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Süddeutsche Zeitung NRW-Wirtschaft

Kliniken ziehen vor Gericht, weil die Kassen unwillig zahlen

Köln – Viele Krankenkassen in Nordrhein-Westfalen begleichen Klinikrechnungen gar nicht, nur teilweise oder schleppend. Bei den Sozialgerichten des Landes sind mehr als 2 000 Klagen anhängig. Manche Krankenhäuser stehen vor der Zahlungsunfähigkeit. Vor allem Betriebskrankenkassen verweigern den Kliniken Erstattungen.

„Wir könnten mit den Klagen von Krankenhäusern gegen Krankenkassen fast eine eigene Kammer beschäftigen“, sagt Richterin Ulrike Arnold vom Sozialgericht Duisburg. Eine Kammer ist für 300 bis 400 Verfahren zuständig. Den Duisburger Richtern liegen etwa 360 Klagen vor, denen in Münster 350. Mehr als 400 Verfahren laufen in Dortmund, in Köln sogar rund 600. Bei den übrigen vier Sozialgerichten des Landes sind knapp 400 weitere Rechtsstreitigkeiten anhängig. Tendenz steigend. In Gelsenkirchen wuchs der Anteil der Verfahren bei gesetzlichen Krankenkassen im vergangenen Jahr um 20 Prozent. Krankenhäuser und Krankenkassen streiten vor allem darum, ob der Aufenthalt von Patienten erforderlich war, unnötig verlängert wurde oder ob Leistungen wie zusätzliche Röntgenaufnahmen in den Fallpauschalen enthalten sind.

Die Kliniken bleiben derweil auf den Kosten sitzen. „Die Außenstände gehen teilweise an die Liquidität der Krankenhäuser“, sagt Manfred Gotthardt, Vizepräsident des Verbandes der Krankenhausdirektoren. Ein zusätzliches Problem: Viele Kliniken ziehen nicht vor Gericht, weil sie mit ihren Vertragspartnern jedes Jahr harte Budgetverhandlungen führen müssen.

Ob die Behandlung angemessen ist, darf eigentlich nur der Medizinische Dienst der Krankenkassen überprüfen. Doch bei manchen Kassen verlangen die Abrechnungsstellen die Patientenakten. An sie dürfen die Krankenhäuser die Informationen aus Datenschutzgründen nicht herausgeben. Trotz der eindeutigen Rechtslage verweigern Kassen mit Hinweis auf fehlende Akteneinsicht der Abrechnungsstelle die Zahlung. „Das Bundesversicherungsamt hat zwar bestätigt, dass dieses Vorgehen nicht rechtmäßig ist. Aber das interessiert diese Krankenkassen einfach nicht“, sagt Gotthardt.

Das Krefelder Klinikum hat 60 Klagen eingereicht. Die damit verbunden Außenstände belaufen sich auf etwa 184 000 Euro, so Geschäftsführer Manfred Schröder. „Es handelt sich teils um Fälle, bei denen alte Patienten nach Auffassung der Kassen länger im Krankenhaus lagen als nötig“, sagt er. Außerdem monieren Kassen bei schweren Hautkrankheiten oder einseitiger Krampfaderentfernung, dass Patienten stationär behandelt werden. Die Krankenhausgesellschaft NRW (KGNW) befragt zurzeit ihre Mitglieder, wie hoch die Außenstände pro Kasse sind. Ergebnisse liegen noch nicht vor.

BKK unter Druck

Die Kliniken scheuen die öffentliche Konfrontation mit den Krankenkassen wegen der zurzeit laufenden Budgetverhandlungen für 2003. Ein offenes Geheimnis ist, dass – wie in Münster – vor allem Betriebskrankenkassen ihre Zahlungen verzögern. Der Anteil der Orts-, Ersatz-und Innungskrankenkassen an den Sozialgerichtsverfahren ist verhältnismäßig gering. Gegen Innungskrankenkassen in Westfalen-Lippe sind zur Zeit 35 Klagen anhängig, gegen die Barmer Ersatzkasse gab es in den letzten Jahren etwa 80 Verfahren.

Versicherte können seit 1996 ihre Krankenkasse frei wählen. Seitdem wechselten bundesweit etwa 3,7 Millionen Versicherte in eine Betriebskrankenkasse. Die 98 NRW-Betriebskrankenkassen haben mit durchschnittlich 12,9 Prozent einen relativ günstigen Beitragssatz. Aber vor allem kleine BKKen stehen unter enormem finanziellen Druck. Der nordrhein-westfälische BKK-Landesverband will sich zu der Klagewelle nicht äußern. „Wir kennen die Verfahren nicht“, so Sprecherin Karin Hendrysiak. Jede BKK führe Rechtsstreitigkeiten autonom. Sie fügt aber hinzu: „Wenn die betroffenen Krankenkassen und Krankenhäuser es wünschen, vermitteln wir.“

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Anja Krüger

Quelle: Financial Times Deutschland

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