Geplante Neuregelung würde Branche aus Aktienanlagen treiben · Für 2006 moderates Wachstum erwartet
Von Herbert Fromme, Berlin Die deutschen Lebensversicherer müssten ihre Aktienanlagen fast vollständig verkaufen, sollte der Entwurf des Bundesjustizministeriums für das neue Versicherungsvertragsgesetz (VVG) unverändert bleiben. „Versicherer könnten keine nennenswerten Aktienpositionen mehr halten“, warnte Bernhard Schareck, Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).
Nach dem Entwurf müssen Versicherer ihren Kunden die Hälfte aller stillen Reserven binnen zweier Jahre definitiv gutschreiben. „Steigen die Aktien um 30 Prozent und müssten wir die Hälfte der daraus resultierenden stillen Reserven den Versicherten gutschreiben, würde jeder nachfolgende Aktiencrash, der die Aktien um 20 Prozent wieder abwertet, zu Verlusten der Unternehmen führen“, sagte Schareck. Auch für festverzinsliche Kapitalanlagen sei die Gutschrift wenig sinnvoll.
Die Regelung würde das Geschäftsmodell der Lebensversicherer grundlegend ändern, argumentierten Schareck – Vorstand der Finanzgruppe W&W – und Gerhard Rupprecht, Deutschlandchef der Allianz. Der GDV sei im Gespräch mit dem Ministerium. Die Branche ist offenbar zuversichtlich, den Entwurf noch entschärfen zu können.
Die Assekuranz hält Kapitalanlagen von 1160 Mrd. Euro, davon 650 Mrd. Euro die Lebensversicherer. Die Aktienquote bezifferte Schareck mit neun Prozent, rund 59 Mrd. Euro.
Neben dem VVG bereitet die anstehende Gesundheitsreform der Branche große Sorgen. „Das bevorstehende Wahlwochenende ist der Startschuss für die angekündigte Gesundheitsreform“, sagte Reinhold Schulte, Chef der Signal-Iduna-Gruppe und Vorsitzender des Verbandes der privaten Krankenversicherer (PKV). Die Branche befürchtet, dass die Krankheitsvollversicherung abgeschafft werden könnte, der wichtigste Geschäftszweig der PKV. „Die Modelle, die die Parteien bisher vorgeschlagen haben, würden in die falsche Richtung gehen“, sagte Schulte. Schon jetzt beeinflusse die Regierung das Geschäft durch die 2003 angehobene Versicherungspflichtgrenze negativ, also der Einkommensgrenze, ab der Angestellte sich privat versichern dürfen. Der Nettoneuzugang in der Vollversicherung sei 2005 mit 109 400 Personen erneut deutlich gesunken, 2004 hatte die Branche noch 149 000 Neukunden gezählt. Ende 2005 waren 8,37 Millionen Menschen privat voll krankenversichert.
Der politische Druck trifft eine Branche, die sich nach der schweren Krise durch den Börsencrash 2001 bis 2003 zwar erholt hat, zurzeit aber eine große Umbau- und Rationalisierungswelle durchläuft und im Kerngeschäft Automobilversicherung einen Preiskampf erlebt.
Für 2006 sagte Schareck ein Gesamtwachstum der Beitragseinnahmen von knapp 1,5 Prozent voraus – deutlich weniger als 2005, als die Branche um 3,8 Prozent auf 157,8 Mrd. Euro zulegte. Wachstumsmotor soll auch in diesem Jahr die Lebensversicherung mit einem Plus von 2,5 Prozent sein. 2005 hatte sie einen Anstieg von 6,9 Prozent auf 75,2 Mrd. Euro verbucht – nachdem die Versicherer 2004 eine Rekordzahl an Neuverträgen verkauft hatten, weil die Steuervorteile der Kapitallebensversicherung ausliefen. Man könne insgesamt nicht mit dem Wachstum zufrieden sein, sagte Allianz-Manager Rupprecht.
Noch unschöner ist die Entwicklung in der Schaden- und Unfallversicherung. Schon 2005 gingen die Beiträge um 0,2 Prozent auf 55,5 Mrd. Euro zurück, für 2006 erwarten die Gesellschaften 1,5 Prozent weniger. Hintergrund ist der anhaltende Preiskrieg in der Kfz-Versicherung.
Weil die Versicherer bei rückläufigen Unfallzahlen und wenig Naturkatastrophen in Deutschland auf der Schadenseite ohne große Blessuren davonkamen, erzielten sie 2005 einen Überschuss von 4,42 Mrd. Euro aus der eigentlichen Versicherungstechnik, verglichen mit 4,88 Mrd. Euro im Vorjahr. Diese Summe blieb von den Beitragseinnahmen nach Abzug von Schadenaufwand und Kosten übrig. Dazu kamen noch 5,5 Mrd. Euro Kapitalerträge in diesem Bereich.
Zitat:
„Versicherer könnten keine nennenswerten Aktienpositionen halten“ – Bernhard Schareck –
Bild(er):
Verbandspräsident Bernhard Schareck rechnet mit gravierenden Folgen für die Kapitalanlagepolitik der Versicherer, wenn der Entwurf zum Vertragsgesetz so bleibt – Juergen Schwarz
Quelle: Financial Times Deutschland
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