Die wundersame Spontanheilung der Assekuranz

Mit hohen Zinsversprechen wollen Lebensversicherer vor erwartetem Ende der Steuerfreiheit punkten · Krisenerfahrung bleibt auf der Strecke

Von Herbert Fromme, Köln Die Lernfähigkeit einiger Versicherungsgruppen ist offenbar begrenzt. Anders lassen sich manche Presseaussendungen nicht erklären, die den Redaktionen in diesen Tagen auf den Tisch flattern. Da werden Wachstumszahlen für das Jahr 2003 gefeiert, Rekorde im Neugeschäft vor allem der Lebensversicherung gemeldet und hohe Zinssätze für Kunden bejubelt.

Geht es hier wirklich um die Branche, die noch immer nicht die Verluste aus dem Aktiencrash 2000 bis 2002 bilanziell vollständig verdaut hat, die mit Niedrigzinsen und hohen Kosten zu kämpfen hat und die Ende 2003 eine massive Steueränderung zu ihren Gunsten brauchte?

Bei genauerem Hinsehen wird klar, dass die Erfolgsmeldungen höchst selektiv sind. Das Neugeschäft in der Lebensversicherung etwa wurde 2003 stark durch die automatische Anpassung vieler Verträge beeinflusst, die im vergangenen Jahr durch Änderungen bei den sozialrechtlichen Beitragsbemessungsgrenzen deutlich stärker ausfiel als in anderen Jahren. Die Anpassung zählt als Neugeschäft – wird aber in den Jubelmeldungen nie herausgerechnet. Die tatsächliche Vertriebsleistung ist deutlich geringer.

Besonders interessant wird es bei den Überschussbeteiligungen, die Lebensversicherer ihren Kunden für 2004 zugesagt haben. Alle Experten hatten eine Absenkung der durchschnittlichen Verzinsung des Sparanteils von 4,6 Prozent auf 4,1 oder 4,2 Prozent erwartet. Tatsächlich zahlt die Assekuranz nach einer Untersuchung des Fachdienstes map-report auf den zinstragenden Teil der Prämie im Schnitt 4,36 Prozent.

Verdient haben müssen die Versicherer diese Gutschriften nach den Regeln der Aufsicht schon 2003. Wie sie das gemacht haben, bleibt bis zur Vorlage der Bilanzen ihr Geheimnis. Der map-report stellt süffisant einen „abrupten Wechsel von der totalen Katastrophe zum Alles-gar-nicht-so-schlimm“ fest. Der Hintergrund dieses Stimmungswechsels ist auch schon klar: Die Versicherer gehen bisher davon aus, dass die Steuerfreiheit der Lebensversicherungspolicen ab 2005 abgeschafft wird. Mit Erfolgsmeldungen und hohen Zinsen wollen die Gesellschaften im Schlussverkaufsboom 2004 möglichst viel Neugeschäft fischen.

Kommt die Steueränderung nicht, fällt der Boom aus – die hohen Zinszusagen bleiben. Experten sind sich einig, dass die Probleme vieler Lebensversicherer auch aus zu großzügigen Zusagen an ihre Kunden in den Jahren bis 2002 herrührten. Bei einigen Vorständen ist diese Erkenntnis offenbar noch nicht angekommen.

Quelle: Financial Times Deutschland

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