Seit 30 Jahren besitzen die privaten Krankenversicherer mit der Sana-Gruppe eine eigene Klinikkette – und lassen eine klare Strategie für ihr Investment vermissen. Nur langsam besinnen sie sich auf ihre einstige Rolle als Pioniere des Krankenhausmarkts Ilse Schlingensiepen
Als 17 private Krankenversicherer (PKV) am 11. März 1976 die Klinikgruppe Sana gründen, haben sie ein klares strategisches Ziel: Sie wollen unter Beweis stellen, dass Krankenhäuser eine hohe medizinische Qualität erbringen und zugleich wirtschaftlich arbeiten können. 30 Jahre später hat das wirtschaftliche Denken nicht nur in den privat geführten Kliniken Einzug gehalten.
Der Krankenhausmarkt ist in ganz Deutschland in Bewegung geraten. Öffentlich-rechtliche Häuser schließen sich zu Verbünden zusammen, private Ketten wie Rhön-Klinikum, Fresenius/Helios oder Asklepios setzen auf Expansion. Die einst klare Strategie der Sana-Gruppe dagegen, der Nummer vier der Branche, ist kaum zu erkennen – trotz guter Voraussetzungen. Die Kette hätte genau das, was vielen anderen Kliniken fehlt, sagt ein Analyst: „Eigner mit großer Finanzkraft“. In der Strategie schlage sich das aber nicht nieder. „Deshalb gibt es keinen Grund, warum die Versicherer eine eigene Klinikkette brauchen.“
In den 1970er Jahren wussten die Versicherungen noch genau, was sie zu dem branchenfremden Engagement trieb. Die von Kommunalpolitikern propagierte Idee des klassenlosen Krankenhauses hatte sie aufgeschreckt. Sollten künftig tatsächlich alle Patienten im Zweibettzimmer liegen und sich die Häuser nicht mehr im Komfort unterscheiden, so würden sich die Absatzchancen der Versicherer verringern, fürchtete die Branche. Lange her. Heute glaubt keiner mehr an solch ein Szenario.
An ihrem Engagement halten die Krankenversicherer dennoch fest; die Zahl der Gesellschafter hat sich fast verdoppelt, auf 33 PKV-Unternehmen. Größter Aktionär ist die DKV mit 20,3 Prozent vor Signal Iduna mit 14,5 Prozent und Allianz Private Krankenversicherung mit 13,8 Prozent. Die Gesellschafter befinden sich in einem Dilemma: Als Aktionäre sind sie am Erfolg der Klinikgruppe interessiert, also an möglichst hohen Einnahmen. Als Kostenträger möchten sie die Gesundheitsausgaben möglichst gering halten, auch bei Sana. „Wir sitzen auf zwei Stühlen“, charakterisiert Josef Beutelmann, Vorstandschef der Barmenia-Gruppe und Aufsichtsratsvorsitzender der Sana, die Situation. DKV-Chef Günter Dibbern, stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender, sieht die Versicherer ebenfalls in einer Doppelrolle: „Wir verzichten als Gesellschafter auf Erträge.“ Chefarztverträge etwa sind bei Sana nicht so lukrativ wie in anderen Häusern. Auch Zuschläge für Ein- und Zweibettzimmer fallen bescheidener aus – und schonen damit die Bilanzen der Versicherer.
Die Sana-Rendite sei aber gut, verteidigt Reinhold Schulte, Chef der Signal Iduna Gruppe und Vorsitzender des PKV-Verbands, das Engagement. „Sana hat nicht nur exzellente Krankenhäuser, sondern liefert auch eine sehr gute Rentabilität.“ Die Aktionäre erhalten auf ihr Stammkapital, 80 Mio. Euro, eine jährliche Rendite von acht Prozent. Das ist nicht wenig für die PKV, die schwer unter der Aktienkrise gelitten hat.
Für die Gesellschafter ist im Laufe der Jahre die Rolle von Sana als Kapitalanlage stärker in den Vordergrund gerückt. „Wir sehen Sana in erster Linie als Finanzinvestment“, bestätigt Wilfried Johannßen, Vorstand der Allianz Private Krankenversicherung. „Früher stand in der Satzung, dass Gewinnerzielung nicht das Ziel des Unternehmens ist. Das ist vorbei, und das ist gut so“, berichtet Sana-Geschäftsführer Reinhard Schwarz. „Altruisten gibt es unter denen, die Krankenhäuser kaufen, nicht.“
Kontrolliertes und profitables Wachstum sei das erklärte Ziel der Gruppe. Sie verbuchte 2005 mit 33 Kliniken einen Umsatz von 800 Mio. Euro. „Unser Ziel ist, jährlich 200 bis 250 Mio. Euro mehr Umsatz durch die eigenen Häuser zu erzielen“, sagt Schwarz. Dass die Sana-Gruppe das Potenzial hat, wieder nach oben aufzuschließen, ist für ihn keine Frage. „Wir sind dabei bereit, strategische Preise zu zahlen, aber nicht jeden Preis“, sagt er. Schließlich müsse die Investition aus den Kliniken wieder zurückfließen. „Wir können unser Geld nicht beliebig in Krankenhäuser stecken, es geht schließlich um Kundengelder“, so Verbandschef Schulte. „Damit kann ich bei Innovationen keine großen Risiken eingehen.“
Wenig risikobereit ist die Branche auch, wenn es um die Positionierung von Sana als Versorger geht. „Die Gesellschafter laufen den Entwicklungen hinterher, es gibt keine Experimentierfreude“, kritisiert ein Insider. Dabei fordert die PKV von der Politik beständig mehr Gestaltungsrechte. Die Versicherer wollen nicht länger nur die Kosten für die Behandlung ihrer Kunden übernehmen, sondern auch aktiv in die Behandlungsstrukturen eingreifen. Bei Sana, wo sie es tun könnten, merkt man von diesem Anspruch wenig.
Es ist nicht so, dass nichts passiert. Die Gruppe hat früh auf Transparenz gesetzt, veröffentlicht Qualitätsberichte, alle Häuser werden zertifiziert. Ende 2005 hat Sana eine strategische Kooperation mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung über eine Zusammenarbeit bei der Patientenversorgung vereinbart.
Die PKV-Unternehmen könnten ihre Versicherten auf Sana und ihre Angebote verweisen, tun das aber kaum. „Bei der Patientensteuerung können wir nur auf Anfangserfolge verweisen“, räumt DKV-Chef Dibbern ein. Die DKV selbst hat in Kundenmitteilungen auf Sana hingewiesen, mehr ist nicht passiert. „Wir sind strategisch sicher noch nicht so weit, wie man es sich in der Theorie vorstellen könnte“, sagt Dibbern.
In der Gestaltung der Versorgung könnte die PKV bei Sana weiter sein, räumt auch Allianz-Vorstand Johannßen ein. „Wir haben sicherlich noch enormen Aufholbedarf.“ Die Möglichkeiten der PKV, neue Versorgungsformen zu testen, seien wegen der im Vergleich zu den gesetzlichen Krankenkassen deutlich geringeren Marktanteile aber beschränkt.
Haupthindernis ist, dass die PKV-Unternehmen miteinander konkurrieren und sich nur schwer überwinden können, Dinge gemeinsam auf die Beine zu stellen. Sie finden offenbar nur das interessant, was ihre eigene Marke stärkt. Das macht das Leben des Sana-Managements mit 33 Gesellschaftern nicht einfach.
Inzwischen werden Stimmen laut, die PKV solle Sana verkaufen, da sie die Gruppe strategisch ohnehin kaum nutze. Zurzeit ließen sich gute Preise erzielen, gerade ausländische Klinikbetreiber sind auf der Suche. „Auch ich habe durchaus Investmentbanker am Telefon gehabt“, bestätigt DKV-Chef Dibbern als größter Anteilseigner die Nachfrage. Bei der Mehrheit der Gesellschafter gebe es aber „null Interesse“, sich von Sana zu trennen.
Zurzeit ist das auch nicht möglich. Laut Satzung können nur PKV-Unternehmen oder andere Versicherer Gesellschafter werden. Das sollte auf Dauer aber nicht der einzige Grund für den Verbleib der Gruppe im Schoß der PKV bleiben. „Wir sind dabei, die Zusammenarbeit mit Sana neu zu positionieren“, berichtet Beutelmann. „Sana wird mehr als bisher gemeinsame Projekte mit der PKV entwickeln“, sagt auch Geschäftsführer Schwarz.
Vielleicht sieht die PKV Sana künftig tatsächlich wieder stärker als strategisches Instrument. Immerhin feierte Sana letzte Woche gemeinsam mit Gesellschaftern das 30. Jubiläum. Bei einer Strategietagung.
Quelle: Financial Times Deutschland
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