VVG-Novellierung holt Niederstwertprinzip zurück
Die Assekuranz muss mit dramatischen Abschreibungsproblemen rechnen, wenn der von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries vorgelegte Entwurf zur Reform des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) in der jetzigen Fassung umgesetzt wird. Denn damit wird eine von den Versicherern nach der Kapitalmarktkrise vor vier Jahren durchgesetzte Regelung zurückgedreht, mit der sie Wertminderungen ihrer Kapitalanlagen bilanziell ignorieren können. „Künftig gilt wieder das strenge Niederstwertprinzip“, sagte Joachim Kölschbach von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KMPG.
Nach dem 2002 abgeschafften „strengen Niederstwertprinzip“ mussten Versicherer Wertverluste auf Kapitalanlagen im Jahr ihres Entstehens als Verluste buchen. Nach dem Börsencrash hätte das für die Versicherer verheerende Folgen gehabt. Heute müssen sie weder diese stille Lasten noch stille Reserven in der Bilanz ausweisen. Stille Reserven entstehen, wenn der Marktwert etwa von Aktien über dem Buchwert liegt. Nach dem Zypries-Entwurf müssen Versicherer Kapitalanlagen aber mit dem Zeitwert bilanzieren. Gebe es einen Zinsanstieg um 200 Basispunkte verwandelten sich stillen Reserven auf Anleihen in stille Lasten, sagte Kölschbach. „Die Konsequenz: Das Unternehmen wird bilanziell als pleite dargestellt.“ Und zwar auch, wenn es keine Probleme hat.
Im Zuge der VVG-Reform sollen Kunden, wie vom Bundesverfassungsgericht verlangt, stärker an stillen Reserven beteiligt werden. Auf Widerstand der Assekuranz trifft vor allem die Vorgabe, dass Versicherer ihren Kunden binnen zwei Jahren die Hälfte der stillen Reserven gutschreiben müssen. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft wird heute seine offizielle Stellungnahme zu dem Entwurf abgeben.
Die Lebensversicherer fürchten bei Umsetzung des Entwurfs um ihr Geschäftsmodell. „Wenn der vorgelegte Referentenentwurf Gesetz würde, könnten Versicherer kaum noch Reserven bilden und müssten ihre Portefeuilles in Richtung Geldmarktpapiere umschichten“, sagte Oskar Goecke vom Institut für Versicherungswesen an der Fachhochschule Köln. Unternehmen könnten Kapital nur kurzfristig zu geringen Zinsen anlegen. Das führe zu Problemen, wenn der kurzfristige Zins unter dem Garantiezins liege.
Anja Krüger
Quelle: Financial Times Deutschland
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