Ideenschmieden für neue Produkte werden in der Assekuranz zunehmend wichtiger · Axa lässt bei der Entwicklung Teams gegeneinander antreten
Von Anja Krüger, Köln Seit wenigen Tagen gibt es die neuen Rürup-Renten. Doch für die Produktentwickler der Lebensversicherer sind die Leibrenten schon ein alter Hut. Sie arbeiten längst an neuen Vertragskonstellationen. Mehr als 120 Lebensversicherer liefern sich in Deutschland einen harten Konkurrenzkampf. Wer neue Trends und veränderte Bedürfnisse der Kunden früh erkennt, hat die Nase vorn. Ob Marktführer Allianz Leben, die zur AMB Generali gehörende Aachener und Münchener Lebensversicherung oder Axa – die Versicherer arbeiten bei der Produktentwicklung mit ausgeklügelten Modellen.
Damit gute Ideen aus dem eigenen Haus nicht verloren gehen, betreiben sie Ideendatenbanken. Hier können zum Beispiel Vertriebsmitarbeiter ihre Anregungen aus dem direkten Kundenkontakt einfließen lassen. Die Produktentwickler pflegen die Datenbanken und erarbeiten selbst neue Konzepte. „Zu unseren Referatsbesprechungen bringt jeder Kollege mindestens einen Vorschlag mit“, so Kerstin Theis-Born, Referatsleiterin bei der Allianz Leben.
Die Versicherungen beobachten den Markt intensiv. Mit einer großen Studie versuchen die Produktentwickler der Axa in jedem Herbst herauszufinden, auf was Kunden, Makler und Vertreter zu Beginn des übernächsten Jahres anspringen könnten. „Wir gehen dabei nicht von der Idee für ein Produkt aus, sondern von den Kundenbedürfnissen“, erklärt Fabian Rupprecht, Leiter der Abteilung Vorsorge Produktmanagement bei der Axa in Köln. Im Herbst 2003 kam seine Truppe zu dem Ergebnis, dass ab 2005 zum Beispiel Verträge mit flexiblen Beiträgen auf große Resonanz bei den Kunden stoßen werden.
Welche Konzepte von Rupprechts Abteilung weiterverfolgt, verworfen oder zurückgestellt werden, entscheidet der so genannte Produktausschuss. Ihm gehören auch Vertriebsleiter, Produktmanager und Verwaltungsleute an. „Bei uns ist die Produktentwicklung nicht Teil des Aktuariats wie bei vielen anderen Versicherern“, erklärt Rupprecht.
Der Ausschuss wählt gegen Ende jeden Jahres drei Vorschläge für ein neues Produkt aus. „Für jede der drei Ideen erstellt ein eigenes Team ein Grobkonzept“, berichtet er. „Nur eine Idee kommt durch und wird bis zur Marktreife entwickelt.“ Andere Versicherer verzichten auf ein solches Auswahlverfahren. „Wir würden das als Verschwendung von Ressourcen betrachten“, sagt ein Sprecher der Aachener und Münchener Lebensversicherung.
Immerhin arbeiten die Axa-Teams bis zu drei Monate an der neuen Idee. Von Januar bis März feilen Mathematiker, Steuerfachleute, Juristen, Vertriebsspezialisten, Marketing-Experten und IT-Leute an Vertragskonstruktionen. Sie kalkulieren Preise und prüfen mögliche Umsätze. Die eigentlichen Konstrukteure sind die Mathematiker. „Sie bauen den Motor der Lebensversicherung“, erklärt Rupprecht. In dieser Phase findet noch keine exakte Kalkulation statt. „Beim Grobkonzept wird noch mit Excel gearbeitet, beim Feinkonzept mit versicherungsmathematischen Methoden“, sagt er. Bei einer Rentenversicherung berechnen die Mathematiker nur einige, nicht alle möglichen Konstellationen. „Das ist das Stückchen Risiko in der Produktentwicklung.“
Die Idee gewinnt, die das günstigste Verhältnis von Umsatz und Marge verspricht – doch was das ist, ist innerhalb der Unternehmen umstritten. In den Vorstandsetagen prallen Interessengegensätze aufeinander. Die Vertriebsleute wollen möglichst hohe Umsätze, also im Vergleich zur Konkurrenz niedrige Preise. Die Kapitalanleger setzen auf möglichst geringe Risiken. In den Zeiten boomender Börsen konnten solche Konflikte leicht gelöst werden – die Vertriebsleute gewannen regelmäßig, denn die Versicherer konnten mit saftigen Kapitalerträgen rechnen. Das ist heute anders.
Ist die Entscheidung gefallen, beginnt die Feinarbeit. Das Herzstück eines Lebensversicherungsvertrags ist der Geschäftsplan. Für Laien ist er unverständlich – er besteht aus etwa 50 mathematischen Formeln. „Für alle Fälle, die vorkommen können, gibt es eine Formel“, erklärt Rupprecht. Diese Rechenwerke bilden ab, was geschieht, wenn der Kunde den Vertrag kündigt, beitragsfrei stellt oder stirbt. Auch die Verzinsung der Beiträge, Provisionszahlungen und alle anderen Vorgänge werden in Formeln dargestellt. Gleichzeitig planen die Produktentwickler, wie die Verwaltung die neuen Verträge verarbeitet.
Stehen alle Pläne, beginnt die Umsetzung. Bis zu acht Monate vor der Markteinführung geht die IT in den Echtbetrieb. Jetzt beginnen das Marketing und die Vertriebsschulungen. Für den Verkauf der Rürup-Rente erhielten Axa-Vertreter im November und Dezember eine Grundschulung, im Januar folgen weitere Seminare.
Noch ist die Gestaltung neuer Verträge bei der Axa eine Angelegenheit der jeweiligen Ländergesellschaften. Das ändert sich. Der Axa-Konzern treibt die Zusammenarbeit der Produktentwickler aus den einzelnen Märkten voran. Rupprecht und seine Kollegen aus Frankreich, den USA oder Australien stehen seit fast zwei Jahren in einem engen Austausch. „Wir schauen, in welchen Märkten es Vorbilder gibt“, sagt er. Bei der Markteinschätzung für die Rürup-Rente haben er und seine Mitarbeiter intensiv mit den Axa-Kollegen in Frankreich gesprochen. Dort war eine ähnlich gestrickte Leibrente ein Renner. In Kürze wird der Axa-Konzern eine internationale Datenbank mit Geschäftsplänen und allen anderen wichtigen Informationen über Angebote der Einzelgesellschaften in Betrieb nehmen.
Bei anderen Konzernen wie AMB Generali ist diese Transparenz noch nicht einmal auf nationaler Ebene erreicht. Zu AMB Generali gehören in Deutschland neben der Aachener und Münchener Lebensversicherung weitere Anbieter wie die Volksfürsorge oder Cosmos direkt. Sie stehen in direkter Konkurrenz zueinander. Eine Zusammenarbeit bei der Produktentwicklung zwischen den Töchtern gibt es nicht.
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Ein Fall für Superhirne: Formeln für die Berechnung einer Risiko-Kapitallebensversicherung. Die Mathematiker spielen in der Produktentwicklung eine tragende Rolle – FTD/Peter Raffelt
Quelle: Financial Times Deutschland
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