Versicherer buhlen um Kundenaus der Industrie

Die Preise in der Industrieversicherung sinken weiter. Nach Jahren harter Sanierung wollen die Anbieter ihre Bestände ausweiten. Sie bereiten sich auf das große Aufräumen für Solvency II vor, der EU-Richtlinie zur Kapitalausstattungv on Versicherern

Die Industrieversicherer liefern sich einen harten Preiskampf. In der Erneuerungsrunde für 2007 sinken die Preise im Durchschnitt um 15 Prozent, teilweise sogar um deutlich mehr. Und das, nachdem es schon im Vorjahr Nachlässe in ähnlicher Höhe gegeben hat. „Die Gier nach Prämie ist bei den Versicherern sehr groß“, sagt Wolfgang Koppitz, geschäftsführender Gesellschafter der Südvers-Gruppe, der zehntgrößten deutschen Maklerfirma. Er ist aber davon überzeugt, dass die Niedrigpreisphase bald zu Ende ist.

Die Industrieversicherung gilt als Königsklasse der Assekuranz, allerdings nicht wegen ihrer Größe. Das Prämienvolumen der Sparte lag 2005 bei schätzungsweise 19 Mrd. Euro, insgesamt nahm die Assekuranz 155 Mrd. Euro ein. Die Anbieter weisen in der Industriesparte nur die Sachversicherung gesondert aus, Daten zur Haftpflicht und Kraftfahrt fließen in die allgemeine Statistik.

Die Industrieversicherung ist eine bedeutende Sparte, weil mit einzelnen Verträgen riesige Summen bewegt werden. Außerdem werden hier Zeichen für die gesamte Branche gesetzt. Viele Konzerne haben eigene Vermittlungsgesellschaften. Selbst diese Häuser setzen auf die Dienste international tätiger Makler. Die Großmakler wie Aon Jauch & Hübener, Marsh, Ecclesia, Funk oder Willis entwickeln Deckungskonzepte und haben Zugang zu Versicherungsmärkten in London, Bermuda und den USA. Zu den Marktführern unter den Versicherern in Deutschland gehören die Allianz, Gerling, die Talanx-Tochter HDI, die Gothaer, Axa und Gesellschaften aus den USA und Bermuda wie AIG, ACE und FM Global. In der Branche für Unruhe sorgt die Übernahme des Kölner Versicherers Gerling durch die Hannoveraner Talanx. Damit gehen zwei Schwergewichte unter den Industrieversicherern zusammen, Makler und Kunden fürchten die Konzentration.

Die Preise steigen und fallen in Zyklen. Sind sie hoch, sprechen Makler, Kunden und Versicherer von einem „harten Markt“, sind sie niedrig, von einem „weichen Markt“. Die letzte harte Marktphase begann 2001. Die Anbieter hoben die Preise drastisch an und verschärften die Bedingungen enorm. Seit 2005 dreht sich der Trend. „Der Markt ist butterweich“, sagt Koppitz.

Für die Makler sind niedrige Preise unerfreulich. Sie erhalten einen Prozentsatz der Prämie als Vergütung. Sinkende Preise können sie wie die Versicherer nur durch den Ausbau des Geschäfts kompensieren. „Der Markt im Gewerbe- und Industriegeschäft ist durch hohe Wettbewerbsintensität gekennzeichnet, auf Versicherer- wie auf Maklerseite“, sagt Dankwart von Schultzendorff vom Marktführer Aon Jauch & Hübener. Viele Versicherer hätten ihre Kapazitäten ausgebaut, außerdem drängten Gesellschaften wie Arch, QBE oder Royal Sun Alliance in den Markt.

Die in den Jahren ab 2001 erfolgte Sanierung der Bestände hat bei den Versicherern zu guten Zahlen in den Bilanzen geführt. „Aber es gab wenig Neugeschäft und eine Stagnation in der Produktion“, sagt Südvers-Chef Koppitz. Im Moment wollen die Versicherer ihre Marktanteile ausdehnen. Doch möglicherweise müssen sich Kunden bald auf steigende Preise einstellen. „Es kann gut sein, dass schon im nächsten Jahr der Trend nach oben geht“, sagt Koppitz. „Vielleicht mehr, als man erwartet.“ Spätestens wenn die Europäische Union mit Solvency II Ernst macht, werden die Preise steigen, glaubt er.

Die EU will bis Mitte 2009 mit der Richtlinie Solvency II neue Vorschriften für die Kapitalausstattung von Versicherern einführen. Bislang hängt das geforderte Eigenkapital vom Geschäftsvolumen des Unternehmens ab, künftig sind seine übernommenen Risiken entscheidend. „Wenn Solvency II kommt, wird es richtig spannend“, sagt Stephan Zilkens, Vorstandsvorsitzender des Großmaklers Schunck. „Die Frage ist: Welcher Versicherer wird dann was anbieten?“ Die Übernahme schadenträchtigen Geschäfts wird für die Assekuranz in Zukunft erheblich schwieriger.

Heute bereiten sich die Versicherer darauf vor, in dem sie sich so viel Geschäft wie möglich in die Bestände holen. Denn umso größer die Bestände, umso besser können sie nach Einführung von Solvency II sanieren, glauben Makler. Doch bis dahin profitieren die Kunden noch von den günstigen Preisen. „Wir empfehlen den Kunden, die weiche Phase mitzunehmen“, sagt Zilkens.

Eine Reihe von Großschäden wie der Brand im Krefelder Stahlwerk von ThyssenKrupp Nirosta wird die Versicherer auch ohne Solvency zu einer vorsichtigeren Zeichnungspolitik veranlassen. In der Kraftfahrtsparte beobachtet Zilkens gegenläufige Tendenzen. Auf der einen Seite beginnen große Versicherer, langsam die Preise anzuheben. Dazu gehört ausgerechnet die Allianz, die im Kfz-Privatkundengeschäft die Branche in einen Preiskrieg getrieben hat. Auf der anderen Seite gibt es Versicherer, die Autoflotten mit hohen Schadenfrequenzen zu Preisen versichern, die weit unter den entstandenen Schäden liegen. Zilkens: „Diese Versicherer kaufen sich bewusst schadenbelastetes Geschäft ein.“

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Beim Wettkampf der Boxlegenden George Foreman und Muhammad Ali im August 1974 in Salt Lake City im amerikanischen Bundesstaat Utah sorgte der bekannte Komiker Bob Hope für Stimmung. Er hatte sich vor seiner Karriere im Showbusiness selbst als Boxer versucht. Die Glocke gehört zu den wichtigsten Utensilien bei einem Boxkampf. Ihr Läuten signalisiert den Kontrahenten und dem Ringrichter Beginn und Ende einer Runde – Corbis/ Leo Mason, Agentur Focus/ Contact Press Images/ David Burnett

Anja Krüger

Quelle: Financial Times Deutschland

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