Pharmafirmen zittern um Versicherung

Beschwerde bei EU-Kommission gegen Talanx-Gerling-Fusionhat unerwünschte Nebenwirkung

Von Herbert Fromme, Köln Im Fusionsprozess zwischen den Industrieversicherern Talanx/HDI in Hannover und Gerling in Köln hat die deutsche Pharmabranche ein Eigentor geschossen, das ihren Versicherungsschutz gefährden könnte. Grund ist eine Beschwerde deutscher Pharmaunternehmen bei der EU-Kommission. Das fusionierte Unternehmen hätte in der Pharma-Haftpflichtversicherung einen Marktanteil von deutlich über 50 Prozent – damit sei es marktbeherrschend, klagten die Unternehmen. Talanx habe als Reaktion der Kommission Zugeständnisse gemacht, sagte ein Sprecher. Details nannte er nicht.

Nach FTD-Informationen aus Versicherungskreisen hat Talanx angeboten, dass der neue Konzern die Pharma-Verträge eines der beiden Vorgänger, HDI oder Gerling, Ende 2006 aufgibt. „Insgesamt geht es dabei um nicht mehr als neun Verträge – allerdings mit hohem Volumen“, sagte ein Manager. Die EU-Kommission muss die Fusion als zuständige Kartellbehörde billigen. Sie hat die Entscheidung über die erste Stufe der Genehmigung, die eigentlich für den 22. März terminiert war, wegen der Beschwerde auf den 5. April verschoben.

Talanx übernimmt zurzeit die Versicherer des Gerling-Konzerns und zahlt nach Branchenangaben rund 1,3 Mrd. Euro. Verkäufer ist die Gerling-Holding, die zu 94 Prozent Rolf Gerling und zu sechs Prozent seinem Vertrauten und Aufsichtsratschef Joachim Theye gehört. Der Konzern geriet durch die Aktienkrise und Überexpansion vor allem in den USA vor vier Jahren in eine Krise, von der er sich nie vollständig erholte.

Die Kommission wird sehr wahrscheinlich für die Fusion eine dem Talanx-Angebot entsprechende Auflage machen. Als Folge dürften es die Pharma-Unternehmen schwer haben, für ihre Haftpflichtrisiken Versicherungsschutz zu finden. Damit decken sie sich gegen die finanziellen Folgen von Gesundheitsschäden bei Kunden ab. Die Risiken sind in der Assekuranz spätestens seit den Großschäden um Vioxx und Lipobay höchst unbeliebt. „Inzwischen haben die Pharma-Firmen gemerkt, worauf das hinausläuft. Jetzt rudern sie zurück“, sagte der Manager. Dafür sei es aber zu spät. Die Auseinandersetzung könnte die Übernahme verzögern, das Scheitern sei aber sehr unwahrscheinlich, hieß es.

Das Talanx-Management hat gestern den Mitarbeitern die Grobstruktur für den neuen Konzern mitgeteilt. Talanx will zwei Zwischenholdings – eine für Schaden/Unfall und eine für die Lebensversicherung – einziehen, die alle Zentralfunktionen für die jeweiligen Versicherungstöchter übernehmen. Die Vermögensanlagegesellschaft Ampega bleibt als dritte Säule erhalten.

Der fusionierte Industrieversicherer heißt HDI Gerling Industrie. Er betreibt künftig die Industrieversicherung für Kunden mit einem Umsatz über 5 Mio. Euro. Das Unternehmen dürfte auf Jahresprämieneinnahmen von mehr als 2,5 Mrd. Euro kommen. Für Privat- und Firmenkunden soll es zwei Marken geben – HDI Direkt für das Niedrigpreissegment mit rund 800 Mio. Euro und HDI Gerling Firmen und Privat für das höherpreisige Geschäft mit 765 Mio. Euro.

In der Lebensversicherung arbeitet Talanx mit den beiden operativen Versicherern HDI Gerling und Aspecta, außerdem einem Vertrieb für die Maklerbetreuung, Pensionskasse und Pensionsfonds. Die CiV-Versicherung, die ausschließlich über die Schalter der Citibank verkauft, sowie die PB Versicherung, ein Gemeinschaftsunternehmen mit der Postbank, bleiben bei der Struktur außen vor – ebenso der Rückversicherer Hannover Rück, an dem Talanx 50,1 Prozent hält.

Keine Angaben machte das von Wolf-Dieter Baumgartl geführte Talanx-Management zur Standortverteilung zwischen Hannover und Köln und der Mitarbeiterzahl. Bisher haben die beiden Gruppen – ohne die Talanx-Tochter Hannover Rück – rund 14 000 Angestellte. Versicherungskreise gehen von dem Abbau von 1500 bis 2000 Stellen aus. Auch zur künftigen Managementstruktur schwieg sich Baumgartl aus. Es gilt aber als sehr unwahrscheinlich, dass die Mehrzahl der bisherigen Vorstände der Gerling-Versicherer auch in der neuen Organisation eine Rolle spielen wird.

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Der Gerling-Konzern – hier die stolze Zentrale in Köln – verliert seine Eigenständigkeit, er wird vom erbitteren Konkurrenten Talanx/HDI übernommen

Quelle: Financial Times Deutschland

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