Wichtige Branchenvertreter wollen Meistbegünstigungsklausel nicht mehr anwenden · Furcht vor Ermittlungen des Kartellamts

Von Herbert Fromme, Köln Die industriellen Versicherungskunden stehen vor einem wichtigen Erfolg in ihrem Kampf gegen eine umstrittene Klausel in Versicherungsverträgen. Wichtige Industrieversicherer wollen die so genannte Meistbegünstigungsklausel nicht mehr anwenden oder erklärten Diskussionsbereitschaft bei diesem Thema.

Diese Klausel war vor allem in der Vertragserneuerung für 2003 vielen Kunden übel aufgestoßen. Große Industrierisiken werden in der Regel von Versicherungskonsortien gedeckt. Oft wird eine solche Deckung von der Versicherungsabteilung des Kunden selbst zusammengestellt. Wenn er Versicherungsschutz für 90 Prozent zusammen hat, kann es passieren, dass er für die restlichen zehn Prozent einen deutlich höheren Preis bezahlen muss. Dann greift die Meistbegünstigungsklausel: Die Versicherer der 90 Prozent haben sich vertraglich zusichern lassen, dass auch sie gegebenenfalls den höheren Preis erhalten. Die gesamte Deckung wird entsprechend teurer.

„Das kann bei großen Risiken in die Hunderttausende oder Millionen gehen“, sagte ein Makler, der nicht genannt werden wollte. Er hält das Vorgehen der Versicherer für kartellwidrig. Ralf Oelßner, Vorsitzender des Deutschen Versicherungs-Schutzverbands (DVS) und Versicherungschef bei der Lufthansa, sieht ebenfalls eine Wettbewerbsverzerrung. „Solange es die Meistbegünstigungsklausel gibt, ist der Wettbewerb eingeschränkt“, sagte er.

Die Versicherungswirtschaft sieht das anders. „In einem Konsortium müssen alle Versicherer die gleichen Konditionen haben“, sagte Gerhard Heidbrink, Vorstand beim drittgrößten Industrieversicherer Haftpflichtverband der Deutschen Industrie (HDI). Das gelte auf jeden Fall für die Vertragsbedingungen. „Auch beim Preis hat es sich eingebürgert, dass alle dieselbe Prämienrate erhalten“, sagte Heidbrink. Der HDI sei aber in dieser Sache flexibel. „Ich kann mir vorstellen, dass jeder Versicherer den Preis selbst festlegt.“

Der Gerling-Konzern, die Nummer zwei, hat die Klausel nie verwendet, sagte ein Sprecher. Marktführer Allianz hat offenbar seine Meinung in den letzten Monaten geändert. In den Vertragsverhandlungen für 2003 bestanden Allianz-Manager nach Kundenangaben meistens auf dem umstrittenen Passus. Bei den zurzeit laufenden Verhandlungen für 2004 ist das anders. „Wir haben unsere Angebote nicht mit der Meistbegünstigungsklausel versehen“, sagte ein Allianz-Sprecher.

Die Axa ist bisher weniger nachgiebig. „Wir wollen natürlich den besten Preis kriegen, der für ein Risiko gezahlt wird“, sagte ein Sprecher der Axa, die ebenfalls zu den großen Anbietern gehört. Allerdings sei nicht immer sicher, dass der Versicherer die Preise der anderen Konsortiumsteilnehmer auch kenne.

Die Zurückhaltung der Versicherungswirtschaft hat offenbar zwei Gründe – die Furcht vor weiteren Ermittlungen des Kartellamts und die beginnende Abschwächung der Hochpreisphase in der Industrieversicherung. Die Sorge vor den Kartellwächtern ist begründet. Das Amt führt zurzeit Verfahren gegen Allianz, AMB Generali, Axa, Gerling, Gothaer, HDI und die Münchener-Rück-Tochter Victoria. Es wirft ihnen vor, in der Industrie- und Gewerbeversicherung durch illegale Absprachen die Preise künstlich in die Höhe getrieben zu haben.

Der zweite Grund für die Zurückhaltung der Versicherer bei der Meistbegünstigungsklausel liegt in der schwächeren Marktposition, in der sie verglichen mit Ende 2002 sind. Bei Haftpflichtdeckungen gingen die Preise zwar weiter nach oben. „Aber wir stellen Aufweichungen auf der Preisseite bei Sachversicherungen fest“, sagte DVS-Chef Oelßner.

Bild(er):

Die Industrie wehrt sich gegen höhere Versicherungspreise etwa gegen Feuerschäden, wie hier bei einem Brand auf dem Gelände eines Chemiekonzerns – Ullstein

Quelle: Financial Times Deutschland

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