Mit der IFRS-Umstellung steigt die Belastung der Bilanz durch Betriebsrenten. Viele Unternehmen stellt das vor ein großes Problem
Betriebsrenten sind für Unternehmen ein sensibles Thema. Auf Kürzungen reagiert die Öffentlichkeit mit großem Unmut, wie die Commerzbank und der Versicherer Gerling im vergangenen Jahr erfahren mussten. Rating-Agenturen wiederum bestrafen Unternehmen mit schlechten Bewertungen, wenn sie zu große Belastungen durch Pensionsverpflichtungen in der Bilanz haben. Ein Konflikt, der sich mit der Umstellung auf die internationalen Rechnungslegungsregeln IFRS noch verschärfen dürfte. Denn mit den neuen Vorschriften steigt die bilanzielle Belastung durch Betriebsrenten. Eine Reihe von Experten rät den Unternehmen deshalb zur Auslagerung der Pensionsverpflichtungen. Andere warnen davor, weil die Betriebe damit Liquidität verlieren.
Die in Deutschland beliebteste Form der betrieblichen Altersversorgung ist die Direktzusage. Der Arbeitgeber verspricht dem Mitarbeiter die Zahlung einer bestimmten Rente. Dafür bildet das Unternehmen Rückstellungen, die aber in der Bilanz häufig nicht durch zweckgebundene Posten auf der Aktiv-Seite gedeckt und damit nicht ausfinanziert sind. Traditionell investieren deutsche Unternehmen das für die Rentenzahlung vorgesehene Geld in den eigenen Betrieb. Wer auf das IFRS-Regelwerk umstellt, muss mit Pensionsverpflichtungen künftig anders umgehen als bisher.
Für viele Unternehmen tut sich damit ein weites Problemfeld auf. Bilanzieren sie nach dem deutschen Handelsgesetzbuch, können sie die Rückstellungen für die Pensionsverpflichtungen mit einer angenommenen Verzinsung von sechs Prozent bis zum Zeitpunkt der Zahlung berechnen. Das ist nach IFRS nicht möglich. „Die Abzinsung ändert sich von Jahr zu Jahr“, sagt Guido Fladt, Leiter der Abteilung Internationale Rechnungslegung bei PricewaterhouseCoopers (PwC). „Das macht die Planung sehr viel volatiler.“ Denn die unterstellte Verzinsung orientiert sich an risikofreien Staatsanleihen oder an der Effektivrendite von erstklassigen Industrieanleihen. Sie liegt zurzeit bei 4,5 bis 5 Prozent. Daher steigen der Umfang der aktuellen Pensionsverpflichtungen und die Belastung in der Bilanz. Die wächst aber auch noch aus einem anderen Grund: Anders als bei der HGB-Bilanz sind bei den IFRS erwartete Gehaltssteigerungen zu berücksichtigen.
Rating-Agenturen reagieren auf zu hohe Pensionsverpflichtungen allergisch. Gnadenlos stufen sie ihre Bewertungen herab, wenn sie die Belastungen für zu groß halten. Das wiederum macht die Kapitalbeschaffung für Unternehmen teurer. Kein Wunder, dass immer mehr Firmen so wie die Commerzbank und Gerling ihre Pensionslasten senken wollen. Es gibt dafür aber noch einen anderen Grund: „Viele Unternehmen können die Direktzusagen nicht mehr stemmen“, sagt Fladt. Deshalb entscheiden sich viele für die Auslagerung der Pensionsverpflichtungen in Form so genannter Funded Plans.
Funded Plans lösen das Bilanzierungsproblem
Die Ausgliederung ist eine Gelegenheit, künftige Ansprüche der Mitarbeiter zu kürzen und zugleich das bilanzielle Problem der Pensionsverpflichtungen zu lösen. Denn unter bestimmten Bedingungen können mit Funded Plans die ausgelagerten Vermögenswerte mit den Verpflichtungen saldiert werden. Wichtigste Voraussetzung ist, dass die Unternehmen keinen Zugriff auf die Vermögenswerte haben. Die Auslagerung kann durch eine Kapitalübertragung auf ein so genanntes Contractual Trust Arrangement (CTA) oder einen Pensionsfonds erfolgen. Bei einem CTA überträgt das Unternehmen Vermögenswerte auf einen Treuhänder, der nicht weisungsgebunden sein darf, aber vom Unternehmen ausgesucht wird. „Wir beobachten, dass viele Unternehmen ein CTA einrichten“, sagt PwC-Altersvorsorgeexperte Peter Feige. Anders als der Pensionsfonds, der staatlichen Bestimmungen unterliegt, ist der CTA in seiner Investitionspolitik völlig frei. „Das Unternehmen kann diverse Zusagearten über den CTA abwickeln“, sagt Feige. Weder beim Pensionsfonds noch beim CTA hat das Unternehmen Zugriff auf das Kapital.
Genau das kann aber ein Problem sein. „Unter Cash-flow-Gesichtspunkten ist es günstiger, die Pensionsrückstellungen im Unternehmen zu lassen“, sagt Richard Herrmann von der Unternehmensberatung Heubeck, die auf die betriebliche Altersversorgung spezialisiert ist. Das ist vor allem dann der Fall, wenn ein Unternehmen Fremdkapital benötigt, weil es eben nicht mehr auf die Pensionsrückstellungen zurückgreifen kann. PwC-Experte Fladt lässt dieses Argument nicht gelten. Arbeite das Unternehmen mit den Rückstellungen, setze es darauf, dass es ihm immer gut gehe. „Das ist ein großer Unsicherheitsfaktor. Bei einer Auslagerung gibt es eine höhere Risikostreuung“, sagt er.
Dagegen wendet Klaus Stiefermann, Geschäftsführer des Fachverbands Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersvorsorge, ein: „Eine Auslagerung ist betriebswirtschaftlich nicht unbedingt sinnvoll.“ Unternehmen stünden vor der Entscheidung, ob sie mit dem Geld arbeiten oder sich von anderer Seite Kapital beschaffen müssen. Selbst wenn sich wegen der Pensionsverpflichtungen das Rating verschlechtere und damit die Kreditaufnahme teurer werde, könnten durch die Nutzung der Rückstellungen insgesamt die Kapitalkosten geringer ausfallen. „Die Frage ist, ob es sinnvoll für ein Unternehmen ist, mit der einen Hand etwas wegzugeben, was es sich mit der anderen wiederholt“, sagt Stiefermann.
Quelle: Financial Times Deutschland
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