Lebensversicherungen zu vermitteln ist extrem aufwendig. Wenn ab dem kommenden Jahr dem Kunden vor Vertragsabschluss die Verwaltungs- und Vertriebskosten aufgeschlüsselt werden müssen, wird es für Makler und Vertreter noch schwieriger
Bevor er den unterschriebenen Lebensversicherungsvertrag einstecken kann, investiert der Versicherungsmakler viel Zeit. Als Erstes analysiert er die finanzielle Lage des Firmen- oder Privatkunden. Dann steht die Ausarbeitung des Konzepts für die Betriebsrente oder die private Altersvorsorge an. Und erst danach, beim dritten Termin mit dem Kunden, geht es um den konkreten Vertrag.
„Für eine gute Beratung braucht man mindestens 20 Stunden“, sagt Peter Köhler vom Freiburger Versicherungsmakler Thomae und Partner. Kunden ist dieser Aufwand oft nicht klar. Doch das wird sich ändern. Köhlers Unternehmen und viele andere Maklerfirmen führen in diesen Wochen Zeitprotokolle ein. Damit soll für Kunden sichtbar werden, was der Vermittler leistet.
Ab dem kommenden Jahr müssen Vermittler vor dem Abschluss einer Lebens-, Berufsunfähigkeits- oder Krankenversicherung den Kunden in konkreten Euro- und Cent-Beiträgen mitteilen, wie viel von ihren Prämien der Versicherer für Kosten voraussichtlich abzwackt. Die Assekuranz hat sich erfolglos gegen diese Neuerung gewehrt. Sie hätte eine Angabe in Prozentanteilen vorgezogen, wie sie bei Fonds und anderen Sparverträgen üblich ist. Die Branche fürchtet Wettbewerbsnachteile, wenn der Kunde statt einer abstrakten Prozentzahl klar und deutlich sieht, wie viel von seinem Geld im Verwaltungsapparat des Versicherers und in den Taschen des Vermittlers verschwindet. Bei einem über Jahrzehnte laufenden Rentenvertrag betragen die Kosten leicht einige Tausend Euro. Doch Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) ließ sich nicht erweichen. „Jetzt machen wir Ernst mit der Transparenz“, erklärte sie den Versicherern.
Die neue Regelung wird die Vermittler möglicherweise Geschäft, auf jeden Fall aber Zeit kosten. Davon ist Versicherungsmakler Köhler überzeugt. „Der Diskussionsbedarf der Kunden wird steigen“, sagt Köhler, der auch im Vorstand des Verbands Deutscher Versicherungsmakler ist. Denn die Kunden werden wissen wollen, was sie für das Geld, das der Versicherer von ihren Prämien abzieht, überhaupt bekommen. Kann der Makler anhand eines Zeitprotokolls demonstrieren, wie hoch der Aufwand für den Kunden ist, hat er eine Argumentationshilfe. „Der Transparenz der Kosten muss die Transparenz der Leistung folgen“, sagt Köhler.
Er erwartet, dass die neue Vorgabe und weitere Änderungen wie die größeren Informations- und Dokumentationspflichten der Vermittler dazu beitragen, dass sich der Lebensversicherungsmarkt im kommenden Jahr nicht erholen wird. Schon 2007 liefen die Geschäfte schlecht. „Wir haben in der Lebensversicherung im Neugeschäft in der Breite ein Problem“, sagt er.
Die Assekuranz rechnet in der Sparte mit rückläufigen Prämien. „Die Beitragseinnahmen der Lebensversicherer, Pensionskassen und Pensionsfonds werden nach unseren Hochrechnungen 2007 bei etwa 78,1 Mrd. Euro und damit geringfügig niedriger liegen als im Vorjahr“, erwartet Bernhard Schareck, Präsident des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Der Grund für den Rückgang ist der massive Einbruch des Neugeschäfts. Für 2008 prognostizieren die Volkswirte des GDV in der Lebensversicherung ein Beitragsplus von zwei Prozent. Maßgeblicher Grund dafür wird die vierte und letzte Erhöhung der sogenannten Riester-Stufe sein. Im kommenden Jahr steigen die Zulagen, die der Staat an Kunden zahlt, die einen Vertrag für die staatlich geförderte Altersvorsorge abgeschlossen haben. Diese Zulagen werden direkt auf die Konten der Versicherer gebucht und bilanziell wie Beitragseinnahmen betrachtet.
Mit dem prognostizierten Wachstum ist die Versicherungswirtschaft nicht zufrieden. „Gerade in der Altersvorsorge müsste es deutlich mehr sein“, sagt Schareck. Die Bereitschaft der Verbraucher, Rücklagen zu bilden, ist nach seiner Auffassung nicht das Problem. Vielmehr würden viele Menschen zu kurzfristig und nicht zweckgebunden fürs Alter sparen, sagt er. „Hier liegt für die Versicherer und ihre Vermittler, aber auch für die Politik und die Medien, eine wichtige fortwährende Aufklärungs- und Überzeugungsaufgabe.“ Doch auch die beste Überzeugungsarbeit bringt nichts, wenn das Problem woanders liegt. „Den Leuten fehlt das Geld“, sagt Köhler.
In der betrieblichen Altersversorgung schließen häufig nur 20 bis 30 Prozent der Beschäftigten eines Betriebs einen Vertrag ab. „Das sind in der Regel die Angestellten und die Besserverdienenden“, berichtet er. Viele Arbeiter und Beschäftigte mit geringerem Einkommen können eine Zusatzrente schlicht nicht finanzieren. Das gilt auch für Arbeitnehmer mit überdurchschnittlichen Einkünften. „Ein Familienvater mit 2000 Euro netto und zwei Kindern verdient nicht schlecht“, sagt Köhler. „Trotzdem können sich solche Leute oft keine zusätzliche Altersvorsorge leisten.“ Viele Kunden sehen sich vor der Alternative zwischen der Leasingrate für das Auto oder einer anderen Investition und einem Altersvorsorgevertrag. Dabei sei der Bedarf einer zusätzlichen Altersvorsorge für breite Bevölkerungsschichten unbestritten, sagt Köhler. Er glaubt deshalb auch an die Trendwende. Sie kommt, wenn sich das Problembewusstsein bei den Kunden entwickelt hat und wenn bei anhaltend guter Konjunktur die Löhne steigen, ist er überzeugt.
Zitat:
“ „Jetzt machen wir Ernst mit der Transparenz“ “ – Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) –
Bild(er):
„Zwei Nägel, die am Fasse stecken, fassen die Buben bei den Röcken. Da hilft kein Weinen und kein Schrein, sie müssen unters Fass hinein. Die bösen Buben von Korinth sind plattgewalzt, wie Kuchen sind. Diogenes der Weise aber kroch ins Fass und sprach: ,Jaja! Das kommt von das!'“ – akg-images/Sammlung Archiv für Kunst & Geschichte
Anja Krüger
Quelle: Financial Times Deutschland
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