Ärzte und Wirtschaftsforscher erwarten keine spürbare Senkung der Krankenkassen-Sätze / Einige Versicherer müssen sogar erhöhen.
BERLIN, 5. April. Viele gesetzlich Krankenversicherte warten vergeblich auf eine Senkung ihrer Beitragssätze in dem von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) angekündigten Umfang. „13,6 Prozent durchschnittlicher Beitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung sind nicht zu erreichen“, sagte der Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Roland Stahl, der Berliner Zeitung. „Wenn wir in diesem Jahr 14,0 Prozent erreichen, wäre das verdammt gut.“ Auch Wirtschaftsforschungsinstitute zweifelten daran, dass es in diesem Jahr erhebliche Beitragssenkungen geben werde.
Der Bundesverband der Betriebskrankenkassen räumte ein, dass einige Krankenkassen ihre Sätze erhöht haben. Weiterhin könnten den Betriebskassen durch die Sanierung einer in Finanznot geratenen Versicherung neue Belastungen drohen.
Die Gesundheitsministerin hatte zuvor eine positive Zwischenbilanz der Gesundheitsreform gezogen, die seit Anfang Januar in Kraft ist. Sie bekräftige ihre Einschätzung, dass der durchschnittliche Beitragssatz im Laufe des Jahres deutlich unter 14 Prozent sinken werde. Ursprünglich war bei der Verabschiedung der Reform von Regierung und Union stets die Zielgröße von 13,6 Prozent für 2004 genannt worden.
„Eine Absenkung auf 13,6 Prozent erscheint sehr fraglich“, betonte Herbert Wuscher vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle. „Es gibt eine Reihe von Krankenkassen, die noch zu viel Schulden haben, um ihre Sätze senken zu können.“ Erst vor kurzem hatten die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen nahezu einhellig angekündigt, dass die politische Vorgabe von 13,6 Prozent nicht zu erfüllen sein wird. Wie es hieß, werde weiterhin eine 14 vor dem Komma stehen.
Bei ihrem optimistischen Ausblick verwies Schmidt nun darauf, dass die Arzneimittelausgaben und die Zahl der Arztbesuche im ersten Quartal 2004 drastisch zurückgegangen seien. Stahl betonte hingegen, eine abschließende Beurteilung dieser Entwicklung sei nach dem ersten Quartal gar nicht möglich, „weil die vergangenen Monate sehr untypisch verlaufen sind“. So seien im Vorgriff auf die Gesundheitsreform im Dezember viel mehr Patienten als üblich in die Arztpraxen gekommen und hätten sich mit Medikamenten bevorratet. Es könne daher nicht überraschen, wenn seit Anfang 2004 entsprechende Rückgänge zu verzeichnen seien. „Die spannende Frage ist, wie sich die Zahl der Arztbesuche und die Arznei-Ausgaben im zweiten und dritten Quartal entwickeln werden“, sagte er. Auch das Ifo Institut für Wirtschaftsforschung hält die von der Gesundheitsministerin vorlegten Zahlen noch nicht für aussagekräftig. Es sei zu früh, um zu beurteilen, ob die Maßnahmen der Gesundheitsreform erfolgreich seien, sagte Ifo-Experte Rigmar Osterkamp.
Stahl gab zu bedenken, dass auch eine sinkende Zahl medizinischer Behandlungen nicht unbedingt zu einer Ausgaben-Verringerung führen werde, da die Ärzte heute viele der von ihnen erbrachten Leistungen wegen Budget-Begrenzungen nicht abrechnen könnten. „Ein Rückgang der Leistungen wird daher nicht zwangsläufig Einsparungen in entsprechender Größenordnung nach sich ziehen“, betonte der Kassenärzte-Sprecher.
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Quelle: Financial Times Deutschland
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