Absatzschwäche sorgt aktuell für Probleme · Niedrigzins und Langlebigkeit führen zu Unsicherheit
Der Absatz von Kapitallebensversicherungen wird in diesem Jahr drastisch einbrechen. Schätzungen ergeben einen Rückgang um 30 Prozent im ersten Halbjahr, für das Gesamtjahr wird er noch gravierender ausfallen.
Über Jahrzehnte war die Kapitallebensversicherung der Verkaufsschlager der Branche. Mit den hohen Provisionen, die Vermittler für die Verträge bekommen, konnte die Assekuranz ihre großen Vertriebe unterhalten. Die Verkäufer lockten die Kunden mit der Steuerfreiheit der kompletten Auszahlungssumme nach Vertragsablauf. Damit ist es nun vorbei. Für Policen, die nach dem 1. Januar 2005 abgeschlossen wurden, ist das Steuerprivileg weitgehend gestrichen.
Damit und mit anderen steuerlichen Weichenstellungen will der Gesetzgeber erreichen, dass Lebensversicherungen nicht mehr zum Vermögensaufbau, sondern zur Altersvorsorge genutzt werden.
Die Assekuranz versucht, sich den Rückgang der Verkaufszahlen schönzureden, und verweist auf den Wechsel zu lang laufenden Rentenverträgen. Aber auch dieser Paradigmenwechsel stellt das alte Geschäftsmodell der Lebensversicherer zur Disposition. Mit diesen Verträgen entstehen für die Lebensversicherer völlig neue Probleme, für die sie bislang keine Lösungen gefunden haben.
Für den Kunden sind Rentenversicherungen attraktiver als zum Beispiel Investmentfonds, weil sie mit der Police eine über die gesamte Vertragslaufzeit geltende garantierte Mindestverzinsung des Sparanteils ihrer Beiträge kaufen. Der Garantiezins liegt für heute abgeschlossene Verträge bei 2,75 Prozent, für länger bestehende Verträge bei durchschnittlich 3,5 Prozent. Außerdem erhalten Kunden je nach Kapitalmarktentwicklung eine weitere Gewinnbeteiligung.
Anders als bei klassischen Kapitallebensversicherungen sind die Laufzeiten bei Rentenpolicen extrem lang. Die Einhaltung der Garantie setzt voraus, dass die Versicherer entsprechende Erträge erwirtschaften.
Doch das ist schon heute nicht mehr der Fall, etwa bei den Verträgen mit einem Garantiezins von vier Prozent, sagt Michael Hanitz, Deutschlandmanager des britischen Anbieters Clerical Medical. „Das Hauptproblem ist: In dieser Form sind die Garantien nicht haltbar.“ Bei langfristigen Zusagen seien die Versicherer gezwungen, vor allem in lang laufende, sichere Zinspapiere zu investieren. „Das Niveau der Zinsen reicht seit vielen Jahren nicht aus, um die Garantien zu decken“, sagt Hanitz.
Seiner Auffassung nach müssen die Versicherer eine neue Kapitalanlagekultur entwickeln. „Um erfolgreich agieren zu können, müssen sie strukturiert sein wie ein Investmenthaus.“ Bei britischen Lebensversicherungen gibt es eine Kapitalerhaltgarantie, aber keine zugesagte Mindestverzinsung. Einmal gutgeschriebene Überschussbeteiligungen kann der Kunde nicht verlieren.
Die britischen Anbieter investieren den größten Teil der Kundengelder in Aktien. Sie haben einen speziellen Ausgleichsmechanismus entwickelt: In guten Börsenjahren halten sie einen Teil der erzielten Erträge zurück, um den Kunden auch in schlechten Zeiten Zinsen gutzuschreiben.
Den deutschen Versicherern ist klar, dass die über Jahrzehnte versprochene Mindestverzinsung ein Problem ist. Aber der Garantiezins ist für die Branche eine heilige Kuh, denn nur mit ihm haben die Versicherer einen Wettbewerbsvorteil.
Wie fragil die Garantien sind, zeigte zuletzt die Empfehlung der Deutschen Aktuarvereinigung, die Garantien für Neuverträge ab 2007 auf 2,25 Prozent zu senken. Die Versicherungsmathematiker begründeten dies auch mit dem steigenden Anteil der Rentenversicherungsverträge. „Diese Verträge haben in der Spitze eine Laufzeit von 50 bis 70 Jahren. Eine Garantie über so lange Zeit muss ausreichende Vorsichts- und Sicherheitsmargen enthalten“, teilte der Verband mit.
Verbraucherschützer kritisieren, dass die Idee der Garantie so konterkariert werde. Denn bekommt der Kunde tatsächlich nur die Mindestverzinsung, erhält er möglicherweise wegen der Kosten für Verwaltung und Risikoschutz nicht einmal sein eingezahltes Kapital zurück.
Zitat:
“ „In dieser Form sind dieGarantien nicht haltbar“ “ – Michael Hanitz,Clerical Medical –
Bild(er):
Von Kopf bis Fuß vergoldet ist die Rüstung, die der englische König Karl I. im Jahr 1614 aus der Werkstatt des Grafen Moritz von Nassau erhielt
Anja Krüger
Quelle: Financial Times Deutschland
Dieser Beitrag ist nur für Premium-Abonnenten vom Versicherungsmonitor persönlich bestimmt. Das Weiterleiten der Inhalte – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Bitte bedenken Sie: Mit einer von uns nicht autorisierten Weitergabe brechen Sie nicht nur das Gesetz, sondern sehr wahrscheinlich auch Compliance-Vorschriften Ihres Unternehmens.
Diskutieren Sie mit
Kommentare sind unseren Abonnenten vorbehalten. Bitte melden Sie sich an oder erwerben Sie hier ein Abo