Zwar stehen die gesetzlichen Krankenkassen im Mittelpunkt der jüngsten Gesundheitsreform. Viele Regelungen betreffen aber auch die Privatversicherer. Diese fühlen sich dadurch bedroht
VON Ilse Schlingensiepen Nicht nur vor Gericht macht sich Theo Langheid für die privaten Krankenversicherer (PKV) stark. Der Partner der Kanzlei Bach, Langheid & Dallmayr, die auf die Vertretung von Versicherungsunternehmen spezialisiert ist, agiert überall dort als Anwalt der Branche, wo er sie in Gefahr sieht – das ist zurzeit wegen der Gesundheitsreform auf breiter Front der Fall.
„Dieses Gesetz ist ein klarer Angriff auf die PKV“, sagt Langheid. Er verweist auf den Basistarif, den die Unternehmen ab dem 1. Januar 2009 anbieten müssen. Sie dürfen keine Risikoausschlüsse oder -zuschläge nehmen, gleichzeitig sind die Prämien auf dem Niveau des Höchstbeitrags in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gedeckelt. Das verstoße gegen alle Prinzipien der privaten Versicherung, kritisiert er. „Das ist so, also würde man Mercedes vorschreiben, Reifen für 130 Euro zu verkaufen.“
Reichen die Prämien im Basistarif nicht aus, wird die Differenz über die Normaltarife ausgeglichen. Die werden damit langfristig teurer. Die künftige Mitgabe der Alterungsrückstellungen wird bei älteren und kranken Versicherten die Beiträge in die Höhe treiben, erwartet Langheid. „Das ist eine übermäßige Benachteiligung dieser an sich schutzbedürftigen Gruppe.“
Unzulässig ist in seinen Augen auch die Art, wie Gesundheitsministerin Ulla Schmidt mit dem Thema der Nichtversicherten in der PKV umgeht. Wer zum Kundenpotenzial der PKV gehört, aber keine Deckung hat, kann sich seit 1. Juli privat versichern. Die Unternehmen dürfen dabei keine Risikozuschläge nehmen, die Beiträge sind begrenzt. Sonst gelten die üblichen Versicherungsbedingungen. Dazu gehört, dass die Versicherer erst nach einer Wartezeit zahlen und nicht für Behandlungen, die vor Versicherungsbeginn begonnen wurden. Die PKV-Branche hat für Kunden, die sich bis zum 31. Dezember 2007 versichern, eine Übergangslösung entwickelt. Schmidt hatte das als „beschämend“ und nicht vereinbar mit der Rechtslage kritisiert. Offensichtlich kenne sie das Gesetz nicht, sagt Langheid.
Sein Gesamturteil über die Gesundheitsreform ist vernichtend: „Das Gesetz gehört in die Mülltonne, weil es in die verfassungsrechtlichen Grundrechte der Unternehmen und der Versicherten eingreift.“ Man merke der Reform an, dass sie das Ergebnis eines politischen Kompromisses ist, sagt Sybille Sahmer, stellvertretende Direktorin des PKV-Verbands. „Das Gesetz ist in sich nicht stimmig, es ist Flickwerk von Anfang bis Ende“, moniert die Juristin. Die vielen Unklarheiten machten die Umsetzung schwierig. Auch bei anderen Reformen habe es Probleme gegeben, so chaotisch sei es aber noch nie gewesen, berichtet Sahmer. „Man ist nur noch mit Schadensbegrenzung beschäftigt, das ist keine sehr befriedigende Tätigkeit.“
Die PKV werde gegen die Reform vorgehen, bis hin zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit. „Ich gehe davon aus, dass eine Reihe von Gesellschaften vor dem Bundesverfassungsgericht klagen wird“, sagt sie.
Eingriffe der Politik in die PKV seien nichts Neues, betont Staatssekretär Klaus Theo Schröder. „Bei der Pflegeversicherung sind auch Pflichten und Rechte der PKV ins Gesetz geschrieben worden.“ Klagen sieht er gelassen entgegen. „Seit ich im Amt bin, haben wir noch kein Verfahren verloren, weil wir sehr sorgfältig darauf achten, dass die Gesetze rechtskonform sind“, sagt Schröder, der 2001 ins Bundesgesundheitsministerium kam.
Dass Vorschriften wie die zum Basistarif vor dem Bundesverfassungsgericht oder dem Europäischen Gerichtshof nicht standhalten werden, erwartet dagegen der auf Krankenversicherung spezialisierte Rechtsanwalt Arno Schubach von der Kanzlei Dr. Caspers, Mock & Partner in Koblenz, der Kunden, aber auch Unternehmen vertritt. Die Regelungen gingen zulasten weiter Kundengruppen, kritisiert er. „Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass in der Lebensversicherung die eingezahlten Beiträge und die Überschussbeteiligung dem Eigentumsschutz unterliegen“, sagt Schubach. Da die Krankenversicherung in Deutschland „nach Art der Lebensversicherung“ betrieben werde, müsse hier Ähnliches gelten.
In Schubachs anwaltlicher Arbeit geht es aber vor allem um Auseinandersetzungen zwischen Unternehmen und Kunden. „Ganz im Vordergrund steht dabei die Frage der medizinischen Notwendigkeit.“ Immer wieder müssen Gerichte die Frage klären, ob Versicherer eine bestimmte Leistung zahlen müssen oder nicht. „Viele dieser Streitigkeiten haben zum Hintergrund, dass die Versicherer versuchen, einem Ausufern der Kosten zu begegnen.“
Zitat:
“ „Das Gesetz gehört in die Mülltonne“ “ – Theo Langheid,Rechtsanwalt –
Bild(er):
Klarer Treffer : Die Weste schützt den Getroffenen vor Verletzungen und gibt gleichzeitig ein Signal an den Punktezähler. Das Florett muss mit einer Gewichtslast von mindestens 500 Gramm auftreffen, und auch die Weste muss ein Treffersignal senden, damit der Punkt zählt – Getty Images/Chris Cole
Quelle: Financial Times Deutschland
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