Brüchige Einheit

Continentale-Chef Helmut Posch hat in dieser Woche öffentlich die Frage gestellt, ob große Finanzkonzerne und mittelgroße Krankenversicherer noch genügend Gemeinsamkeiten haben, um sich durch denselben Verband vertreten zu lassen. Ähnliche Überlegungen stellt sich auch mancher Vorstand in Bezug auf den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. Aber leichter wird die Interessenvertretung auch in getrennten Verbänden nicht.

Herbert FrommeDas war ihm nicht versehentlich rausgerutscht. Continentale-Vorstandschef Helmut Posch hatte sich genau überlegt, was er tat, als er am Dienstag beim PKV-Forum seiner Gesellschaft zur Zukunft seiner Branche Stellung nahm. Die Branche müsse prüfen, ob die als Aktiengesellschaft organisierten Versicherer und die Versicherungsvereine weiterhin an einem Strang ziehen sollen, sagte er. Die großen Aktiengesellschaften hätten zum Teil völlig andere Interessen als die Vereine, sagte Posch. „Wir müssen den Dissens auflösen oder wir müssen getrennte Wege gehen.”

Tatsächlich sind die Interessen nicht seit erst heute sehr verschieden. 2002 gab es Krach zwischen Ulrich Rumm, damals Chef der Allianz-Tochter Vereinte Krankenversicherung, und dem Rest der Branche. Der Versicherer firmiert heute als Allianz Private Krankenversicherung. Rumm trat damals für die Abschaffung der Dualität aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung ein. Die Krankenversicherung sollte insgesamt mit gewaltigen staatlichen Zuschüssen privatisiert werden.  Die Mehrheit der PKV-Unternehmen verwehrte Rumm seinen Sitz im Verbandsvorstand. 2008 erschütterte ein für den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) verfasstes Papier einer Arbeitsgruppe die Branche – Vordenker aus großen Konzernen wie Axa und Munich Re plädierten für eine Einheitsversicherung mit Grundschutz für alle. Gesellschaften, die vor allem von der privaten Krankenversicherung leben, liefen Sturm – das Papier wurde im GDV beerdigt.

Die Widersprüche liegen auf der Hand. Für die großen Finanzkonzerne ist die PKV eine kleine und meistens lästige Sparte. Der Markt ist gesättigt, richtig wachsen können sie hier nicht. Die lebenslange Absicherung ihrer Kunden gegen Krankheitskosten ist ein Risiko, das sie wegen der vielen Unwägbarkeiten und der Abhängigkeit von der Politik instinktiv scheuen. Kein Wunder, dass viele Topmanager in den großen Finanzkonzernen nichts dagegen hätten, wenn eine Regierung die Dualität in Deutschland beerdigt – und den Weg freimacht für ein wirklich ausgedehntes und lukratives Geschäft mit Zusatzpolicen.

Die Widersprüche zwischen Großkonzernen und mittelständischen Versicherern sind nicht auf die PKV beschränkt. Im GDV gibt es gerade heftigen Krach, weil eine Arbeitsgruppe unter Federführung von Allianz und Axa angesichts der Niedrigzinsen die Deckelung der Provisionen in der Lebensversicherung empfiehlt. Maklerversicherer sind empört und glauben, dass die Großen hier eine ganz perfide Marktbereinigungsstrategie betreiben.

Schon bei Solvency II gab und gibt es viele Bruchstellen im Branchenverband. Die Allianz-Führung macht kein Hehl daraus, dass die neuen EU-Regeln auch der Marktbereinigung dienen sollen. Das verärgert kleinere Unternehmen,  die den vollmundigen Zusagen, Solvency II werde für sie mit Erleichterungen versehen, mit Misstrauen begegnen. Tatsächlich sind die Unterschiede gewaltig zwischen der berufsständische Gartenbau-Versicherung und dem Allianz-Konzern, der global tätig ist und nebenbei auch noch einen der größten Vermögensverwalter der Welt kontrolliert.

Allerdings gibt es niemanden, der offen den Bruch im GDV propagiert. Zu abschreckend ist das Bild der Banken, die es auf drei bundesweit agierende Verbände bringen und deshalb deutlich weniger Schlagkraft im politischen Lobbybetrieb haben.

Aber bei der Einheit der Versicherungswirtschaft in einem Verband muss es nicht bleiben. Das Beispiel Provisionsdeckel zeigt, wie tief die Interessensunterschiede sind. Mit Fortgang der Finanzkrise wird der Druck auf die Versicherer noch größer werden – und damit der Druck auf ihre einheitliche Vertretung. Bisher hatten PKV-Verband und GDV kluge Führungen, die mit vielen Kompromissen die Einheit erhalten konnten. Das wird künftig immer schwerer.

Herbert Fromme

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