Branche offenbart sich den Kunden

Eigentlich werden die Versicherungsmakler mehr denn je gebraucht. Doch ausgerechnet jetzt geraten sie in eine heftige Debatte über ihr Geschäftsgebaren und liefern sich einen Konkurrenzkampf, der den der Versicherer übertrifft.

VON Herbert Fromme Die Spannung bei den Versicherern und ihren großen Kunden steigt. Sie verhandeln zurzeit über die Verträge für das Jahr 2006. Die entscheidende Frage: Bleibt es auch 2006 beim Trend zu niedrigeren Preisen, der 2004 und 2005 die Hochpreisphase der Vorjahre ablöste? Oder hat die hohe Belastung von Versicherern und Rückversicherern durch die Hurrikans den Trend umgekehrt?

Vom weiteren Sinken der Preise sind Einkäufer und Makler überzeugt, die Verhärtung des Preistrends sehen die Versicherer und verweisen auf deutlicher zu spürende Entwicklungen in den USA und Großbritannien. „Es gibt sehr unterschiedliche Wahrnehmungen der selben Situation“, sagt Leberecht Funk, Chef der Maklerfirma Funk Gruppe und Vorsitzender des Verbands Deutscher Versicherungsmakler.

Die Lage ist äußerst verworren. Für den gleichen Versicherungsschutz kann ein Industrie- oder Dienstleistungskonzern leicht 30 oder 40 Prozent mehr bezahlen. Hinzu kommt, dass bestimmte Unternehmen große Schwierigkeiten haben, sich zu versichern. Dazu gehört etwa die pharmazeutische Industrie. Firmen, die viel in die USA liefern oder an der New Yorker Börse notiert sind, haben es sehr schwer, Deckungen für Ansprüche aus der Produkt- oder Managerhaftung zu erhalten.

Ideale Situation

Keine Frage: Eine solche Situation ist ideal für die Versicherungsmakler. Sie werden gebraucht. Bei zahlreichen Unternehmen ist der direkte Kontakt zu Versicherern nicht mehr so gut wie noch vor fünf, sechs Jahren. Rabiate Kündigungen oder massive Preiserhöhungen nach dem 11. September 2001 haben das Vertrauen vieler Einkäufer und Risikomanager in der Großindustrie nachhaltig beschädigt. „Viele Kunden haben den Versicherern noch nicht verziehen“, sagt Funk.

Dazu kommt, dass namhafte Gesellschaften – darunter auch große Gruppen wie die AMB Generali – das Industriegeschäft ganz eingestellt, andere ihr Servicenetz ausgedünnt haben. Schließlich beunruhigt viele Kunden und Makler die bevorstehende Übernahme der Gerling-Gruppe durch den Konkurrenten Talanx/HDI. Das könne zur Verknappung von Versicherungskapazität führen, heißt es. „Eins und eins ist da nicht zwei, nicht mal 1,5“, sagt Funk.

Tatsächlich profitieren die Makler, vor allem die Großmakler, von dieser Lage. Bundesweit gibt es nach unterschiedlichen Schätzungen zwischen 6000 und 8000 Versicherungsmakler. Allerdings sind die meisten Firmen sehr klein. Der vornehme Verband Deutscher Versicherungsmakler (VDVM) zählt nur 594 Mitgliedsfirmen. Hier sammeln sich die Großmakler, darunter auch der von amerikanischen Muttergesellschaften kontrollierte Marktführer Aon Jauch & Hübener und Marsh.

Da die Makler keine Umsatzzahlen veröffentlichen, gibt es keine verlässlichen Rangfolgen. Klar ist nur, dass hinter Aon und Marsh die Maklergruppen Funk, Willis und Ecclesia liegen – in welcher Reihenfolge auch immer – und zahlreiche andere erfolgreiche Firmen.

Unter ihnen herrscht erbitterte Konkurrenz, deren Intensität in den vergangenen Monaten deutlich zugenommen hat. Im Interesse ihrer Kunden reden die Makler die Preise zwar gern herunter. Da aber die meisten von ihnen auf Provisionsbasis arbeiten, profitierten sie von den 2001 so dramatisch hohen Preisen. „Viele Makler hatten nicht erwartet, dass die Versicherer so schnell wieder auf der Preisseite nachgeben würden“, erklärt Funk. Die starke Fluktuation des Marktes wirke sich auch auf die Makler aus. „Die Kunden sind auf Reisen“, sagt er. „Entweder reist der Makler mit, oder der Kunde sucht sich andere Unterstützung.“

Neben der Konkurrenz beschäftigen die Auswirkungen des großen Skandals in den USA die Branche. Dort war 2004 die Maklerfirma Marsh ins Visier des New Yorker Staatsanwalts Eliot Spitzer geraten. Spitzer wies Marsh Angebotsbetrug nach und griff das Unternehmen auch wegen Sonderprovisionen an, die umsatz- oder gewinnabhängig von Versicherern an den Makler gezahlt wurden. Die Marsh-Führung wurde inzwischen ausgewechselt, der Makler zahlt in einem Vergleich 850 Mio. $, mit denen rund 70 000 Geschädigte abgefunden werden.

Die Sache zieht aber weite Kreise. Kunden verlangen Aufklärung, ob der Makler auch wirklich den im Kundeninteresse besten Versicherer ausgesucht habe – oder nur einen, der ihm selbst die höchsten Sonderprovisionen bietet.

In Deutschland spielten Sonderprovisionen eine sehr viel kleinere Rolle als in den USA. Trotzdem führen auch die deutschen Töchter der internationalen Makler neue Transparenzregeln ein. So wird Willis künftig allen Kunden einmal pro Jahr detailliert schriftlich Auskunft darüber geben, was der Makler mit den Verträgen dieses Kunden an Provisionseinnahmen erzielt hat. Auch Marsh will Kunden künftig die Provisionseinnahmen aus den vermittelten Geschäften zeigen. „In zwei Jahren werden wir auf vollständige Transparenz umgestellt haben“, sagt Deutschlandchef Felix Hufeld.

Der VDVM wird auf seiner heutigen Mitgliederversammlung im Hamburger Hotel Interconti über einen Vorschlag für die Einführung eines „Code of Conduct“ diskutieren. Leitsatz des Verhaltenskodex: „Das Kundeninteresse und nicht das wirtschaftliche Eigeninteresse des Versicherungsmaklers bestimmt die Auswahlentscheidung des Versicherungsmaklers.“ Damit wolle der Verband seine Konturen in der Öffentlichkeit schärfen und greifbarer werden lassen, sagt Funk. „Wir werden den Mitgliedern ausdrücklich empfehlen, keine Bonus- oder Sondervergütungen zu vereinbaren.“

Die pauschale Offenlegung von Provisionseinnahmen gegenüber dem Kunden, wie von angelsächsischen Maklern praktiziert oder geplant, hält Funk aber nicht für sinnvoll. „Das fördert die Urteilskraft der Kunden unzulänglich“, sagt er. „Sie könnte sogar bei oberflächlicher Betrachtung verzerrend und daher fehlleitend sein.“

Zitat:

“ „Viele Kunden haben den Versicherern nicht verziehen“ “ – Leberecht Funk,Vorsitzender des Verbands Deutscher Versicherungsmakler –

Quelle: Financial Times Deutschland

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