Jeder zehnte Kölner ist homosexuell · Eigenes Marketing

Für einen konservativen Politiker trat der Kölner CDU-Kandidat Fritz Schramma im Oberbürgermeisterwahlkampf mit einem ungewöhnlichen Versprechen an: Er werde Köln zur „Hauptstadt der Homosexuellen“ machen, sagte er einem Szeneblatt. Einzulösen brauchte Schramma das Versprechen nach seiner Wahl im Jahr 2000 nicht. Köln ist längst Deutschlands Schwulenmetropole.

„Mehr als zehn Prozent der Kölner sind schwul oder lesbisch“, sagt Daya Holzhauer vom Vorstand des Kölner Lesben- und Schwulentags. Diese mehr als 100 000 Bürger prägen die Stadt – und sie sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Berlin, Paris und Hamburg haben homosexuelle Bürgermeister, aber Köln hat eine schwul-lesbische Infrastruktur.

Im Sportverein Janus „Erfrischend anders seit 1980“ turnen sie, im Tanzclub „Seitenwechsel Cologne“ lernen sie Schrittfolgen. Die Unternehmensgruppe Pride bietet spezielle Kreditkarten und Telefontarife für Gays an. Und wenn Karneval ist, wackeln die Rosa Funken beim traditionellen Stippeföttchen-Tanz mit den Hintern. Die großen Verbände der schwul-lesbischen Gemeinschaft sitzen nicht in der Hauptstadt, sondern am Rhein. Das gilt für den deutschen Lesben- und Schwulenverband genauso wie für den Verband schwul-lesbischer Journalisten oder den Bundesverband Gay Manager. Lesbische Unternehmerinnen haben sich als „Amigas“ zusammengeschlossen.

Nirgendwo in Deutschland werden Homosexuelle so sehr als Wirtschaftsfaktor begriffen und geschätzt. Seit drei Jahren betreibt das Amt für Touristik ein „Gay Marketing“, präsentiert die Stadt zum Beispiel auf Messen als Homosexuellen-Metropole und gibt einen lesbisch-schwulen Stadtführer heraus. „Köln ist die einzige deutsche Stadt, die so eine Einrichtung hat“, sagt Holzhauer, die für Gay Marketing arbeitet.

Die Bedienung der Zielgruppe lohnt sich. Jedes Jahr zieht die europaweit größte Parade zum Christopher Street Day (CSD) durch die Straßen. Der bunte Zug brachte nach Berechnungen der Stadt im Jahr 2002 mehr als 45 Mio. Euro in die Kassen von Gastronomen, Einzelhändlern und anderen Dienstleistern. „Dass hier so viele Schwule und Lesben leben, liegt an der Mentalität der Kölner“, sagt Holzhauer. Das Karnevalsmotto „Jeder Jeck ist anders“ ist Programm. „In Köln gibt es gegenüber Schwulen und Lesben nicht nur Toleranz, sondern auch Akzeptanz.“.

Das ist ein wichtiger Standortfaktor für homosexuelle Existenzgründer. „In Berlin gibt es zahlenmäßig vielleicht mehr Schwule und Lesben, aber in Köln sind sie sichtbar“, sagt Holger Linde von der Gay-Marketing-Agentur Gofelix. Als er und seine Mitstreiter die Agentur gründeten, erwogen sie, nach Berlin zu ziehen. Sie entschieden sich für Köln.

Gofelix hat in Zusammenarbeit mit der Düsseldorfer Werbeagentur BBDO Consulting die nach eigenen Angaben erste repräsentative Studie zum Konsumverhalten von Schwulen erstellt. Danach investieren zum Beispiel 31 Prozent der Schwulen in Fonds und 28 Prozent in Aktien. Viel mehr als die heterosexuellen Männer, von denen sich nur 11 Prozent an Fonds und 8 Prozent an Aktien heranwagen. „Schwule telefonieren mehr als Heteros und kaufen häufiger ein Handy“, berichtet Linde. Kunden seiner Agentur sind unter anderem der Mobilfunkanbieter O2 und der Autobauer Ford, die Homosexuelle gezielt bewerben. Ford ist einer der größten Sponsoren des Kölner CSD.

Bild(er):

Pärchen beim Christopher Street Day. Die Stadt hat die europaweit größte Parade für Schwule und Lesben – David Boucherie

Anja Krüger

Quelle: Financial Times Deutschland

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