Umweltschäden sind schwer kalkulierbar
Von Friederike Krieger Nach der neuen EU-Umwelthaftungsrichtlinie können Unternehmen auch für Schäden herangezogen werden, die sie Pflanzen- und Tierarten und ihren Lebensräumen zufügen. Die bisherigen Umwelthaftpflichtversicherungen decken dieses Risiko nicht ab, sie greifen nur bei Personen- und Sachschäden. Deshalb tüfteln die Erstversicherer an neuen Umweltschadenpolicen, die entsprechend rückgedeckt sein wollen.
„Erst- und Rückversicherer gehen das Thema sehr vorsichtig an“, sagt Wolfram Schultz vom Rückversicherungsmakler Guy Carpenter. Denn die Abschätzung der möglichen Schäden sei äußerst schwierig. Eine einfache Kompensationszahlung für die ruinierte Flora und Fauna kommt nach dem Umweltschadengesetz, das am 14. November in Kraft treten wird, nicht infrage. Das Unternehmen muss den ursprünglichen Zustand der Natur wiederherstellen oder, wenn dies nicht möglich ist, den Schaden an anderer Stelle kompensieren. Und das wird möglicherweise teuer. Die Neuansiedlung einer Feldhamsterpopulation kann je nach Brutzyklus 200 000 Euro kosten, aber auch mit 2 Mio.Euro zu Buche schlagen.
Wegen dieser Unsicherheiten hält Schultz es für besser, das Umweltschadenrisiko separat rückzudecken, statt es in bestehende Rückversicherungsverträge einzuschließen. „So kann man die Entwicklung des neuen Produkts beobachten und Schadenerfahrung sammeln“, sagt er. Michael Pickel, Vorstandsmitglied der E+S Rückversicherungs-AG, bevorzugt ebenfalls diese Variante: „Da die Haftung so umfassend erweitert wird, ist es vorteilhafter, wenn man das Produkt separat rückversichert.“ Thomas Schindler vom Rückversicherungsmakler Benfield erwartet dagegen, dass das Gros der deutschen Rückversicherer zunächst auf eine eigenständige Lösung verzichten wird. Als die Umwelthaftpflichtversicherung von Personen- und Vermögensschäden eingeführt worden sei, habe man diese auch im Rahmen der bestehenden Haftpflichtprogramme rückgedeckt, obwohl das mögliche Schadenausmaß ebenfalls als schlecht abschätzbar galt. „Letztendlich hat es keine großen Schäden gegeben, und man ist mit der Lösung gut gefahren“, sagt Schindler.
Nur Störfallrückdeckung
Doch nicht alle Umweltschadenrisiken werden eine geeignete Deckung finden. Walter Roos, Risk-Engineer bei der Münchener Rück, hält nur Rückversicherungsschutz gegen plötzlich auftretende Umweltschäden für machbar. Dies empfiehlt auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, der Musterbedingungen für die neue Risikoabdeckung erarbeitet hat. Die meisten Erstversicherer wollen die Bedingungen übernehmen. Die Wirtschaft würde sich dann einer Deckungslücke gegenübersehen. Denn Firmen müssen nach der EU-Richtlinie nicht nur für Störfälle haften, sondern auch für allmählich auftretende Schäden durch den Normalbetrieb einer Anlage. Diese Art von Schäden möchte Roos nicht rückdecken. „Derzeit können Schadenhöhen und Schadenfrequenzen aus dem Normalbetrieb von uns nicht abgeschätzt werden“, sagt er.
Wie sich die Umweltschadenversicherung preislich entwickelt, ist schwer abzusehen. „Da keine Schadenerfahrung in diesem Bereich vorliegt, ist die Beitragsberechnung eine Herausforderung für Erst- und Rückversicherer“, sagt Roos. Makler Schultz rechnet damit, dass die Erstversicherer wegen der mangelnden Erfahrung mit dem Produkt einen Risikozuschlag auf die Prämie erheben werden.
Er glaubt nicht, dass der Markt für Umweltschadenversicherungen schnell ein exorbitantes Volumen erreichen wird. Die E+S-Rückversicherung erwartet dagegen schon jetzt signifikantes Geschäft. „Durch die erweiterte Haftung wird auch die Nachfrage unserer Kunden nach Rückversicherungsschutz steigen“, erklärt Pickel.
Quelle: Financial Times Deutschland
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