China hat Deutschland als Exportweltmeister abgelöst. Das ist aber nicht nur von Nachteil. Die deutsche Wirtschaft profitiert von der gesteigerten Kaufkraft der Volksrepublik
VON Friederike Krieger Deutschland muss sich bald von einem seiner liebsten Titel verabschieden, dem des „Exportweltmeisters“. Nachdem sich die Bundesrepublik 2007 zum fünften Mal in Folge damit schmücken konnte, muss sie den begehrten Titel wahrscheinlich schon im kommenden Jahr an China abtreten. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) rechnet zwar damit, dass die deutschen Ausfuhren im Jahr 2008 die Grenze von 1000 Mrd. Euro knapp überschreiten werden. Das Reich der Mitte wird dann aber voraussichtlich schon bei 1122 Mrd. Euro angekommen sein. Die chinesischen Exporte wachsen mit rund 20 Prozent jährlich wesentlich stärker als die deutschen Ausfuhren.
Für die Außenhandelsexperten ist das kein Grund zur Sorge. „Die deutsche Wirtschaft profitiert davon, wenn andere Länder sich weiterentwickeln“, sagt André Schwarz vom Bundesverband des Deutschen Groß- und Außenhandels (BGA). Durch das kräftige chinesische Wirtschaftswachstum von rund zehn Prozent jährlich steigt die Kaufkraft der Menschen und damit auch die Nachfrage nach deutschen Exportgütern.
Die meisten Experten betrachten den Außenhandel als eine wichtige Konjunkturstütze für die deutsche Wirtschaft. „Ohne den Export hätten wir die Jahre 2002 bis 2005 nicht ohne Rezession überstanden“, sagt Schwarz. Laut Statistischem Bundesamt machte der Außenbeitrag – also die Differenz zwischen Exporten und Importen – im Jahr 2006 knapp 1,2 Prozent von den 2,9 Prozent Wachstum des Bruttoinlandsprodukts aus. Doch nicht alle Ökonomen halten den florierenden Außenhandel für einen Segen.
„Der Exportboom könnte eine Art Supernova sein, die dem Sterben des Sterns vorausgeht“, argumentiert Hans-Werner Sinn, Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung. Seiner Meinung nach verlassen immer mehr Unternehmen wegen der hohen Lohnkosten in Deutschland arbeitsintensive Branchen wie die Textilindustrie. Stattdessen setzen sie auf die kapitalintensiven Exportsektoren. Die Bundesrepublik werde so zu einer Handelsdrehscheibe. Vorprodukte stellen die Firmen nicht mehr in Deutschland her, sondern in Niedriglohnländern. Hierzulande werden die Teile nur noch endmontiert, mit einem Schild „Made in Germany“ versehen und teuer ins Ausland weiterverkauft. In diesem Basar hätten die deutschen Arbeitskräfte, die durch den Branchenwechsel der Firmen arbeitslos geworden sind, keinen Platz. Denn die Exportindustrie setze in der Fertigung mehr auf Roboter als auf Menschen. So bleiben sie ohne Arbeit und liegen dem Sozialstaat auf der Tasche. Das Wirtschaftswachstum erlahmt, während die Wertschöpfung im Export explodiert.
Alexander Lau vom DIHK sieht das anders. „Erfolgreiche auslandsaktive Unternehmen schaffen durch den Außenhandel und ihre internationalen Verflechtungen inzwischen erheblich mehr Arbeitsplätze in Deutschland, als sie einsparen“, sagt er. Gut ein Drittel der von Juli 2006 bis Juli 2007 neu geschaffenen Stellen in Deutschland, insgesamt rund 200 000, gehen auf das Konto von Firmen, die vom Export abhängen. Produktionsverlagerungen ins Ausland zulasten der inländischen Beschäftigung hätten an Bedeutung verloren. Der Nachholbedarf der Firmen bei den Auslandsinvestitionen sei inzwischen ausreichend abgedeckt. Schwarz vom BGA beobachtet, dass stattdessen mehr Inlandsinvestitionen getätigt werden. „Die Unternehmen weiten ihre Produktionskapazitäten aus, um die steigende Nachfrage nach deutschen Produkten auf den Auslandsmärkten bedienen zu können“, sagt er.
An die Rekordzuwächse aus 2006 wird der deutsche Außenhandel allerdings nicht anknüpfen können. Im vergangenen Jahr stieg der Export um rund 14 Prozent auf 896 Mrd. Euro. Der DIHK rechnet damit, dass die Ausfuhren 2007 um acht Prozent und 2008 nur um sieben Prozent zulegen werden. Schuld an der nachlassenden Exportdynamik sei das geringe Wachstum der Weltwirtschaft, sagt Heiko Schwiderowski vom DIHK. Während sie im Jahr 2006 noch um 5,4 Prozent zulegte, wächst sie 2007 nur um 4,5 Prozent.
Mitverantwortlich für den langsamen Takt der Weltkonjunktur ist die schwache US-Wirtschaft, die derzeit unter einer Krise auf dem Immobilienmarkt leidet. Wegen ihrer internationalen Verflechtungen lässt das auch den Rest der Welt nicht unberührt. Der Wert des Dollar fällt beständig und lässt den Euro gegenüber der US-Währung ansteigen. Das macht vor allem jenen Unternehmen zu schaffen, die in den USA besonders aktiv sind. Dazu gehören etwa die Automobil- und die Luftfahrtindustrie. Deren Exportgüter werden nun teurer und damit unattraktiver. Der DIHK rechnet damit, dass die deutschen Ausfuhren in die Vereinigten Staaten in diesem Jahr deshalb um zwei Prozent zurückgehen werden.
Der Schaden, den der schwache Dollar dem deutschen Außenhandel zufüge, halte sich aber in Grenzen, sagt Ernst Leiste von der Bundesagentur für Außenwirtschaft (BFAI). So sind die USA nach Frankreich zwar der zweitwichtigste Handelspartner Deutschlands, doch zwei Drittel der Exporte gehen nach wie vor in europäische Länder. Hier spielt der steigende Euro keine Rolle. „Selbst im Chinageschäft rechnen immer mehr deutsche Unternehmen in Euro ab“, sagt Leiste.
Unternehmen mit viel US-Handel könnten sich zudem mit Termingeschäften und Optionen gegen das Währungsrisiko absichern. „Auch die Produktpalette sorgt dafür, dass deutsche Firmen besser mit dem teuren Euro zurechtkommen“, sagt Schwarz vom BGA. Deutschland exportiert viele hochspezialisierte Maschinen. Für die Roboter könnten die Handelspartner nicht so schnell Ersatz finden, wenn sie teurer werden.
Zudem rücken neue Märkte ins Visier der deutschen Exporteure. Sie könnten das nachlassende US-Geschäft kompensieren. Als vielversprechende Zukunftsmärkte, auf denen sich ein Exportwachstum im zweistelligen Bereich erzielen lässt, gelten die sogenannten Bric-Länder, hinter denen sich Brasilien, Russland, Indien und China verbergen. Aber auch die osteuropäischen EU-Neulinge sind heiß begehrte Handelspartner. In einer aktuellen Umfrage des DIHK sprechen die befragten Exportunternehmen vor allem Rumänien die größte Dynamik bei der Geschäftsentwicklung zu. „Das Land lässt sich gut als Basis nutzen, um von dort aus das Südosteuropageschäft abzuwickeln“, erklärt Lau. Auch der Lebensstandard und die Kaufkraft steigen in Rumänien stetig. Die Ausfuhren in das Land wuchsen 2006 um rund 35 Prozent.
Zitat:
“ „Wir profitieren, wenn andere Länder sich entwickeln“ “ – André Schwarz, BGA –
Bild(er):
Hafen Hamburg: Am Containerterminal Waltershof liegt ein Schiff der Niederelbe Schiffahrtsgesellschaft, das im Auftrag einer asiatischen Spedition ständig zwischen deutschen und chinesischen Häfen pendelt – Visum/Marc Steinmetz
Quelle: Financial Times Deutschland
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