Mit dem neuen Versicherungsvertragsgesetz entfällt die Abschlussprovision für Vermittler von Lebenspolicen. Das stellt die Branche vor erhebliche Probleme
Von Herbert Fromme und Anja Krüger, Köln Keinem anderen ihrer Ahnen sind deutsche Versicherungsmanager so dankbar wie dem einstigen Direktor der Vaterländischen Lebensversicherung August Zillmer. Dank seiner 1863 veröffentlichten Formel zur Berechnung des Rückkaufswertes in der Lebensversicherung konnte die Assekuranz ein gigantisches Vertriebsnetz aufbauen – in Deutschland gibt es mehr Versicherungsvermittler als niedergelassene Ärzte. Das könnte sich mit der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) ändern.
Noch heute erhalten die meisten Vermittler in den ersten Monaten nach Abschluss einer Lebens- oder Rentenversicherung eine Provision, die mit Zillmers Formel bestimmt wird. Sie bekommen in der Regel drei bis sieben Prozent der Beiträge, die der Kunde im Laufe der Vertragslaufzeit zahlen soll. Das sind bei einer Gesamtprämie von 50 000 Euro satte 1500 Euro bis 3500 Euro. Die Versicherer finanzieren das mit den ersten Prämien des Kunden. Kündigt er den Vertrag früh, erhält er nichts oder wenig von seinem Geld zurück. Das Bundesverfassungsgericht hat dieses System beanstandet. Der Entwurf für das neue VVG sieht die Verteilung der Provision auf fünf Jahre vor.
Für die Assekuranz steht damit viel auf dem Spiel. Sie muss eine Lösung finden, mit der Vertreter, Makler und Finanzvertriebe wie AWD oder MLP gut leben können – sonst gerät das gesamte Vertriebssystem in Gefahr. Denn für viele Vermittler ist die Provision für Lebenspolicen der entscheidende Teil ihrer Einnahmen. „Ohne Abschlussprovision geht es bei vielen Vermittlern ums Überleben“, ist Michael Scharr, Lebensvorstand der SV Sparkassen Versicherung, überzeugt.
Die Unternehmen können die Vergütung für die Vermittler künftig über fünf Jahre strecken oder eine Vorabprovision finanzieren. Fraglich ist aber noch, ob die Regierung den Versicherern gestatten wird, die Abschlusskosten als Aktivposten in der Bilanz auszuweisen. Ist das nicht der Fall, entsteht durch Vorabprovisionen eine Bilanzlücke. „Dieses Bilanzloch wäre so gewaltig, dass viele Versicherer es nicht füllen könnten“, sagt Scharr. Die mögliche Folge: Es könnte ein Wettbewerb um Vermittler entstehen, bei dem sehr kapitalkräftige Unternehmen einen Vorteil hätten.
Wie die Versicherer mit dem Problem umgehen, steht noch nicht fest. „Aussagen vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens wären Spekulation“, sagt ein Sprecher des Marktführers Allianz Leben. Bei der Riester-Rente muss die Provision heute schon über fünf Jahre gestreckt werden.
Die Allianz Leben bietet Vermittlern hier eine Vorabzahlung an, allerdings müssen sie eine Reduzierung ihrer Vergütung hinnehmen. Die zur Münchener Rück gehörende Hamburg-Mannheimer will eher keine verteilten Provisionen einführen. „Wir prüfen andere Möglichkeiten“, sagt eine Sprecherin. Klassische Versicherungsvermittler fürchten sowohl die gestreckte als auch die vorfinanzierte Provision. Bei Einführung gestreckter Vergütungen entsteht für sie eine Finanzierungslücke.
„Existenzgründer können mit laufenden Provisionen ihren Betrieb nicht aufbauen“, sagt Michael Heinz, Präsident des Bundesverbands Deutscher Versicherungskaufleute, der kleinere und mittlere Makler und Agenturen vertritt. Die Vorfinanzierung über den Versicherer sei keine Alternative. „Damit schwebt über dem Vermittler bei Beendigung seiner Tätigkeit das Damoklesschwert der Rückzahlung für eine Provision, die er beim Abschluss des Versicherungsvertrags bereits verdient hat.“ Kündigt der Kunde früh, muss der Vermittler Teile der Vergütung erstatten.
Vor allem sieht Heinz die Versicherungsvermittler im Nachteil gegenüber den Verkäufern von Fonds. Fondsanbieter drängen aggressiv in den Altersvorsorgemarkt. Sie bedienen sich dabei großer Finanzvertriebe wie AWD, denen sie neuerdings Vorabprovisionen gewähren. „Im Moment hat die Fonds-Branche die Nase vorn“, sagt ein AWD-Sprecher. „Wir sind gespannt auf die Lösungen, die die Versicherer anbieten werden.“
Bild(er):
Der Grabstein August Zillmers in Berlin. Bisher beruhen viele Vermittlerprovisionen noch auf seiner Formel von 1863 – VVW
Quelle: Financial Times Deutschland
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