Es waren geradezu apokalyptische Szenen, die sich am 12. Juli 1984 in München abspielten. Eiskörner groß wie Tennisbälle schossen in den Abendstunden des 12. Juli 1984 auf die Münchner und ihre Besitztümer nieder. Die Bilanz der 20-minütigen Katastrophe: drei Tote, rund 300 Verletzte, 230 000 demolierte Autos und 70 000 beschädigte Gebäude. Mit einem versicherten Schaden von rund 750 Mio. Eurostellte der Münchner Hagelsturm das bis dahin verheerendste Schadensereignis in der Geschichte der deutschen Assekuranz dar.
Solch eine Katastrophe könnte in Zukunft noch erheblich größere Ausmaße annehmen. Zu diesem Ergebnis kommen neue Berechnungen des Rückversicherers Swiss Re, die er jetzt mit seinem neuen Hagel-Risikomodell HailCalc auf den Markt gebracht hat.
Während die Versicherungsbranche den Schaden kleiner Hagelstürme auf Grund der Fülle an statistischem Material schon vorher relativ gut einschätzen konnte, fehlten Daten für die Schadenkalkulation großer Ereignisse. Grobe Hochrechnungen mussten reichen. Das Swiss-Re-Modell berücksichtigt dagegen auch physikalische Überlegungen. So lassen sich „Worst Case“-Szenarien wie das gleichzeitige Auftreten mehrerer Hagelzüge über einem stark bewohnten Gebiet simulieren. „Das kann dann wesentlich teurer als der Münchner Hagelsturm werden“, sagt David Bresch von der Swiss Re. Bis zu 6 Mrd. Euro versicherten Schaden könnte ein solcher Jahrtausendhagel in Europa anrichten. „Mit einem so hohen Potenzial hat bisher keiner gerechnet.“
Das ist ein Grund für die deutschen Versicherer, ihre Prämienkalkulation neu zu überdenken. Die Allianz, Marktführer bei der Gebäudeversicherung, füttert das Modell derzeit mit eigenen Beständen. Wenn sich Konsequenzen für die Prämienhöhe ergeben würden, käme das aber erst 2006 zum Tragen, so Hans-Hermann Scheel von der Allianz.
Drastischer sieht man das bei der Vereinigten Hagelversicherung, die rund 55 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Deutschland versichert hat. „Wir brauchen höhere Prämien“, sagt der Vorstandsvorsitzende Rainer Langner. Er rechnet mit einer Prämienerhöhung um fünf Prozent für Sachsen-Anhalt, die an die Nordsee angrenzenden Gebiete, Rheinland-Pfalz sowie das Rheinland. Neben dem gefürchteten Jahrtausendhagel machen der Vereinigten Hagel auch die kleineren, jährlich auftretenden Stürme zu schaffen. „Wir beobachten einen ansteigenden Schadentrend“, so Langner. Zunehmend wären auch Gebiete betroffen, in denen schon seit Jahren kein einziges Eiskörnchen mehr vom Himmel gefallen ist, sagte Langner.
Einen Anstieg, was den Hagelschaden und die Schadenfrequenz angeht, beobachtet auch die Allianz im Bereich Autoversicherungen. Grund dafür seien die zunehmende Bestandsdichte von Fahrzeugen und der Anstieg des Fahrzeugwerts. Daneben spiele auch eine Veränderung der klimatischen Verhältnisse eine Rolle, die in den vergangenen Jahren weltweit zu einer Häufung von Sturm- und Hagelereignissen geführt habe, so Wolfgang Heilmann von der Allianz. Dem Risiko größerer Hagelstürme, wie es die Swiss Re zeigt, begegnet die Allianz durch Anpassung ihrer Rückversicherungsverträge für die Autoversicherungsrisiken.
Quelle: Financial Times Deutschland
Dieser Beitrag ist nur für Premium-Abonnenten vom Versicherungsmonitor persönlich bestimmt. Das Weiterleiten der Inhalte – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Bitte bedenken Sie: Mit einer von uns nicht autorisierten Weitergabe brechen Sie nicht nur das Gesetz, sondern sehr wahrscheinlich auch Compliance-Vorschriften Ihres Unternehmens.
Diskutieren Sie mit
Kommentare sind unseren Abonnenten vorbehalten. Bitte melden Sie sich an oder erwerben Sie hier ein Abo