Sanio dementiert Kriegserklärung an Mitarbeitervertretung · Konflikt um Jobabbau nach Analyse zum Arbeitsaufwand
VON Ute Göggelmann, Frankfurt, und Herbert Fromme, Köln Der Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Jochen Sanio ist Vorwürfen des Personalrats entgegengetreten. Er reagierte auf einen Bericht des „Handelsblatts“, der aus einem internen Rundschreiben des Personalrats zitierte. Demzufolge habe der BaFin-Chef dem Personalrat den Krieg erklärt. Auslöser sei eine Diskussion um eine interne Untersuchung von Arbeitsprozessen gewesen. „Herr Sanio hat dem Personalrat nicht den Krieg erklärt“, sagte ein Sprecher der Behörde am Freitag. Sanio habe dagegen die ablehnende Haltung des Personalrats gegenüber einer Organisationsuntersuchung als Kriegserklärung gegenüber sich selbst aufgefasst und das auch so geäußert.
Der Konflikt zwischen BaFin-Führung und Personalrat, der die Interessen der rund 1500 Mitarbeiter der Behörde vertritt, ist im Zuge der Berichterstattung über den Korruptionsskandal nach außen gedrungen. Sanio ist nach dem Bekanntwerden von Betrügereien in der IT-Abteilung und Versäumnissen bei der internen Kontrolle stark unter Druck geraten.
Entsprechend wurde der Konflikt zwischen Führung und Personalrat als fehlender Rückhalt Sanios im eigenen Haus interpretiert. Diesen Eindruck versuchte der BaFin-Sprecher jetzt zu entkräften: Beide Dinge hätten nichts miteinander zu tun, sagte er. Der BaFin-Präsident hatte vor kurzem Experten für Organisationsentwicklung eingestellt, um die Abläufe in der Behörde zu straffen.
„In einem Bereich ist eine Organisationsuntersuchung durchgeführt worden“, sagte der Sprecher. Dabei wurde die Multi-Moment-Analyse angewandt. Sie untersucht, wie häufig bestimmte Arbeitsaufgaben an einem Arbeitsplatz anfallen. Dieses Verfahren sei ein Standardinstrument, das in Bundesbehörden und in der Wirtschaft häufig zum Einsatz kommt, sagte der Sprecher. „Als Folge der ersten Untersuchung wurden neun Zeitarbeitsstellen gestrichen.“ Das sei dem Personalrat natürlich nicht Recht gewesen.
Als vor zwei Wochen der zweite Bereich untersuchen werden sollte, hätte der Personalrat das Untersuchungsverfahren abgelehnt, sagte der Sprecher. Der Konflikt soll nun in einem Einigungsverfahren gelöst werden.
Der Disput kommt für den BaFin-Chef zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Kommende Woche, am 26. September, trifft sich der Verwaltungsrat um über Sanios Entlastung abzustimmen, die ihm bisher verweigert wurde. Der Rat besteht aus Vertretern des Bundesfinanzministeriums als übergeordnete BaFin-Behörde, des Bundestags und der Finanzwirtschaft.
Hintergrund für Sanios prekäre Lage ist ein im April bekannt gewordener Korruptionsfall. Ein leitender Regierungsdirektor der BaFin soll über Scheinrechnungen für Software mindestens 4 Mio. Euro veruntreut haben. Vor kurzem wurde allerdings bekannt, dass es noch mehr Löcher im internen Kontrollsystem gibt.
Laut Staatsanwaltschaft Bonn sind mehrere Mitarbeiter der IT-Abteilung in Einstellungsbetrug verwickelt. Hierbei sollen BaFin-Mitarbeiter Familienmitgliedern geholfen haben, eine Anstellung bei der Behörde oder bei beauftragten Firmen zu bekommen. „Die Ermittlungen werden voraussichtlich im Oktober abgeschlossen sein“, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft.
Quelle: Financial Times Deutschland
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