CDU-Vorsitzende Merkel stellt Bundesländern Zustimmung frei · Ablehnung nur im Bundestag · Rot-Grün bereitet Änderungen vor
Die Union wird das umstrittene Gesetz zur Besteuerung der Renten nur im Bundestag voraussichtlich ablehnen, im Bundesrat aber passieren lassen. Dies sei das wahrscheinlichste Szenario, hieß es gestern sowohl in unionsgeführten Landesregierungen als auch in der Bundestagsfraktion.
CDU-Chefin Angela Merkel sagte, es gebe „verschiedene Möglichkeiten, zu einer Einigung zu kommen“. „Wir versuchen einen Weg zu finden, mit dem man verstehen kann, dass wir das Gesetz ablehnen und trotzdem unserer Verantwortung gerecht werden“, beschrieb Merkel ihre Strategie. Christine Scheel, Chefin des Finanzausschusses, kündigte an, den Gesetzentwurf bis zur Abstimmung am Donnerstag zu ändern, um der CDU/CSU entgegenzukommen.
Käme das Gesetz mit einigen Änderungen durch, würde die Regierung den letzten Teil ihrer Rentenreform relativ geräuschlos durchbringen. Zugleich würde die Union auf einen Konflikt mit der Regierung verzichten, mit dem sie bei Rentnern hätte punkten können. Allerdings sind Unions-Länder und die Fachleute der Bundespartei zu zerstritten, um eine solche Strategie durchzuhalten. Mit Hamburg, Niedersachsen und Bayern setzten bisher erst drei Unions-Länder im Bundesrat auf Ablehnung.
Die Bundesregierung ist bei dem Gesetz zudem an enge Vorgaben des Verfassungsgerichts gebunden. Auch diese Tatsache erschwert der Union den Konfliktkurs.
Bislang hatte Merkel dennoch auf Widerstand gesetzt. So waren auch Äußerungen des CDU-Politikers Volker Kauder verstanden worden. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion hatte gesagt, die Regierung müsse die „Zumutungen für die Rentner allein verantworten“. „Wir werden den Gesetzentwurf im Bundestag ablehnen und streben auch im Bundesrat kein Vermittlungsverfahren an“, so Kauder.
Gestern rückte Merkel diese Äußerungen Kauders in ein neues Licht. „Wir wissen, dass das Gesetz umgesetzt werden muss“, sagte die CDU-Chefin nach einer Präsidiumssitzung. Für die Abstimmung im Bundestag sei das Verhalten der Partei klar: „Jetzt lassen Sie uns das Gesetz erst mal im Bundestag ablehnen“, verwies sie vor Journalisten auf den Gesetzgebungsprozess. Ob die von der Union dominierte Länderkammer anschließend dennoch zustimmen werde, wollte sie nicht kommentieren. Kauder, Merkels Strippenzieher, ließ nur mitteilen, er halte an seinen Äußerungen fest.
Tatsächlich könnte Kauder schlicht missverstanden worden sein: Ablehnung im Bundestag, aber Zustimmung im Bundesrat – eine andere Möglichkeit gibt es nicht, um ein Vermittlungsverfahren zwischen Regierung und Bundesrat zu vermeiden. Ein im Bundestag beschlossenes Gesetz kann der Bundesrat nur über das Vermittlungsverfahren ändern.
Letztlich war aber auch nach dem CDU-Treffen die endgültige Strategie noch offen. Im Gespräch sei auch die bloße Umsetzung des Karlsruher Urteils, das sich allein auf die Besteuerung der gesetzlichen Renten bezieht, nicht aber auf Lebensversicherung oder Betriebsrenten. Zudem wolle man die Änderungen abwarten, die die rot-grüne Koalition heute und Morgen noch beschließen wolle.
Scheel, die die Verhandlungen mit der Union koordiniert, warf der Union „taktische Spielchen“ vor. Sie kündigte an, den Gesetzentwurf bis zur Abstimmung am Donnerstag zu ändern. So solle die Besteuerung von Lebensversicherungen über fünf Jahre gestreckt werden. Bei Betriebsrenten solle für Arbeitgeber ein Steuerfreibetrag von 1800 Euro im Jahr eingeführt werden. „Die Gefahr der Doppelbesteuerung für einige Rentner wird durch die Möglichkeit von Einzelfallprüfungen abgewendet“, sagte sie der FTD. Rentner, die in der Vergangenheit zu wenig Steuern gezahlt hätten, müssten keine Nachforderungen fürchten. „Bagatellfälle werden wir von Nachforderungen befreien“, sagte Scheel. „Diese Änderungen werden wir selbst dann beschließen, wenn die Union sich verweigert.“ Die Union fordert bisher, Erträge von Lebensversicherungen nur zur Hälfte zu besteuern und Arbeitgeberbeiträge zur Betriebsrente zu fördern.
Die Versicherungswirtschaft reagierte empört auf den Kurswechsel der Union. Bisher war sie davon ausgegangen, dass die Regeln für Lebensversicherungen im Vermittlungsverfahren abgemildert werden könnten. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) forderte, Lebensversicherungen als Altersvorsorgeinstrument zu erhalten. Als Minimallösung sollten Erträge nur zur Hälfte besteuert und bei der Auszahlung an der bisherigen Steuerfreiheit festgehalten werden.
Zitat:
„Wir wissen, dass das Gesetz umgesetzt werden muss“ – Angela Merkel
Bild(er):
CDU-Chefin Angela Merkel (M.) vor der Sitzung des Vorstands mit Generalsekretär Laurenz Meyer (l.) und Partei-Vize Christoph Böhr – ddp/Johannes Eisele
Weiterer Bericht Seite 21
Timo Pache, Ulrike Sosalla, Berlin, und Anja Krüger, Köln
Quelle: Financial Times Deutschland
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