Österreicher erobern Osteuropa

Wiener Städtische Versicherung und Erste Bank gehen zusammen und stoßen Allianz vom Thron

Von Christian Höller, Wien, und Herbert Fromme, Berlin Die Wiener Städtische Versicherung und die Erste Bank, die beiden größten Finanzinstitute Österreichs, rücken näher zusammen. Beide Institute gaben gestern die Bildung einer strategischen Partnerschaft bekannt. Dazu wird die Erste Bank ihr Versicherungsgeschäft in Österreich und Osteuropa für 1,44 Mrd. Euro an die Wiener Städtische verkaufen. Begleitend dazu haben beide Institute ein Vertriebsabkommen auf 15 Jahre geschlossen.

Mit der Übernahme wird die Versicherungsbranche in Osteuropa neu geordnet. Die Wiener Städtische Versicherung steigt in der Region mit einem Marktanteil von 14 Prozent zum Marktführer auf. Die deutsche Allianz kommt laut Angaben der Österreicher in der Region auf 12,8 Prozent und die italienische Generali auf 11,3 Prozent. In Österreich wird die Städtische mit einem Marktanteil von 24 Prozent ebenfalls Nummer eins.

Laut Versicherungschef Günter Geyer ergänzen sich Erste Bank und Wiener Städtische perfekt, da sie in denselben Märkten vertreten sind. Zunächst sollen im Verbund die Kernmärkte Österreich, Tschechien, Ungarn, Slowakei, Rumänien und Kroatien angegangen werden. Später soll die Kooperation auf andere Länder ausgedehnt werden.

Die Erste Bank ist in Osteuropa nach aggressiven Übernahmen mit 20 Millionen Kunden zur zweitgrößten Bank aufgestiegen. „Unser Ziel ist es, dass jeder zweite Kunde der Erste Bank auch Kunde der Wiener Städtischen wird“, sagte Geyer.

Zur Finanzierung der Übernahme wird die Wiener Städtische Versicherung voraussichtlich im ersten Halbjahr eine Hybridanleihe von rund 300 Mio. Euro auflegen. Zusätzlich ist eine Kapitalerhöhung von rund 1 Mrd. Euro geplant. Der Hauptaktionär der Wiener Städtischen Versicherung, ein Versicherungsverein, wird bei der Kapitalerhöhung mitziehen und somit weiterhin rund 70 Prozent halten. Geyer sagte, er gehe davon aus, dass es seinem Konzern gelingen werde, trotz des schwierigen Marktumfelds die Kapitalerhöhung zu platzieren. Weitere Details nannte er nicht.

Von der Übernahme profitiert auch die Ergo-Versicherung, zu der die Marken DAS, DKV, Hamburg-Mannheimer, Victoria und KarstadtQuelle-Versicherungen gehören. Geyer kündigte nämlich an, im Laufe dieses Jahres aus kartellrechtlichen Gründen die Mehrheit an der Bank-Austria Versicherung, eine der führenden Bankversicherungen Österreichs, an Ergo zu verkaufen. Geyer sagte, die Städtische wolle aber weiterhin mit zehn Prozent an der Bank-Austria Versicherung beteiligt bleiben.

Die Ergo nahm dazu nicht Stellung. In Konzernkreisen hieß es dagegen, die Übernahme der Bank-Austria Versicherung sei beschlossen. Im März 2007 hatte Ergo als Aktionär der damaligen Union Versicherung einer Fusion mit der Bank-Austria Versicherung unter Führung der Wiener Städtischen zugestimmt. Als Teil des Deals vereinbarten die beiden Seiten vor einem Jahr, „in einigen Jahren eine Veränderung der Mehrheitsverhältnisse zugunsten der Ergo zu ermöglichen“. Dieser Zeitpunkt ist jetzt eher gekommen als damals gedacht. Zudem wird sich die Wiener Städtische aus kartellrechtlichen Gründen in Rumänien von der Unita-Versicherung und in Österreich vom 31,5-Prozent-Anteil an der Wüstenrot-Versicherung trennen.

Experten gehen davon aus, dass die Wiener Städtische durch sämtliche Beteiligungsverkäufe 300 bis 400 Mio. Euro erlösen wird. Peter Szopo, Analyst bei Sal. Oppenheim, bewertete die Übernahme für die Wiener Städtische langfristig als strategisch positiv.

Laut Unicredit-Analyst Paul Wessely sei es sinnvoll, dass sich die Erste Bank auf ihr Kerngeschäft konzentriere. Ob sich mit der Annäherung eine Hochzeit zwischen Städtischer und Erster Bank anbahnt, müsse sich noch zeigen. „In jedem Fall werden beide Unternehmen enger zusammenrücken, um Synergieeffekte zu nutzen.“

Die Erste Bank gilt in Österreich seit Längerem als Übernahmekandidat. Vor allem wegen des profitablen Osteuropageschäfts weckt die Erste Bank Begehrlichkeiten bei Private-Equity-Gesellschaften und Rivalen. Merrill Lynch führte das Institut im Vorjahr unter den ersten fünf auf einer Liste mit Übernahmekandidaten in Europa. Auch die Analysten von Société Générale haben die Erste Bank als mögliches Übernahmeziel ausgemacht. Finanzkreise vermuten, dass die Wiener Städtische im Falle einer feindlichen Übernahme als Weißer Ritter einspringen wird.

Zitat:

„Unser Ziel ist es, dass jeder zweite Kunde derErste Bank auch Kunde der Wiener Städtischen wird“ – Wiener-Städtische-Manager Günter Geyer –

Bild(er):

Versicherungschef Günter Geyer verkündet einen Bruttogewinn von 437 Mio. Euro – AP/Ronald Zak

Quelle: Financial Times Deutschland

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