Engagement der Assekuranzen lässt zu wünschen übrig
Von Friederike Krieger Der Zyklon, der Mitte November über Bangladesch hinwegfegte, hinterließ schwere Verwüstungen. Mehrere Tausend Menschen verloren ihr Leben. Der Wirbelsturm machte viele Dörfer an der Küste dem Erdboden gleich und zerstörte einen Großteil der Ernte.
„Arme Menschen in Entwicklungsländern leiden besonders unter den Auswirkungen des Klimawandels“, sagt Thomas Loster, Geschäftsführer der Münchener Rück Stiftung. Dies sei ungerecht. Nicht sie, sondern die Industrienationen mit ihrem hohen Ressourcenverbrauch nähmen den größten Einfluss auf das Weltklima. Zusammen mit dem katholischen Hilfswerk Misereor, dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und dem Institut für Gesellschaftspolitik an der Hochschule für Philosophie in München hat die Stiftung das Projekt „Klima und Gerechtigkeit“ ins Leben gerufen. Sie wollen den Zusammenhang von Klimawandel und Armut untersuchen und Handlungsoptionen aufzeigen.
„Wir steuern zu dem Projekt unser über Jahrzehnte angesammeltes Wissen über Naturkatastrophen bei“, erläutert Loster. Da die Münchener Rück Erstversicherern Schutz gegen Naturgewalten bietet, hat sie besonders gefährdete Regionen genau im Blick. Sie weiß, welche Schäden sich bisher ereignet haben, und kann abschätzen, was noch passieren könnte. Wer über so viel Wissen verfüge, stehe auch in der Verpflichtung, es zum Wohle der Allgemeinheit einzusetzen, sagt Loster.
Mit ihrem Engagement für den Klimaschutz liegen die Münchner voll im Trend. „Das Thema Klimawandel ist bei den Versicherern in den Vordergrund gerückt“, sagt Dietrich Wild, Versicherungsanalyst der Ratingagentur Oekom Research. Ansonsten habe sich aber nicht viel getan. Mit ihrem Einsatz für die Nachhaltigkeit bleibe die Assekuranz nach wie vor unter ihrer Möglichkeiten. „Die Versicherer könnten viel mehr Einfluss auf die Investitionsentscheidungen ihrer Kunden nehmen und sie zu größerer Verantwortung gegenüber Natur und Gesellschaft bewegen“, sagt er. So könnten sie sich weigern, Waffenhersteller abzusichern. Ohne Versicherungsschutz würden die Unternehmen nicht weit kommen.
Unattraktive Angebote
Zudem würden nur wenige Versicherer ihre Kapitalanlagen sozial- und umweltverträglich investieren. Auch die Transparenz bei der Vertragsgestaltung lasse zu wünschen übrig. „Ihre Produktverantwortung beweisen die Versicherer nur vereinzelt in Aktivitäten, wie den Mikroversicherungen in Entwicklungsländern“, erläutert Wild.
Doch auch die Policen, mit denen sich Arme zu günstigen Preisen zum Beispiel gegen Krankheit absichern können, seien oft nicht das Gelbe vom Ei, sagt Ralf Radermacher, der im indischen Delhi eine Mikroversicherungsakademie leitet. Bevor Versicherer dort auf dem regulären Markt Geschäfte machen können, müssen sie erst den Armen Versicherungen anbieten. Um das Risiko zu minimieren, entwickelten viele absichtlich nicht allzu attraktive Verträge. „Die Produkte sind in ihren Leistungen teilweise überaus begrenzt und bieten Kunden kaum einen Gegenwert für ihr Geld. Unzufriedenheit ist programmiert, und eine nachhaltige Entwicklung des Marktes findet nicht statt“, sagt er.
Versicherungen könnten den Menschen in Entwicklungsländern helfen, sich besser gegen Wetterextreme zu schützen, sagt Loster von der Münchener Rück. Denkbar wäre etwa eine Versicherung gegen Dürre für afrikanische Farmer. Wenn es im Frühjahr zu wenig regnet, erhalten sie eine Entschädigung. Das sei viel wirkungsvoller als internationale Nothilfe, die erst greift, wenn die Ernte bereits verdorben ist und die Menschen in die Armut abgerutscht sind. „Die Versicherer haben sich des Themas noch nicht richtig angenommen“, sagt Loster. „Es gibt zwar einzelne Projekte, doch das sind nur Tropfen auf den heißen Stein.“
Quelle: Financial Times Deutschland
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