Neuen Schwung für die betriebliche Altersvorsorge verspricht sich Bundesarbeitsminister Walter Riester von der Rentenreform. Denn für Millionen von Beschäftigten ist die betriebliche Altersvorsorge weitaus lukrativer als der Abschluss eines privaten Riester-Vertrags. Doch die Erfahrungen der Chemiebranche zeigen, dass auch die schönsten Bedingungen alleine nichts nützen.
Der Bundesarbeitgeberverband Chemie und die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE) haben die bislang weitgehendste Vereinbarung für die betriebliche Altersvorsorge nach der Rentenreform getroffen. Mit ihrem kürzlich abgeschlossenen Tarifvertrag haben sie die bestehenden Modelle an die Rentenreform angepasst. Die Sozialpartner wollen noch in diesem Jahr einen Pensionsfonds gründen. Damit stellen sie alle von der Rentenreform vorgesehenen Möglichkeiten für die betriebliche Altersvorsorge bereit. Darüber hinaus wollen die Arbeitgeber das finanzielle Polster der Arbeitnehmer für den Ruhestand noch etwas aufbessern.
Bisherige Erfahrungen zeigen allerdings, dass gute Modelle keine Selbstläufer sind. Bereits seit 1998 bieten die Arbeitgeber den Beschäftigten die Möglichkeit einer so genannten Direktversicherung (mit einer Lebensversicherung), einer von Versicherern rückgedeckten Direktzusage der Arbeitgeber oder einer ebenso rückgedeckten Gruppenunterstützungskasse. Die Arbeitnehmer konnten pro Jahr die ihnen nach dem Vermögensbildungsgesetz zustehenden 936 DM in Beiträge für die Altersvorsorge umwandeln. Seit dem Jahr 2000 bezuschussen die Chemieunternehmen diesen Betrag mit 262 DM, so dass die Beschäftigten insgesamt 1200 DM für die Altersvorsorge ansparen konnten. „90 Prozent der Arbeitgeber haben das ihren Arbeitnehmern angeboten“, sagt der Sprecher des Bundesarbeitgeberverbandes Chemie, Burkhard Jahn.
Doch die Beschäftigten haben auf das Angebot noch nicht besonders reagiert. Nach einer Umfrage der Gewerkschaft IG BCE unter Betriebsräten im Herbst 2000 nehmen 13 Prozent der Beschäftigten die Umwandlung ohne Zuschuss wahr. Für eine Altersvorsorge im Rahmen eines Gruppenvertrages entschieden sich bis Ende 2000 nach Angaben derbeteiligten Finanzdienstleister nicht einmal 1000 Beschäftigte. Nun haben die Tarifparteien der chemischen Industrie ein zusätzliches Bonbon für die Belegschaften ausgehandelt. Auf je 100 Euro, die ein Arbeitnehmer für seine zusätzliche Altersvorsorge über die 1200 DM hinaus aufbringt, erhält er von seinem Arbeitgeber 13 Euro. Der Netto-Anlagebetrag der betrieblichen Altersvorsorge liegt in dieser Branche damit einige hundert Mark über dem eines privat abgeschlossenen Riester-Vertrags. Wer mit 25 Jahren in die betriebliche Altersvorsorge nach dem Modell der Chemiebranche einsteige, könne im Rentenalter mit einer zusätzlichen Rente von 1500 DM monatlich rechnen, kalkuliert Jahn.
Arbeitgeber in anderen Branchen wie der Metallindustrie verweigern bislang Zuschüsse, obwohl sie Sozialabgaben sparen. Entsprechend zufrieden ist die IG BCE mit ihrer Vereinbarung. „Wir haben insgesamt eine sehr attraktive Lösung gefunden“, so der Verhandlungsführer Werner Bischoff.
Branchenkenner bezweifeln, dass gute Konditionen alleine ausreichen, die Beschäftigten vom Nutzen der betrieblichen Altersvorsorge zu überzeugen. Die Tarifparteien müssten die Arbeitnehmer mit Informationskampagnen auf das Angebot aufmerksam machen, fordert Norbert Heinen, Vorsitzender des Ausschusses Lebensversicherung im Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft. „Die Arbeitgeber sind gut beraten, für eine hohe Beteiligung zu sorgen“, sagt der Gerling-Vorstand. Seiner Auffassung nach leisten sich Arbeitgeberverbände, die die betriebliche Altersvorsorge nicht bezuschussen, einen Bärendienst. Denn eines ist sicher: Floppt die Rentenreform mangels Beteiligung, droht vielen Rentnern später die Sozialhilfe. Die Bundesregierung würde bei einer solchen Entwicklung wohl nicht tatenlos bleiben. Stattdessen könnte sie diezusätzliche private Vorsorge verpflichtend machen. Für die Arbeitgeber hätte dies wahrscheinlich Konsequenzen: Die Arbeitnehmer könnten beim Einsatz des Kapitals für diebetrieblichen Renten mitbestimmen und die Unternehmen müssten die Hälfte der Beiträge tragen.
Quelle: Financial Times Deutschland
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