Experten streiten darüber, ob die Rechtsform von Versicherern für Kunden Bedeutung hat
Ob hinter dem Namen eines Versicherers „aG“ oder „AG“ steht, ist keine ästhetische Frage. Das Erste bedeutet „auf Gegenseitigkeit“, das Zweite „Aktiengesellschaft“. Dahinter verbergen sich unterschiedliche Rechtsformen: Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit sind zumindest theoretisch im Besitz ihren Kunden, Überschüsse bleiben im Unternehmen. Aktiengesellschaften gehören den Aktionären – und die wollen möglichst hohe Dividenden. Wie Betriebswirtschaftler Hermann Weinmann von der Hochschule Ludwigshafen in einer Untersuchung zeigt, sollte beim Abschluss einer kapitalbildenden Lebenspolice die Rechtsform nicht entscheidend sein.
In Deutschland haben Versicherer entweder den Status des Versicherungsvereins, der Aktiengesellschaft oder des öffentlich-rechtlichen Unternehmens. Zum Lager der Öffentlich-Rechtlichen gehören die Provinzial-Gesellschaften und die Versicherungskammer Bayern, die Policen vor allem über die Sparkassen verkaufen. Die Öffentlich-Rechtlichen treten nur regional auf. Sie haben Töchter mit der Rechtsform einer Aktiengesellschaft wie die Bayern-Versicherung, die zur Versicherungskammer Bayern gehört.
In seine Untersuchung hat Weinmann die Öffentlich-Rechtlichen neben Aktiengesellschaften wie Allianz Leben, Axa Leben oder HDI-Gerling Leben aufgenommen. Insgesamt hat er die zwölf größten Lebensversicherer untersucht, darunter die Versicherungsvereine Debeka, Volkswohl Bund und Gothaer Leben. Für die Bewertung in Form einer „Verbrauchernote“ hat Weinmann die betriebswirtschaftlichen Ergebnisse der vergangenen drei Jahre analysiert. Mit einer Note von 1,5 schneiden die Aktiengesellschaften Allianz Leben am besten und die Generali mit einer 4,2 am schlechtesten ab. Dazwischen rangieren die Vereine: der Volkswohl Bund mit einer 1,8 und die Debeka mit einer 2,0, die Gothaer mit einer 3,7. Die Bayern-Versicherung kommt auf eine 2,1. „Eine Überlegenheit in der betriebswirtschaftlichen Effizienz der Versicherungsvereine ist nicht erkennbar“, lautet Weinmanns Urteil. Zwar würden die Vereine tendenziell niedrigere Anteile am Bruttogewinn für sich beanspruchen, also mehr an Kunden ausschütten. Aber auch sie würden die Beteiligung der Kunden an den Gewinnen zurückfahren. Das sei eine Folge der Unsicherheit im Zuge der Euro-Krise und der Einführung neuer Vorschriften zum Eigenkapital unter dem Stichwort Solvency II. Sein Fazit: Die Rechtsform scheidet als Hauptentscheidungskriterium für die Lebensversicherung aus.
Das sieht Michael Wortberg von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz anders. Sind Leistungen und Bedingungen bei einer Aktiengesellschaft und einem Versicherungsverein annähernd gleich, würde er dem Verein den Vorzug geben. „Versicherungsvereine gehen fairer mit ihren Kunden um als Aktiengesellschaften“, ist seine Erfahrung aus mehr als 20 Jahren Verbraucherberatung. „Versicherungsvereine haben keine Aktionäre im Nacken sitzen.“
Quelle: Financial Times Deutschland
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