Lebensversicherer greifen zu Bilanztrick

Nach Gerling nimmt auch Victoria Rückversicherungsvertrag in Anspruch und stärkt dadurch Eigenkapitalbasis

Von Herbert Fromme, Köln Deutschlands Lebensversicherer verschönern mit einem legalen Trick ihre Bilanzen. Wie der Konkurrent Gerling nahm auch die zur Münchener Rück gehörende Victoria Lebensversicherung 2003 Bilanzhilfe durch einen Rückversicherungsvertrag in Anspruch. Das bestätigte ein Sprecher des Ergo-Konzerns, in dem die Münchener Rück ihre Erstversicherungsaktivitäten gebündelt hat.

Im Jahr 2002 hatte die Victoria Leben 7,8 Prozent der Beiträge als Rückversicherungsprämie weitergegeben, 2003 mit 16,4 Prozent mehr als doppelt so viel. Rückversicherungsgeber ist zum größten Teil die Schwestergesellschaft Hamburg-Mannheimer Versicherung, ebenfalls als Lebensversicherer aktiv und wie die Victoria Teil der Ergo.

Der Sprecher sagte, die Maßnahme habe nichts mit der Hebung künftiger Gewinne zur Erzielung eines besseren Ergebnisses zu tun, wie es bei Gerling der Fall war. „Bei uns ging es einzig und allein um Fragen der Solvabilität.“ Damit bezeichnen die Versicherer die Beziehung zwischen Eigenkapital und gezeichnetem Versicherungsgeschäft. Die Victoria Leben musste in den vergangenen beiden Jahren hohe Verluste aus ihren Aktienanlagen ausgleichen. Durch den Rückversicherungsdeal konnte sie von der Stärke der Schwester bei der Solvabilität profitieren.

Ein FTD-Bericht über das Rückversicherungsgeschäft der Gerling Leben mit einer eigens dafür geschaffenen Tochter sorgte in der Assekuranz für heftige Diskussionen. Der Versicherer hatte mit Hilfe eines Bilanztricks einen Rohüberschuss von 613 Mio. Euro erzielt, ohne den Trick wären es höchstens 300 Mio. Euro gewesen. Der Rohüberschuss kommt zu mindestens 90 Prozent den Kunden zugute und ist eine wichtige Kennzahl im Konkurrenzkampf.

Die für das Geschäft gegründete Gerling Friedrich Wilhelm Rückversicherungs-GmbH – die vollständig im Besitz der Gerling Leben ist – zahlte 300 Mio. Euro als Rückversicherungsprovision an die eigene Mutter. Dafür erwarb sie langfristig Anteile an den Gewinnen aus den Lebensversicherungsverträgen. Gerling Leben konnte so künftige Gewinne schon 2003 zeigen. Vorher war der Rückversicherer von eben dieser Gerling Leben mit 3,5 Mio. Euro Eigenkapital und 310 Mio. Euro Kapitalrücklage ausgestattet worden. Das Ergebnis der Transaktion ist einerseits der um 300 Mio. Euro verbesserte Rohüberschuss bei Gerling Leben und andererseits ein Verlust von 303 Mio. Euro bei der Tochter Friedrich Wilhelm Rück.

Vorfinanzierungen durch Rückversicherer sind in der Lebensversicherung üblich. Äußerst unüblich ist es allerdings, das durch eine Tochtergesellschaft machen zu lassen. „Vor zwei Jahren wurde MLP wegen der Bilanzhilfe durch Rückversicherer scharf kritisiert“, sagte ein Vorstand eines kleinen Lebensversicherers. „Aber damals war der finanzierende Partner außenstehend.“

Gerling-Leben-Chef Norbert Heinen verteidigte das Vorgehen. Das sei wegen der 2003 herrschenden Unsicherheiten an Börse und in Steuerfragen nötig gewesen. Der Schritt sei legal, die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG habe ihn gebilligt. „Alle Verträge haben der Finanzaufsicht BaFin vorgelegen“, sagte Heinen. Ohnehin seien Vorfinanzierungen durch Rückversicherer nichts Neues. „Sie haben 2003 aber auf breiter Front zugenommen.“

Zitat:

„Bei uns ging es einzig und allein um Fragen der Solvabilität“ – Sprecher von Victoria

Quelle: Financial Times Deutschland

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