Die baden-württembergische Landeshauptstadt ist einer der wichtigsten Finanzplätze Deutschlands. Hier sind viele Banken und Versicherer ansässig, bei denen Absolventen den Einstieg ins Berufsleben und Karrierechancen finden dsfgsd fs
Jens Osthoff hat sein erstes Ziel erreicht. Nach seiner Ausbildung ist er genau dort, wo er hinwollte. Vor einem halben Jahr hat der 29-Jährige sein Traineeprogramm bei der L-Bank abgeschlossen, der baden-württembergischen Förderbank. Seitdem arbeitet er dort am Aufbau einer neuen Abteilung mit, die Finanzlösungen für Unternehmen, Kommunen und Familien entwickelt. Osthoff ist im Bereich Beteiligungsfinanzierung für den Mittelstand tätig. „Hier kann ich konzeptionell und operativ arbeiten“, sagt er. „Genau das, was ich wollte.“
Der Betriebswirt wusste schon zu Beginn seines Studiums, dass er in die Finanzbranche wollte. Stuttgart bietet jungen Leuten wie ihm viele Möglichkeiten. Die Landeshauptstadt ist nicht nur ein Zentrum des Autobaus und des Weins, sondern auch ein wichtiger Finanzplatz. Die Stuttgarter Börse ist der zweitgrößte Handelsplatz in Deutschland – allerdings mit großem Abstand hinter der Deutschen Börse in Frankfurt. Im Schnitt setzen in Stuttgart über 110 Handelsteilnehmer aus aller Welt pro Tag ein Volumen von 550 Mio. Euro um. Etwa 30 große Finanzdienstleister haben hier ihren Sitz. Darunter sind der Versicherer Allianz Leben, die Sparkassen-Versicherung und Krankenversicherer wie die Hallesche oder die Süddeutsche sowie die Landesbank Baden-Württemberg, eine der größten Landesbanken Deutschlands. Mit der Finanzgruppe Wüstenrot und Württembergische ist eine der drei größten Bausparkassen in Stuttgart ansässig, auch ein bedeutender Versicherer gehört zu der Gruppe. Hinzu kommen viele Filialen von Banken und Versicherern, sodass es das Kredit- und Versicherungsgewerbe in Stuttgart auf insgesamt 205 Unternehmen bringt.
Von 340 000 sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern beschäftigt die Branche in der Stadt 33 000 Menschen, darunter rund 1000 Auszubildende. In der Region sind 5,2 Prozent der Arbeitnehmer in diesem Zweig tätig, im Bundesdurchschnitt sind es nur 3,9 Prozent. Viele Firmen wie die L-Bank, die in Stuttgart und Karlsruhe Niederlassungen hat, bieten Traineeprogramme für Hochschulabsolventen an. Jens Osthoff ist von dieser Art der Ausbildung begeistert: „Man kann sich wirklich selber einbringen.“ Vor der Ausbildung bei der Bank hat Osthoff in Paderborn Betriebswirtschaft studiert und in Großbritannien einen Master-Abschluss gemacht. Zu Beginn des Traineeprogramms durchlief er ein halbes Jahr sämtliche Abteilungen.
Danach arbeitete er an Projekten, etwa an der Einführung von Studiendarlehen, und bereitete die Bewertung der L-Bank durch eine Ratingagentur vor. Wie Osthoff wurden auch seine vier Traineekollegen übernommen. Pro Jahr stellt die Bank etwa fünf Trainees ein. Damit das Programm erfolgreich ist, müssen die Teilnehmer Eigeninitiative zeigen und offen für unterschiedliche und komplexe Themen sein, sagt Osthoff. „Man sollte seine Interessen kennen und setzen können.“
Sprungbrett für die große Karriere in der Finanzbranche muss nicht ein Traineeprogramm für Nachwuchsführungskräfte sein, sagt Allianz-Sprecherin Antje Weykopf. „Auch die Ausbildung zum Kaufmann für Versicherung und Finanzdienstleistung ist eine gute Basis.“ Fast alle Vorstände bei der Allianz haben in ihrem Leben mindestens einmal Erfahrungen im Vertrieb gesammelt. Die Allianz stellt in Stuttgart für ihre Vertriebsorganisation im Jahr 50 Bewerber für diesen Ausbildungsgang ein. Darüber hinaus bietet auch der größte deutsche Versicherer Programme für Nachwuchsführungskräfte im Vertrieb an. „Jedes Jahr werden 15 bis 20 Bewerber eingestellt“, berichtet Weykopf. Für die Ausbildung zur Führungskraft im Vertrieb sucht der Versicherer Juristen, Mathematiker und Wirtschaftswissenschaftler. „Sie werden nicht nur in Stuttgart, sondern auch an anderen Standorten eingesetzt“, sagt sie. Für die Tätigkeit am Standort bietet die Versicherung Allianz Leben Mathematikern zum Beispiel gute Karrierechancen in der Produktentwicklung.
Bei der L-Bank, der Allianz und anderen Stuttgarter Finanzdienstleistern ist auch die Kombination von Studium und praktischer Ausbildung möglich. Neben den Studium an einer wirtschaftswissenschaftlichen Berufsakademie werden die Studenten in den Firmen eingesetzt. Die Allianz stellt jährlich rund 20 Bewerber ein, die L-Bank acht.
Viele Finanzdienstleister geraten immer wieder in die Schlagzeilen, weil sie Arbeitsplätze abbauen. Allein die Allianz will in den kommenden Jahren bei Versicherern und ihrer Tochter Dresdner Bank zusammen 8200 Stellen streichen. Wegen des härter werdenden Wettbewerbs in der Finanzbranche versuchen die Unternehmen, die Kosten so stark wie möglich zu senken. Viele Stellen sind bereits dem Rotstift zum Opfer gefallen, auch in Stuttgart. Trotzdem: „Im Vergleich zu anderen Branchen ist der Stellenabbau in der Finanzbranche relativ moderat gewesen“, sagt Dieter Rentschler, stellvertretender Leiter der Abteilung Wirtschaftsförderung der Stadt Stuttgart. In den vergangenen vier Jahren seien in der Landeshauptstadt im Kredit- und Versicherungsgewerbe vier Prozent der Arbeitsplätze abgebaut worden, in der Bauwirtschaft dagegen 20 Prozent. Dass Stuttgarter Banken und Versicherer in Zukunft im großen Stil Stellen streichen werden, erwartet Rentschler nicht. „Wir sind zuversichtlich, dass die Lage stabil bleibt.“
Zitat:
“ „Man sollte seine Interessen kennen und setzen können“ “ – Jens Osthoff, Mitarbeiter der L-Bank –
Bild(er):
An der Börse Stuttgart sind rund 140 000 Wertpapiere notiert. Das Haus beschäftigt rund 60 Mitarbeiter – vario images/Stefan Kiefer
Anja Krüger
Quelle: Financial Times Deutschland
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