Drastische Veränderungen plant die Bundesregierung im Entwurf für das neue Versicherungsvertragsgesetz. Kommt es unverändert, könnte das Gesetz die dominierende Stellung der Assekuranz im Vorsorgemarkt gefährden. dsfgsd fs
VON Herbert Fromme und Anja Krüger Bernhard Schareck demonstriert Entsetzen. „Diese Reglementierung würde das Leistungsprofil der Lebensversicherungswirtschaft in Deutschland grundlegend verändern“, klagt der Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).
Der Grund für die präsidiale Empörung: Das Justizministerium hat den lange erwarteten Gesetzentwurf für das neue Versicherungsvertragsgesetz (VVG) vorgelegt. Mit dem Entwurf greift die Bundesregierung die Vorgaben zur Lebensversicherung auf, die das Bundesverfassungsgericht in einem Aufsehen erregenden Urteil im Juli 2005 ihr und dem Parlament aufgegeben hat.
Das höchste Gericht entschied, dass die Assekuranz ihre Verträge sehr viel transparenter gestalten und Kunden angemessen an allen Erträgen beteiligen muss. Der Gesetzgeber muss das Urteil bis Ende 2007 umsetzen. Zwölf Kläger haben vor Gericht die Einbeziehung so genannter stiller Reserven bei der Berechnung der Überschussbeteiligung erstritten. Mit der Überschussbeteiligung geben Versicherer einen Teil der Kapitalerträge an den Kunden weiter, die sie mit dessen Prämien erwirtschaften. Stille Reserven entstehen, wenn der in der Bilanz festgehaltene Buchwert etwa von Aktien oder Immobilien unter dem tatsächlichen Marktwert liegt. Noch mehr Druck kam vom Bundesgerichtshof, der die Verwendung bestimmter Klauseln durch die Lebensversicherer als intransparent rügte.
Für die Branche bedeuten beide Entscheidungen herbe Niederlagen. Doch der Gesetzentwurf aus dem Hause Zypries hat eine noch schärfere Qualität: Danach müssen Versicherer ihren Kunden die Hälfte aller stillen Reserven binnen zweier Jahre gutschreiben. Die Versicherer könnten die stillen Reserven also nicht mehr wie bisher als Langfristpuffer einsetzen und hätten Schwierigkeiten, ihre Zinsgarantien einzuhalten.
Schareck warnt vor drastischen Konsequenzen: Die deutschen Lebensversicherer müssten ihre Aktienanlagen fast vollständig verkaufen. „Versicherer könnten keine nennenswerten Aktienpositionen mehr halten“, sagt er und droht implizit mit einem Börsencrash. „Steigen die Aktien um 30 Prozent und müssten wir die Hälfte der daraus resultierenden stillen Reserven den Versicherten gutschreiben, würde jeder nachfolgende Aktiencrash, der die Aktien um 20 Prozent wieder abwertet, zu Verlusten der Unternehmen führen.“
Sorge um Konkurrenzfähigkeit
Mit seiner Kritik steht Schareck nicht allein. „Der vorgelegte Referentenentwurf geht weit über das Ziel hinaus“, argumentiert Gerd Geib, Vorstandsmitglied der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft. KPMG ist die führende Prüfungsgesellschaft bei deutschen Versicherern, Geibs Stimme hat Gewicht. „Die Vorschläge zur Überschussbeteiligung sind nicht ausgereift und nicht durch den vom Verfassungsgericht eingeforderten Interessenausgleich zu rechtfertigen“, erklärt er.
Hintergrund ist: Die deutschen Lebensversicherer könnten ihre vergleichsweise hohen Garantien auf den Sparanteil der Prämien nicht aufrecht erhalten. Diese Garantien sind ein Hauptargument im Verkauf. Zurechtgestutzte Lebensversicherungen hätten deutlich schlechtere Chancen im Konkurrenzkampf mit Banksparplänen und Fonds.
Verbraucherschützern geht das Justizministerium nicht weit genug. Sie kritisieren, dass der Referentenentwurf die Kapitallebensversicherung als ein Instrument der Altervorsorge in den Mittelpunkt stellt. „Altersvorsorge ist keine Versicherungsfrage“, betont Thorsten Rudnik vom Bund der Versicherten. „Das ist ausschließlich eine Frage der Kapitalanlage.“ Bisher sind die Versicherer bei den langfristigen Sparanlagen der Deutschen eindeutig der Platzhirsch. Rund 650 Mrd. Euro an Kapitalanlagen verwalten die Lebensversicherer.
Der GDV ist zurzeit im Gespräch mit den Ministerien und hofft, den Entwurf entschärfen zu können. Doch selbst wenn sie diese Kröte nicht schlucken müssen, werden die Versicherer nicht so weiter machen können wie bisher.
Das liegt einmal am Wegfall der bisherigen Steuervorteile für die Kapitallebensversicherung. Diese Verträge waren das Basisgeschäft der Lebensversicherer. Noch ist kein wirklicher Nachfolger in Sicht. Die im Moment boomende Riester-Rente, darin sind sich Manager einig, kann die alte Kapitallebensversicherung nicht ersetzen.
Auch wenn die Bundesregierung beim VVG-Entwurf die Regelungen zur Überschussbeteiligung ändert, wird sie die Neuregelung zu Vertreterprovisionen nicht revidieren. Danach dürfen die Versicherer ihren Kunden die Abschlusskosten nicht mehr gleich zu Beginn des Vertrags aufbrummen – nach einer Kündigung innerhalb der ersten zwei Jahre verlieren viele Kunden deshalb das gesamte gezahlte Geld. Künftig müssen diese Kosten, wie schon bei Riester-Renten, bei allen Verträgen über fünf Jahre verteilt werden. Die Versicherer müssen neue Vertriebs- und Vergütungssysteme entwickeln.
Hinter Urteilen und Gesetzentwurf steckt ein tiefes Misstrauen bei Richtern und in der Politik gegenüber der Assekuranz. Der GDV versucht mit einer „Transparenzoffensive“ zu kontern. Eine originelle Idee ist das nicht, seit mehr als 20 Jahren versprechen Lebensversicherer mehr Offenheit. Aber diesmal soll mehr herauskommen als Worthülsen. „Es ist uns ernst mit dieser Modernisierung, weil sie die Wettbewerbsfähigkeit der Versicherungswirtschaft im neu aufgestellten Markt der Vorsorge erhöhen wird“, verspricht Schareck.
Neue Ideen sind dringend gefragt. Angesichts der politischen Unterstützung für private Vorsorge und vieler Werbemillionen ist das stagnierende Neugeschäft enttäuschend. „Damit sind wir nicht zufrieden“, kommentiert Gerhard Rupprecht, Chef der Allianz Deutschland, die Entwicklung der vergangenen Jahre. Das Auslaufen von Steuervorteilen rief 2004 einen Boom im Neugeschäft hervor. 2005 brach das Neugeschäft um 39 Prozent in der Stückzahl und 23 Prozent im Prämienvolumen ein. Im Schnitt der letzten zehn Jahre tritt die Branche – auf hohem Niveau – auf der Stelle.
Zitat:
“ „Der Referentenentwurf geht weit über das Ziel hinaus“ “ – Gerd Geib, Vorstandsvorsitzender KPMG –
Bild(er):
Wer sich zur Ruhe setzen will, braucht ein gutes finanzielles Polster, auch wenn er nicht auf einem Designersofa Platz nehmen möchte. Noch hat die Assekuranz auf diesem Wachstumsmarkt die Nase vorn. Aber das könnte sich bald ändern – Bilderberg/Steinhilber
Quelle: Financial Times Deutschland
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