Haftpflicht-Verzicht hilft Klinikbetreiber

LBK Hamburg spart durch Eigendeckung kleinerer Schäden Millionensummen · Vorbildfunktion für die Branche

Von Herbert Fromme, Hamburg Große Krankenhausbetreiber können Millionensummen bei ihren Arzthaftpflicht-Versicherungskosten einsparen, wenn sie sich nur gegen große Serienschäden absichern und den Rest der Risiken selbst tragen. Das geht aus einer Untersuchung des LBK Hamburg – früher Landesbetrieb Krankenhäuser – über seinen Versicherungsaufwand in den letzten zehn Jahren hervor. Der LKB ist mit 750 Mio. Euro Jahresumsatz Europas größter Klinikbetreiber.

Die Preise für Haftpflichtdeckungen steigen kräftig an. Betroffene Unternehmen suchen nach Alternativen zum traditionellen Versicherungsschutz, die Selbstversicherung ist ein möglicher Ausweg. Arzthaftungsrisiken gelten als notorisch schwer versicherbar – Schäden in den besonders betroffenen Fächern Chirurgie und Gynäkologie können leicht in die Millionen gehen. Zahlreiche Versicherer haben sich aus dem Geschäft zurückgezogen, die übrigen die Preise drastisch erhöht.

„Der LBK Hamburg ist bei seiner Gründung 1995 einen anderen Weg als viele Krankenhäuser gegangen, die sich bei Versicherungsgesellschaften abgedeckt haben“, sagte Vorstandsmitglied Brunhilde Seidel-Kwem der FTD. „In den Privatisierungsgesprächen mit privaten Krankenhausbetreibern hat sich gezeigt, dass unser Modell gangbar ist und auch für sie attraktiv wäre.“

Der LBK sollte nach dem Willen des letzten Hamburger Senats privatisiert werden. Die Asklepios-Gruppe erhielt den Zuschlag. Ein Volksbegehren im Februar stoppte jedoch den Verkauf. Der LBK wird aber ohnehin bereits seit Jahren als privatwirtschaftlich arbeitende Gruppe geführt.

Das Unternehmen hat nur eine Versicherungspolice für den Fall, dass alle Arzthaftungsschäden im Zeitraum von zwei Jahren 15 Mio. Euro überschreiten. Diese so genannte Schaden-Exzedentenpolice hat Gerling ausgestellt. Sie gilt bis zu einem Höchstschaden von 40 Mio. Euro. Die Prämie liegt „deutlich unter 1 Mio. Euro“, so LBK-Managerin Cornelia Süfke, Chefin des Internen Versicherungsfonds (IVF). Alle Schäden bis 15 Mio. Euro zahlt der LBK selbst.

Die Einsparungen seien gewaltig. „Wir hatten von 1995 bis einschließlich 2003 einen durchschnittlichen Aufwand von 372 Euro pro Bett“, sagte Süfke. „Das schließt unseren Aufwand für Schäden ein, die Kosten und die Prämie für die Exzedentenpolice.“ Prämien für Arzthaftpflichtpolicen der Kliniken werden in der Regel pro Bett angegeben. Der Versicherungsmarkt biete Schutz für deutlich über 600 Euro pro Bett. Insgesamt habe der LBK 2002 für Arzthaftungsschäden 1,86 Mio.Euro ausgegeben, im Jahr davor 3,69 Mio.Euro. Eine normale Arzthaftungspolice wäre im Jahresschnitt bis zu 2 Mio.Euro teurer, glaubt Süfke.

Die sieben Krankenhäuser des LBK zahlen die Schäden und Kosten über eine Umlage. Die Hälfte bezieht sich auf den Umsatz, die andere Hälfe auf die Schäden des jeweiligen Krankenhauses über die letzten sechs Jahre. Dabei geht es nur um die Arzthaftung. Andere Deckungen, zum Beispiel für Gebäude, hat der LBK bei Versicherungsgesellschaften abgeschlossen, auch sie werden vom IVF verwaltet.

In den neun Jahren von 1995 bis 2003 gab es 1481 Haftungsfälle bei LBK-Häusern, das waren pro Jahr 164, sagte Süfke. Das Unternehmen versucht, sich mit den betroffenen Patienten in Schlichtungs- und Gutachterverfahren außergerichtlich zu einigen. „Wir treiben unsere Patienten nicht auf die langen Gerichtswege, sondern regulieren schnell und fair“, sagte Süfke. Da der LBK und nicht ein Versicherer Herr des Verfahrens sei, sei dies auch einfacher möglich. „In 15 Prozent aller Fälle kam es zum Prozess, davon haben wir 80 Prozent gewonnen.“ Der größte Schaden, der zurzeit abgewickelt wird, stammt aus dem Jahr 1997 und aus der Psychiatrie – insgesamt kostet er den LBK wohl mehr als 2,5 Mio. Euro. Ein Patient ist nach einem Suizidversuch dauernd behindert und pflegebedürftig.

Ein zentraler Bestandteil der IVF-Arbeit bestehe in der Prävention. Regelmäßig finden in allen Krankenhäusern Schulungen und Risikoprüfungen statt. „Die einzelnen Ärzte sind von Schadenersatzforderungen durch uns, den so genannten Regress, befreit“, sagte Süfke.

Vor Serien- und Großschäden haben die LBK-Managerinnen keine Angst. „Wir haben uns gegen Großschäden mit der Exzedentenpolice abgedeckt“, sagte Vorstand Seidel-Kwem. „Schäden bis 15 Mio. Euro über zwei Jahre könnten wir tragen, ohne die Existenz des Unternehmens zu gefährden.“ Was aber, wenn Spätschäden erst nach Jahren gemeldet werden? „Das wird gern als Einwand gegen unsere Lösung angebracht“, sagte Süfke. „Aber wir machen das ja schon seit 1995 erfolgreich.“

Zitat:

„Unser Modell ist auch für andere attraktiv“ – Brunhilde Seidel-Kwem, Vorstand LBK Hamburg

Bild(er):

Für Klinikbetreiber stellt der Chirurg im Operationssaal ein großes und damit häufig teures Haftungsrisiko dar – Gettyimages

 

Quelle: Financial Times Deutschland

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