Nordrhein-Westfalen zieht als Chemiestandort immer mehr ausländische Unternehmen an
Von Friederike Krieger Aspirin aus den Bayer-Werken in Leverkusen, Persil der Düsseldorfer Firma Henkel – diese Markenartikel stammen aus Nordrhein-Westfalen. Aber auch in Telefonen und Brillengestellen steckt ein Stückchen NRW, denn viele Kunststoffe haben dort ihren Ursprung.
Von den rund 152 Mrd. Euro Umsatz der deutschen Chemie erwirtschaftete die Branche in NRW im Jahr 2006 etwa 52 Mrd.Euro. Sie zählt rund 110 000 Beschäftigte. Die etwa 1000 Firmen, die in dem Bundesland ansässig sind, konzentrieren sich vor allem im Großraum Köln und im Ruhrgebiet. Aus den großen Chemiekomplexen einzelner Firmen sind durch Ausgründungen, Verkäufe und Neuansiedlungen Chemieparks entstanden, in denen sich eine Vielzahl von Unternehmen tummelt. Und die Parks erwarten weiteren Zuwachs. „Das Interesse ist in den letzten zwei Jahren deutlich angestiegen“, sagt Margarete Gersemann, Leiterin der Chemsite-Initiative, die sieben Standorte im Ruhrgebiet betreut. Sie erhalte immer mehr Anfragen von Chemiefirmen aus der ganzen Welt. „Wenn es um hochwertige Chemieprodukte und Prozesse geht, sind Standorte in Deutschland wieder stark im Gespräch“, erläutert ihr Kollege Bernd von der Linden, der sich bei der Chemcologne-Initiative um den Kölner Raum kümmert. Er ist optimistisch, dass auch für die Kölner Chemieparks die eine oder andere Neuansiedlung abfällt. Jüngstes Mitglied der Branche ist der norwegische Energiekonzern Statkraft, der im Oktober im Chemiepark Knapsack ein Gas- und Dampfkraftwerk eröffnet hat.
Eine der bemerkenswertesten Ansiedlungen im Ruhrgebiet sei die saudi-arabische Firma Sabic im Chemiepark Gelsenkirchen-Scholven, die auf Erdöl basierende Gase zu Kunststoffgranulat weiterverarbeitet, sagt Gersemann. „Normalerweise sagen alle, dass man zur Erdölverarbeitung in Länder wie Saudi-Arabien gehen sollte“, sagt sie. Doch Sabic stockt derzeit sein Werk in Gelsenkirchen um eine 200 Mio. Euro teure Polyethylen-Anlage auf. „Wir sind Bestandteil eines integrierten Raffinerie- und petrochemischen Anlagenkomplexes. Als solcher profitieren wir besonders von den Synergien vor Ort“, sagt Jan van den Berg, Geschäftsführer von Sabic Polyolefine. Die Rohstoffe für die Kunststoffproduktion muss sich Sabic nicht von weit her anliefern lassen. Sie stammen vom Nachbarn BP Refining & Petrochemicals. Ein weiterer Vorteil sei die gemeinschaftliche Nutzung von Strom- und Dampfkraftwerken und Einrichtungen zur Abfallentsorgung. „So lassen sich eine Menge Investitionskosten sparen“, sagt Gersemann. Auf solche Verbundvorteile setzt auch Köln.
Zudem hat die Chemie in der Region eine lange Tradition. „Die Unternehmen treffen auf eine chemieerfahrene Bevölkerung, die weiß, was sie an der Branche hat“, erklärt von der Linden. Mit Bürgerprotesten müsse man hier nicht rechnen. Dieser Einschätzung zum Trotz stieß Bayer unlängst auf heftige Gegenwehr von Anwohnern, die den Bau einer Kohlenmonoxid-Pipeline verhindern wollten.
Ein besonders innovativer Bereich ist die weiße Biotechnologie. Unternehmen wie Henkel forschen dabei an Prozessen, mit denen sich die Branche nachwachsende Rohstoffe als Ausgangsbasis für ihre Produkte zunutze machen kann. „Nordrhein-Westfalen ist auf diesem Forschungsgebiet führend“, sagt von der Linden.
Zitat:
„So lassen sich eine Menge Investitionskosten sparen“ – Margarete Gersemann, Chemsite –
Quelle: Financial Times Deutschland
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