Warum und mit welchen Methoden deutsche Unternehmen auch in schwierigen Zeiten weiterhin Geld in die Altersversorgung ihrer Angestellten investieren

Betriebsrenten bergen politischen Sprengstoff – das haben Commerzbank und Gerling vergangene Woche erfahren. Doch hohe Pensionslasten beunruhigen auch Anleger und Analysten. Also abschaffen? So einfach ist es nicht. Wer keine Betriebsrenten gewährt, gerät im Konkurrenzkampf um gute Mitarbeiter leicht ins Hintertreffen. Deshalb hat Gerling seine arbeitgeberfinanzierten Betriebsrenten nur gesenkt und nicht ganz abgeschafft. „Wir wollen für neue Mitarbeiter attraktiv bleiben“, sagt Vorstandsmitglied Norbert Heinen, als Chef der Gerling Leben auch Experte für betriebliche Altersversorgung. „Man bewegt sich als Unternehmen in einem Bereich, in dem man sparen, gleichzeitig aber nicht aus dem Wettbewerbsfeld gedrängt werden möchte.“

Auch Klaus Stiefermann, Geschäftsführer des Fachverbands Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung, sieht in Betriebsrenten ein wichtiges personalpolitisches Instrument. „Wenn ein Arbeitgeber einem Mitarbeiter statt einer Gehaltserhöhung eine Betriebsrente anbietet, gibt es eine Win-Win-Situation“, sagt er. Möchte das Unternehmen 1000 Euro mehr im Monat für einen Beschäftigten aufwenden, erhält dieser nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben möglicherweise gerade mal die Hälfte davon. Je nach Variante der betrieblichen Altersversorgung kommt ihm der volle Betrag zugute.

Den Königsweg in der betrieblichen Altersversorgung gibt es für Unternehmen nicht, sagt Stiefermann. Betriebe könnten „aus einem bunten Strauß von Möglichkeiten wählen, was zu ihnen passt“. Sie können sich für rein arbeitgeber-, arbeitnehmer- oder gemeinsam finanzierte Betriebsrenten entscheiden. Seit der Rentenreform haben Beschäftigte zwar ein Recht auf Betriebsrenten, aber nicht auf deren Finanzierung durch die Arbeitgeber. Die Unternehmen müssen keinen Cent beisteuern. Je nachdem welche Variante sie wählen, haben sie aber Vorteile. Sie und der Beschäftigte sparen Sozialabgaben.

Will ein Unternehmen Betriebsrenten für die Mitarbeiter finanzieren, stellt sich eine zentrale Frage: Sollen die Aufwendungen abfließen oder für Investitionen des Betriebs zur Verfügung stehen? Für externe Lösungen kommen Direktversicherungen, Pensionskassen und Pensionsfonds in Frage. Bei Direktversicherungen schließt der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer eine Kapitallebensversicherung ab. Eigene Pensionsfonds oder Pensionskassen zu unterhalten lohnt sich nur für Großunternehmen, andere können auf Finanzdienstleister zurückgreifen.

Entscheiden sich Firmen für die Gründung einer Unterstützungskasse oder eine Direktzusage, können sie die Aufwendungen reinvestieren. „Das Unternehmen muss prüfen, ob die Eigenkapitalrendite für eine interne Lösung reicht“, sagt Stiefermann.

Die mit Abstand beliebteste Form der betrieblichen Altersversorgung in Deutschland ist die Direktzusage. Hier verspricht der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Zahlung einer bestimmten Rente. Bei nicht einmal einem Drittel der Direktzusagen sind die in Aussicht gestellten Betriebsrenten durch Kapitalanlagen gedeckt. Etwa 70 Prozent der Zusagen werden in den Betrieben reinvestiert.

Rating-Agenturen reagieren auf bilanzielle Belastungen durch Pensionsverpflichtungen allergisch. Sie stufen ihre Bewertungen wie bei ThyssenKrupp gnadenlos herab, wenn sie die Belastungen für zu hoch halten. Deshalb versuchen viele Unternehmen, ihre Pensionsverpflichtungen aus der Bilanz zu bekommen. Dazu haben sie mehrere Möglichkeiten. „Die Übertragung auf einen Pensionsfonds ist prinzipiell möglich, aber es gibt wenig praktische Erfahrung damit“, sagt Gerling-Vorstand Norbert Heinen. Pensionsfonds sind in Deutschland erst seit 2002 zugelassen. Bei der Übertragung entstehen Deckungslücken, denn Pensionsrückstellungen werden mit einem Zinssatz von sechs Prozent kalkuliert, allerdings kommen Pensionsfonds zurzeit nur auf 3,5 Prozent.

Viele Unternehmen gehen deshalb einen anderen Weg. Sie sondern die Vermögensanlage für die Pensionsverpflichtung ab und übergeben sie einer Treuhandverwaltung. Heinen: „Viele der Dax-30-Unternehmen sind auf diesem Weg unterwegs.“ Auf diese Weise verbessern Unternehmen die Bilanzrelation und die Eigenkapitalquote – und so möglicherweise das Rating.

Eingriffe in bereits verdiente Anwartschaften sind für Unternehmen nicht möglich. „Aber künftige Steigerungen sind disponibel“, sagt Heinen. Beispiel: Ein Arbeitnehmer verdient 5000 Euro, pro Dienstjahr erhält er Ansprüche auf eine Betriebsrente von einem halben Prozentpunkt seinen Gehalts. Nach 40 Dienstjahren bekäme er also 20 Prozent seines letzten Gehalts als Betriebsrente. Doch der Arbeitgeber kürzt nach 20 Jahren Dienstzeit die Ansprüche. Dem Beschäftigten ist auf jeden Fall der in den ersten 20 Jahren erworbene Anspruch auf eine Betriebsrente von 500 Euro sicher. Änderungen unterliegen allerdings den Spielregeln des Arbeitsrechts.

Zitat:

„Wenn ein Arbeitgeber einem Mitarbeiter statt einer Gehaltserhöhung eine Betriebsrente anbietet, gibt es eine Win-Win-Situation“ – Klaus Stiefermann, AG für betriebliche Altersversorgung

Anja Krüger

Quelle: Financial Times Deutschland

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