Assekuranz bringt Risiken an den Kapitalmarkt · Swiss-Re-Vorstand Roger Ferguson im FTD-Interview
Von Herbert Fromme, Zürich Die Versicherungswirtschaft steht durch die Verbriefung von Risiken vor einer deutlich engeren Verflechtung mit den Kapitalmärkten. „Ich erwarte eine Entwicklung ähnlich wie bei den Banken“, sagte Roger Ferguson, Vorstandsmitglied der Swiss Re und bis Ende April 2006 stellvertretender Chef der US-Notenbank Fed. Bei Swiss Re ist er Chairman der US-Gesellschaft und seit Neuestem Finanzchef für die Gruppe.
„Vor 25 Jahren arbeiteten die Banken nach einem sehr traditionellen Modell, sie gaben Darlehen aus und behielten sie in ihren Bilanzen“, sagte Ferguson im FTD-Interview. „Sie begannen dann damit, Hypotheken zu verbriefen, Autodarlehen und Kreditkartenaußenstände folgten.“ Danach beteiligten die Banken den Kapitalmarkt durch verschiedene Instrumente an ihren Kreditrisiken.
„In der Versicherungswirtschaft kommt es zu einer ähnlichen Verflechtung mit den Kapitalmärkten“, sagte Ferguson. Swiss Re nehme hier eine führende Rolle ein. Neben Katastrophenanleihen, den berühmten Cat Bonds, werden heute auch Lebensversicherungsrisiken oder Autoversicherungsbestände in Bonds verpackt.
Das Grundprinzip ist immer dasselbe: Die Anleger erhalten für die Anleihe eine deutlich über den Marktzinsen liegende Verzinsung, müssen aber bei einem festgelegten Ereignis – einem Hurrikan, Erdbeben oder einem höheren Schadenaufkommen als erwartet – mit dem Verlust ihres Kapitals rechnen.
„Die Verbriefung hat bei den Banken zu einer deutlichen Stärkung der Eigenkapitalsituation geführt“, sagte Ferguson. Man könne davon ausgehen, dass Ähnliches auch für die Versicherer gelten könne.
In den vergangenen fünf Jahren habe sich das Volumen der Verbriefungen in der Schaden- und Unfallversicherung verdoppelt, bei Lebensversicherungsanleihen verdreifacht. „Das gesamte Volumen von ausstehenden versicherungsbezogenen Anleihen beläuft sich auf 23 Mrd. $“, sagte Ferguson. In den Jahren 2004 und 2005 habe es eine deutliche Beschleunigung gegeben. Er erwartet, dass 2016 „zwischen 150 Mrd. und 350 Mrd. $“ an Versicherungsanleihen im Markt sein werden, getrieben vor allem vom Kapitalbedarf der Lebensversicherer. Wegen des sehr jungen Marktes habe die Schätzung noch eine sehr weite Spannbreite.
Die Verbriefung werde die traditionelle Rückversicherung nicht ersetzen, bei der eine Gesellschaft ein Risiko übernimmt und in der eigenen Bilanz behält. „Es ist falsch, das als Entweder-oder zu sehen. Beides wird es geben“, sagte Ferguson. Viele Banken hätten weiterhin Hypotheken direkt in den Büchern.
Kritik, mit Hilfe von Verbriefungen könne die Assekuranz unbequeme Risiken bei „unwissender Kapazität“ abladen, lässt Ferguson nicht gelten. Die Käufer solcher Anleihen seien „ausgefuchste Marktteilnehmer“, sagte er. „Und bisher sind sie mit Versicherungsverbriefungen sehr gut gefahren.“
Swiss Re habe einen deutlichen Zeitvorsprung vor der Konkurrenz, sagte Ferguson. „Andere Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen werden sich in eine ähnliche Richtung bewegen“, sagte er. „Aber man braucht dafür eine bestimmte Kapitalmarktexpertise, eine bestimmte Bilanzstärke, globale Präsenz und eine sehr weitreichende Kundenbasis.“ Für eine ganze Zeit werde der Vorsprung der Swiss Re bleiben.
Schiefgehen könne wenig. Wenn sich herausstelle, dass die Verbriefung nur ein bestimmtes zeitlich begrenztes Phänomen sei, gebe es weiterhin die traditionelle Rückversicherung. „Und da spielen wir auch eine führende Rolle.“ Swiss Re wolle die traditionelle Rückversicherung nicht ersetzen, sondern ergänzen.
Ferguson ist auf Vorstandsebene für die gesamten Kapitalanlagen der Swiss Re zuständig, die sich auf 160 Mrd. Franken belaufen. „Wir hatten schon vor meinem Eintritt eine sehr gute Anlagestrategie und werden sie nicht fundamental ändern“, sagte Ferguson. Seine Erfahrung aus fast neun Jahren bei der Fed werde sich positiv niederschlagen. „Wir haben einen sehr hohen Bestand an festverzinslichen Papieren, da spielt die Zinsentwicklung natürlich eine große Rolle.“ Zur allgemeinen Zinsentwicklung äußerte sich der langjährige Stellvertreter von Alan Greenspan zurückhaltend. „Die Märkte hatten bereits eine Zinssenkung eingepreist“, sagte er. In den vergangenen Wochen habe es nach Kommentaren der US-Notenbank eine ruhigere Entwicklung gegeben. „Ich weiß natürlich nicht genau, was die Zentralbanken tun werden“, sagte Roger Ferguson. „Aber ich glaube, die Märkte könnten etwas ungenau sein, wenn sie zu viel in Sachen Zinsentwicklung nach unten erwarten.“
Zitat:
„Ich erwarte eine Entwicklung wie bei den Banken“ – Roger Ferguson –
Bild(er):
Swiss-Re-Vorstand Roger Ferguson, 55, war bis April Vizechef derUS-Notenbank – FTD/pixsil.com/Dominic Büttner
Quelle: Financial Times Deutschland
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