Unsicherheit lähmt Wechselbereitschaft zur privaten Krankenversicherung · FTD-Interview mit Vorstandschef Jan Boetius
Von Ilse Schlingensiepen und Herbert Fromme, Köln Kräftig unter Druck geraten ist das Neugeschäft der Deutschen Krankenversicherung (DKV). Die Tochter der Münchener Rück ist die Nummer eins unter den privaten Krankenversicherern. „In den ersten sieben Monaten 2003 ist unser Neugeschäft um 9,5 Prozent auf knapp 9 Mio. Euro Monatssollbeitrag zurückgegangen“, sagte DKV-Vorstandschef Jan Boetius.
Für das Gesamtjahr wagt Boetius keine Prognose. „Alles hängt davon ab, was bei der Gesundheits-und der Steuerreform herauskommt.“ Wahrscheinlich wird die DKV auch am Jahresende einen Rückgang im Neugeschäft verbuchen.
Boetius, der am Jahresende in den Ruhestand treten wird, nennt eine Reihe von Gründen: die anhaltende Diskussion über die Zukunft der Krankenversicherung, die Erhöhung der Einkommensgrenze, ab der sich Angestellte privat versichern dürfen, sowie die schlechte Konjunktur.
Viele Menschen schreckten offenbar im Moment vor dem Wechsel aus der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in die private Krankenversicherung (PKV) zurück.
Der größte Teil des Rückgangs im Neugeschäft betrifft die Vollversicherung, das wichtigste Standbein der DKV. „Aber auch die Zusatzversicherungen sind rückläufig, weil die Leute sparen müssen“, sagte Boetius.
Bei den Prämieneinnahmen rechnet er für 2003 mit einem Plus von 7,1 Prozent bis 7,5 Prozent, was zum großen Teil auf Prämienerhöhungen zurückzuführen ist. 2002 nahm die Muttergesellschaft DKV AG 3,04 Mrd. Euro an Prämien ein. Bei den Aufwendungen für Versicherungsfälle erwartet Boetius dagegen einen Anstieg um nur vier Prozent.
„Unser Reorganisierungs-und Kostensenkungsprogramm zeigt Wirkung“, sagte er. Die Verwaltungskosten sollen um knapp sieben Prozent fallen. Die Verwaltungskostenquote läge dann bei 3,7 Prozent der Beiträge, verglichen mit 4,3 Prozent im Jahr 2002. Der Trend wird sich in den nächsten Jahren fortsetzen, erwartet Boetius. „Wir peilen eine Quote von unter drei Prozent an.“
Dazu kommen noch die Vertriebskosten, vor allem Provisionen, die sich 2002 auf 11,7 Prozent der Beitragseinnahmen beliefen. Beim versicherungstechnischen Ergebnis will die DKV in diesem Jahr bei 140 Mio. Euro landen, nach mageren 5,4 Mio. Euro im vergangenen Jahr.
Auch 2003 werde das Unternehmen Abschreibungen auf Aktien vornehmen, nachdem die Börsenkrise 2002 mit 629 Mio. Euro realisierten Verlusten und Abschreibungen zu Buche schlug. Mit einer Aktienquote von 24,6 Prozent (2002) gehörte die DKV zu den am stärksten an der Börse engagierten Versicherern.
Es werde aber kein negatives außerordentliches Ergebnis geben. Einsilbig wird Boetius, wenn er die nach Paragraf 341b aufgeschobenen Abschreibungen, die so genannten stillen Lasten, nennen soll.
Das müsse die DKV nicht veröffentlichen, sagte er und widerspricht damit vielen Wirtschaftsprüfern, die auf der Publizierung bestehen. Wenn die Ende 2002 bestehenden stillen Lasten der DKV mit den vorhandenen stillen Reserven saldiert werden, ergibt sich jedenfalls ein Minusbetrag von 193 Mio. Euro.
Boetius glaubt weiterhin an die Aktie. „Sie ist langfristig das Papier mit der höchsten Performance.“ Bei den derzeitigen Kapitalanlagen stehe für die DKV die Risikotragfähigkeit im Vordergrund. „Wenn die Risikotragfähigkeit durch das bessere Versicherungsergebnis wieder höher ist, werden wir auch wieder mehr in Aktien gehen, vorausgesetzt der Kapitalmarkt stimmt.“
Zitat:
„Alles hängt davon ab, was bei den Reformen herauskommt“ – DKV-Chef Jan Boetius
Bild(er):
Der DKV-Vorstandsvorsitzende Jan Boetius sorgt sich um das Neugeschäft des Marktführers der privaten Krankenversicherer – FTD/Henning Kaiser.
Quelle: Financial Times Deutschland
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