Künstler zeichnen Gebäude aus

Eine Initiative will das Auge der Bürger auf die Architekturperlen der Stadt lenken

Wer im Zug den Kölner Hauptbahnhof verlässt und den Rhein überquerend links aus dem Fenster schaut, blickt auf eine irritierende Aufforderung. „Liebe deine Stadt“, steht in Schreibschrift-Lettern auf dem Dach eines Pavillons am Ufer des Flusses. Die Botschaft stammt von einer Initiative, die den Blick der Bürger für bislang gering geachtete architektonische Schätze schärfen will.

In unregelmäßigen Abständen verleiht der Verein „Liebe deine Stadt“ Gebäuden aus den 50er- und 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine Auszeichnung in Form einer riesigen Schleife in den Stadtfarben Rot-Weiß. Bislang hat er vier Kölner Gebäude gewürdigt. Der Rheinpavillon selbst ist allerdings noch ohne Anerkennung. Die Schrift trägt er lediglich, weil hier die Gründungsveranstaltung stattfand.

Initiator des Projekts ist der Künstler Merlin Bauer, der Stipendiat des Kölner Kunstvereins, der Imhoff-Stiftung und der Kunststiftung Nordrhein-Westfalen ist. „In Köln sagt jeder: Ich liebe meine Stadt“, so der Österreicher Bauer, der seit 2000 in der rheinischen Metropole lebt. „Aber die Kölner lieben vor allem die Atmosphäre, also das Flüchtige.“ Wenn die Bürger sich für Anfassbares aus Stein erwärmen, dann für den Dom oder die zahlreichen romanischen Kirchen, so der Eindruck des Künstlers.

Aber auch andere Gebäude der Stadt sind identitätsstiftend oder haben zumindest das Potenzial dazu, sagt Bauer. Köln ist während des 2. Weltkriegs stark zerstört worden. Eine „architektonische Patchwork-Ästhetik“ sei die Folge. Der 32-Jährige will den Blick der Bürger auf Gebäude aus der Zeit des Wiederaufbaus lenken. Liberalität, Warmherzigkeit und Optimismus sind nach seiner Erfahrung Eigenschaften, auf die in Köln viel Wert gelegt wird – und die manche Gebäude aus der Nachkriegszeit verkörpern. Mit dem Ziel, dieses den Bürgern bewusster zu machen, gründete er Anfang 2005 gemeinsam mit Kollegen, Architekten und anderen den Verein „Liebe deine Stadt“.

Ursprünglich wollte der Verein jeden Monat ein Gebäude auszeichnen. Doch weil die Initiatoren sich nicht damit begnügen, die rot-weiße Schärpe an die Fassade zu hängen, scheiterte diese Idee an der Finanzierung des vielseitigen Vorhabens. Zu den Veranstaltungen kommen teilweise einige Hundert Teilnehmer, und in der Kunst- und Architekturszene hoch geachtete Laudatoren würdigen das ausgewählte Gebäude. Bei der Ehrung von Haus Wefers an der Burgmauer/Ecke Tunisstraße war es Erzdiözesanbaumeister Martin Struck. Für die Auszeichnung des Afri-Cola-Hauses an der Turiner Straße/Ecke Dagobertstraße konnte der Wuppertaler Kunstprofessor Bazon Brock gewonnen werden und beim ersten Kölner Parkhaus an der Hohen Straße/Ecke Cäcilienstraße der Aachener Kunsthistoriker Alexander Markschies. Die viel kritisierte Oper wurde vom Schweizer Architekten Peter Zumthor gewürdigt. „Wir wollen eine Diskussion über Architektur anregen und hinterfragen: Was ist die Kölner Identität“, erklärt Bauer.

Zumindest in Fachkreisen stößt das Projekt auf große Zustimmung. „Die Zielrichtung ist gut“, sagt Cord Machens, Architekturprofessor an der Fachhochschule Köln. „Die Initiatoren wollen nicht nur etwas prämieren, sondern wirklich aufklären.“ Machens versteht den Titel des Projekts nicht als Imperativ, sondern ironisch. „Keine andere Stadt ist so lokalbesoffen wie Köln“, sagt er.

Zitat:

„Die Kölner lieben das Flüchtige“ – Merlin Bauer, Projekt „Liebe deine Stadt“ –

Bild(er):

An der Kölner Oper hängt diese Schleife, die hervorragende Bauwerke auszeichnet – Veit Landwehr

Anja Krüger

Quelle: Financial Times Deutschland

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