abschluss eines Wirtschaftsstudiums immer noch eine sehr gute Voraussetzung für den Einstieg als Trainee in die Finanzbranche“, sagt Wilkes. „Allerdings ist dies heute längst kein Muss mehr.“ Rasante technologische Entwicklungen in der Informationsverarbeitung, mobiles Internet und Themen wie erneuerbare Energien eröffneten auch Naturwissenschaftlern, Ingenieuren und Informatikern sehr gute Karrierechancen. „Darüber hinaus hat die Finanzkrise eindrucksvoll gezeigt, dass die gesamte Branche davon profitieren kann, weniger Wirtschaftswissenschaftler und mehr Geisteswissenschaftler zu beschäftigen“, sagt er. Praktikum im StahlbauAuch die Postbank hat Bedarf an solchen Absolventen. „In Bereichen wie Personalmarketing und Kommunikation beschäftigen wir auch Geisteswissenschaftler“, sagt Sprecher Hartmut Schlegel. Auffällig sei auch der gewachsene Bedarf an Mathematikern und Wirtschaftsinformatikern. Für sie gebe es Startmöglichkeiten im Controlling und im IT-Bereich. Mit dem Bachelor-Abschluss hat sich die Branche inzwischen angefreundet. „Aus ökonomischer Sicht macht eine gestraffte theoretische Ausbildung auch im internationalen Vergleich durchaus Sinn, zumal die Fähigkeiten und Fertigkeiten für eine erfolgreiche Karriere nicht in erster Linie an der Hochschule, sondern in der Praxis erworben werden“, sagt Wilkes.
Auch wer die Karriere in der Finanzbranche fest vor Augen hat, sollte zumindest im Praktikum mal in andere Branchen hineinschnuppern. „Die Lebensläufe sind oft so stark auf die angestrebte Position optimiert, dass es so aussieht, als ob der Bewerber von Kindesbeinen an Finanzmathematiker werden wollte“, sagt Wilkes. Viele haben ausschließlich bei Banken erste praktische Erfahrungen gemacht. „Wer ins Controlling einer Bank will, sollte aber durchaus auch mal ein Praktikum im Krankenhausbereich, im Stahlbau oder bei einem Pharmahändler machen“, sagt Wilkes. Das erweitert den Blick und bringt Lebenserfahrung, was im Bewerbungsgespräch gut ankommt.
Dass der Finanzbranche der Blick über den Tellerrand wichtig ist, zeigt auch eine neue Kooperation des Versicherers Zurich mit der Internationalen Hochschule Bad Honnef Bonn. Die Idee: Studenten des Schwerpunkts für Hotel- und Servicemanagement nehmen in ihren Abschlussarbeiten Erfolgskonzepte von Luxushotels unter die Lupe, die für besonders guten Kundenservice bekannt sind. Sie prüfen, was Versicherer daraus lernen können. Feldforschung ist inbegriffen. Die Hotelleriestudenten sollen vor Ort den Mitarbeitern der Zurich auf den Zahn fühlen, etwa was die Umgangsformen im Kundenservice angeht. „Für die Studenten aus dem Hotelbereich ist das eine Möglichkeit, eine andere Branche kennenzulernen, aber natürlich wollen wir auch den Blick von außen“, sagt Zurich-Sprecher Bernd Engelien. Denn die Hotellerie sei eine Branche von der sich Versicherer durchaus eine Scheibe abschneiden könnten, vor allem was die Art und Weise angehe, wie Kunden umsorgt werden.
Quelle: Financial Times Deutschland
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