Die EU-Vermittlerrichtlinie soll Verbraucher besser vor Falschberatung schützen. Ob das in Deutschland gelingt, bezweifeln Branchenkenner. Die zusätzlichen Beratungspflichten könnten Versicherungen teurer machen dsfgsd fs
VON Friederike Krieger Was lange währt, wird endlich gut, lautet ein altes Sprichwort. Auf die Umsetzung der EU-Vermittlerrichtlinie trifft das nicht zu. Bis Januar 2005 hätte Deutschland die Vorschrift, die Kunden künftig besser vor falscher Beratung schützen soll, in nationales Recht umsetzen müssen. Doch erst am 26. Oktober dieses Jahres hat der entsprechende Gesetzesentwurf den Bundestag passiert. Nach der noch ausstehenden Zustimmung des Bundesrats im Dezember soll das Gesetz Anfang Juni 2007 in Kraft treten. Mit dem Ergebnis, das die Politik als erfolgreichen Kompromiss feiert, sind weder Makler noch Verbraucherschützer zufrieden.
Reichte bisher ein Gewerbeschein aus, um als Versicherungsvermittler tätig zu werden, gelten für den Berufsstand künftig schärfere Anforderungen. Gewerblich tätige Vermittler müssen eine Erlaubnis bei der zuständigen Industrie- und Handelskammer einholen und sich dort registrieren lassen. Dazu müssen die Vermittler nicht nur eine Berufshaftpflichtversicherung abschließen, sondern auch nachweisen, dass sie über die nötige Sachkunde zum Versicherungsverkauf verfügen.
„Die Qualifikationsanforderungen an die Vermittler sind viel zu gering ausgefallen“, meint Lilo Blunck, Geschäftsführerin der Verbraucherorganisation Bund der Versicherten. Der Gesetzgeber verlangt von den Vermittlern, die 230 Stunden dauernde Ausbildung zum Versicherungsfachmann zu absolvieren. „Diese Qualifikation reicht vielleicht für das Privatkundengeschäft aus, für das gewerbliche Geschäft aber nicht“, sagt Hans-Georg Jenssen, Geschäftsführer des Verbands Deutscher Versicherungsmakler. In diesem Bereich hätte er sich als Mindestqualifikation die dreijährige Ausbildung zum Versicherungskaufmann gewünscht.
Zufrieden ist Jenssen mit den Informationspflichten, die die Richtlinie von den Vermittlern verlangt. Künftig müssen sie dem Kunden darlegen, ob sie als Vertreter nur die Versicherungen eines Unternehmens verkaufen, als Mehrfachagent für mehrere Häuser tätig sind oder als Makler nur im Interesse des Kunden handeln. „Mischformen werden vom Markt verschwinden“, meint Jenssen. So könne sich der Mehrfachagent AWD in Zukunft nicht mehr als „unabhängiger Finanzoptimierer“ bezeichnen.
Zudem verlangt die Richtlinie, dass die Vermittler ihre Kunden umfassend beraten und dies sorgfältig dokumentieren. Dies soll es dem Versicherungsnehmer erleichtern, bei etwaiger Falschberatung Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Verbraucherschützer bemängeln, dass die Kunden auf die Dokumentation verzichten können. Sie fürchten, dass unseriöse Vermittler Versicherte zum Verzicht auf ihre Rechte überreden könnten. Die Branche beschwerte sich dagegen zunächst über den zusätzlichen bürokratischen Aufwand. Doch das Bild relativiert sich langsam.
„Am Anfang haben wir uns schon ziemlich erschrocken, was da alles von uns gefordert wird“, erklärt Thomas Kast, der beim Makler Südvers für die Umsetzung der Richtlinie zuständig ist. Dann habe Südvers aber festgestellt, dass die im Industriegeschäft bereits praktizierte Dokumentation gut mit der Richtlinie harmoniert. „Wir müssen nur im Privatkundengeschäft noch einiges optimieren“, sagt Kast. Dort habe die Dokumentation noch nicht die geforderte Detailtreue. Konkret müssen die Vermittler Wünsche und Versicherungsbedarf des Kunden protokollieren und begründen, warum sie dem Kunden ein spezielles Produkt empfohlen haben.
Um Vermittlern dabei eine Hilfestellung zu geben, hat der Arbeitskreis „EU-Vermittlerrichtlinie – Dokumentation“, den mehrere Berufsverbände ins Leben gerufen haben, bereits Protokollvordrucke entwickelt. Friedel Rhode, Projektkoordinator des Arbeitskreises, betrachtet die Dokumentation als Herausforderung für die Makler, mit der sie ihre Qualität beweisen könnten. „Viele von der Richtlinie geforderte Beratungsaspekte hat der Makler bisher ohnehin schon mündlich mit seinen Kunden durchgesprochen“, erklärt er. Nun müsse dies systematisch in schriftlicher Form festgehalten werden. Wie viel Zeit dies den Makler kostet, hänge davon ab, wie gut er dabei durch Software unterstützt wird. „Ideal wäre es, die Dokumentation in die Analysetools zu integrieren, mit denen er ohnehin schon arbeitet“, so Rhode. Der Arbeitskreis sei bereits mit Softwareanbietern im Gespräch. Sie können sich zertifizieren lassen.
Makler Kast von Südvers erwartet, dass die Branche die zusätzlichen Kosten, die durch die neuen Pflichten entstehen, an die Kunden weitergeben wird. „Die Versicherer werden mit umfangreicheren Produkten auf die Richtlinie reagieren“, meint er. Denn wenn die Branche mit den bestehenden Produkten weiterarbeiten würde, müssten die Vermittler jedes Risiko, das nicht abgedeckt sei, dem Kunden akribisch darlegen. Dass wäre insbesondere bei kleinen, margenarmen Produkten problematisch. Umfangreichere Produkte würden aber auch höhere Prämien nötig machen. „Vor allem die kleinen Privatkunden- und Gewerbesparten könnten teurer werden“, erklärt er. Da aber viele Beratungsanforderungen noch ziemlich schwammig formuliert seien, müsse man die ersten Gerichtsurteile zum Thema abwarten, sagt Kast.
Er begreift die Vermittlerrichtlinie auch als Chance, sich neue Geschäftsfelder zu erschließen. Die Versicherer können nach der Richtlinie die Haftung für Ein-Firmen-Vertreter übernehmen, wozu sie nach seiner Einschätzung aber nicht bereit sein werden. „Sie werden versuchen, die Haftung zu minimieren und den Vertriebsweg Makler stärker auszubauen“, glaubt er. Für die Makler könne sich eine „neue Spielwiese“ eröffnen.
Bild(er):
Boxlegende Muhammad Ali, dessen Stiefel unten im Bild zu sehen sind, hielt sich mit Seilspringen fit. Es trainiert nicht nur die Ausdauer, sondern auch das Koordinationsvermögen der Boxer – Corbis/Bettmann, Corbis, Actionpress/Hollywood Pix
Quelle: Financial Times Deutschland
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