Das Versicherungsvertragsgesetz läutet für die Assekuranz eine neue Ära ein. Die FTD geht in einer losen Folge der Frage nach, was die geänderten Spielregeln für Kunden bedeuten. So werden Lebensversicherte künftig stärker an den Gewinnen beteiligt und erhalten mehr Geld nach einer frühen Kündigung
VON Anja Krüger V ersicherer und Vermittler lieben sie, weil sie gut daran verdienen, Verbraucherschützer hielten sie lange wegen hoher Kosten für Teufelszeug: die Kapitallebensversicherung. Sie war früher das populärste Instrument der Deutschen für den Vermögensaufbau. Das ist vorbei, stattdessen setzen immer mehr Verbraucher auf eine neue Variante. Die funktioniert im Prinzip genauso wie eine herkömmliche Kapitallebensversicherung. Bei der klassischen Lebens- und Rentenversicherung schreibt der Anbieter dem Kunden jedes Jahr auf den Sparanteil der Prämie eine Verzinsung gut, die jährlich neu festgelegt wird. Sie besteht aus dem Garantiezins, der für die gesamte Vertragsdauer festgelegt ist, plus einer Beteiligung an den aktuellen Kapitalerträgen. Bei einer fondsgebundenen Lebens- oder Rentenversicherung gewährt der Anbieter in der Regel keine Mindestverzinsung, oder er verlangt dafür einen Aufpreis. Dafür sind die Renditechancen bei diesen Verträgen größer.
Mit der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) hat die Bundesregierung die Rechte der Kunden von Lebens- und Rentenversicherungen erheblich gestärkt.Der wichtigste Punkt der Reform: Seit dem 1. Januar müssen Versicherer bei der Ermittlung der Gewinnbeteiligung für Kunden die sogenannten stillen Reserven berücksichtigen – auch bei vorher abgeschlossenen Verträgen. Stille Reserven sind die Differenz zwischen dem Einkaufswert etwa von Aktien und dem Marktwert. „Die Versicherer müssen die stillen Reserven jährlich neu ermitteln und 50 Prozent den Kunden rechnerisch zuordnen“, erklärt Hans-Ludger Sandkühler vom Institut der Versicherungsmakler. Kunden bekommen ihren Anteil gutgeschrieben. „Es gab Versicherer, die in der Vergangenheit stille Reserven zeitnah ausgeschüttet haben und deshalb eine hohe Überschussbeteiligung hatten“, sagt Sandkühler. Für Kunden dieser Anbieter ändert sich wenig. Andere Gesellschaften haben ihre stillen Reserven gehortet. „Deren Kunden können damit rechnen, mehr zu bekommen.“
Kunden, die ihren Vertrag in den ersten Jahren nach Abschluss kündigten, haben bislang kaum etwas von den gezahlten Beiträgen wiedergesehen. Denn die Versicherer zahlten mit den ersten Prämien die Provision des Vermittlers. Diese Vergütungen liegen bei vier oder mehr Prozent der gesamten vom Kunden zu zahlenden Beiträge. Das sind bei lang laufenden Policen mehrere Tausend Euro. Die Versicherer müssen jetzt die Abschlusskosten auf fünf Jahre strecken. Außerdem gibt es nun klare gesetzliche Vorgaben, wie berechnet wird, was der Kunde nach früher Kündigung bekommt.
Der Gesetzgeber hat den Anbietern eine Fülle von Beratungs- und Informationspflichten auferlegt. Viele davon treten erst am 1. Juli in Kraft. Versicherer müssen unter anderem in Euro und Cent angeben, welche Kosten sie in die Prämie einrechnen. Die Versicherer sehen darin einen Wettbewerbsnachteil, weil Anbieter von Fonds und Sparplänen keine Euro-Angaben machen müssen. Auch Verbraucherschützer sehen dieses Ungleichgewicht. „Kunden können Versicherungen nicht mit anderen Anlageformen wie Fonds vergleichen“, kritisiert Lilo Blunck vom Bund der Versicherten. Die Verbraucherschützer fordern, dass Anbieter vor Vertragsabschluss zeigen müssen, welche Anteile der Prämie sie in den Vermögensaufbau für den Kunden stecken und wie viel sie für Kosten abziehen. Der für die Assekuranz tätige Kölner Versicherungsrechtler Theo Langheid hält diese Forderung für überzogen. „Schließlich handelt es sich um Geschäftsgeheimnisse“, sagt er.
Die Darstellung der Kosten in Euro und Cent kann Kunden auch in die Irre führen, warnt Blunck. „Es besteht die Gefahr, dass Verbraucher weniger auf die eigentliche Versicherung schauen und nur die Kosten im Blick haben“, sagt sie.
Um ihre Informationspflichten zu erfüllen, müssen die Versicherer den Kunden eine Unmenge an Material zu Verfügung stellen. „Es gibt Bücher mit mehr als 70 Seiten“, berichtet Sandkühler. „Der Kunde wird erschlagen von so viel Information“, fürchtet er. Das sieht auch Anwalt Langheid so: „Das ist ein Informations-Overkill.“
Makler Sandkühler rät Verbrauchern, auf jeden Fall das neu eingeführte Produktinformationsblatt gut durchzuarbeiten. „Da sind alle wichtigen Informationen zusammengefasst“, sagt er. Stößt der Kunde hier auf Widersprüche oder Aspekte, die er nicht versteht, sollte er sie unbedingt mit seinem Vermittler klären.
Bild(er):
Vom Kinderstuhl über die Schulbank bis in den Schaukelstuhl: Lebensversicherungen sind Begleiter meist über viele Jahrzehnte, sie gehören zu den beliebtesten Altersvorsorgeprodukten – Alamy; Thomas Willemsen; www.stillsonline.de ; Peter Bischoff
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Berufsunfähigkeitsversicherung
Quelle: Financial Times Deutschland
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