Firmen greifen zunehmend auf Angebote der Kautionsversicherer zurück, um unabhängiger von den Banken zu werden
Die einen gewähren Bürgschaften oder Garantien für die Errichtung des Einfamilienhauses in Fürstenfeldbruck oder Lüneburg, die anderen für den U-Bahnbau in Sao Paulo oder die Produktionsanlage im indischen Bangalore. Kautionsversicherer übernehmen für Firmen Garantien, die deren Kunden verlangen. Bürgschaften in Höhe von wenigen Tausend Euro für Arbeiten am Reihenhaus sind Massenware, die Firmen im Internet bestellen können. Bei Großprojekten dagegen schaut der Kautionsversicherer sehr genau hin, hier geht es um mehrere Millionen Euro.
Früher war das Bürgschaftsgeschäft fest in den Händen der Banken. Doch immer mehr Unternehmen greifen als Alternative zur Bankbürgschaft zur Kautionsversicherung. „Der Trend geht in Richtung Wachstum“, sagt Rita Jakli vom Wiesbadener Versicherer R+V. Die Hannoveraner VHV erwartet ein Wachstum ihres Kautionsgeschäfts von zehn Prozent. Die gute Konjunktur beflügelt die Nachfrage. „Der Absicherungsbedarf von Unternehmen nimmt zu“, sagt Carsten Bodendiek von Coface.
In der Bauwirtschaft und im Anlagen- und Maschinenbau haben Garantien und Bürgschaften eine große Bedeutung. Die Firmen sichern damit Anzahlungen oder Ansprüche ab, die ihre Kunden wegen Mängeln nach der Fertigstellung etwa eines Gebäudes an sie stellen. Damit der Bauherr den Schaden auch dann auf Kosten des Bauunternehmers beheben kann, wenn der innerhalb der gesetzlichen Garantiezeit pleitegegangen ist, kann er einen Teil der Rechnungssumme bis zum Ende der Frist nach vier bis fünf Jahren einbehalten. Das kostet die Baufirmen Liquidität. Damit sie die volle Rechnungssumme erhalten, schließen sie einen Bürgschaftsvertrag ab. Öffentliche Bauherren bestehen vor der Auftragsvergabe generell auf einer Bürgschaft. Können Bauunternehmen keine vorweisen, sind sie aus dem Rennen. „Auch immer mehr private Bauherren verlangen eine Bürgschaft“, berichtet Thomas Voigt, Vorstand beim Hannoveraner Versicherer VHV.
Die VHV übernimmt vor allem kleine Bürgschaften bis 10 000 Euro. Sie ist auf das Massengeschäft ausgerichtet und hat sich auf das automatisierte Erstellen von Bürgschaftsurkunden spezialisiert. Firmen können bei der Gesellschaft über das Internet Bürgschaftsaufträge erteilen. Zweimal täglich werden die Bürgschaftsurkunden ausgedruckt und verschickt. „77 Prozent der Urkunden gehen über diesen Weg“, sagt Voigt.
Traditionell stark im Bürgschaftsgeschäft sind die Banken. Ihr Marktanteil beträgt mehr als 80 Prozent. Doch die Versicherer holen auf. „Die Unternehmen werden in Finanzierungsfragen immer cleverer“, sagt Voigt. Firmen nutzen die Kautionsversicherung zunehmend als Finanzierungsinstrument. „Auf diesem Weg versorgen wir unsere Kunden mit Liquidität“, sagt Voigt. Banken müssen eine Bürgschaft bilanztechnisch wie einen Kredit behandeln. Gewähren sie einem Unternehmen eine Kreditlinie von 10 Mio. Euro, rechnen sie alle gewährten Bürgschaften darauf an. Das engt den Spielraum der Firmen ein. Immer mehr wechseln deshalb zu einem Versicherer, weiß auch Werner Merkel, Leiter des Bereichs Garantie und Kaution der DBV-Winterthur, die zum Axa Konzern gehört. „Die Unternehmen können sich mit einer Kautionsversicherung aus der Umklammerung der Banken befreien.“ Die Assekuranz kann Schäden besser als die Banken abfedern, weil sie einen Teil der Risiken an Rückversicherer weitergibt. „So einen Stoßdämpfer haben die Banken nicht“, sagt Merkel.
Auch für Versicherungsmakler werden die Bürgschaften der Assekuranz immer interessanter. „Die Kautionsversicherung ist für Makler ein Türöffner“, sagt Voigt. Damit können die Vermittler den Firmen ein Finanzinstrument anbieten. Diese Beobachtung hat auch Bodendiek gemacht. „Makler können Unternehmen leichter für ein Gespräch gewinnen, wenn sie nach deren Finanzierungsrahmen fragen“, sagt er.
Die Allianz-Tochter Euler Hermes ist auf Großprojekte spezialisiert. Auch Euler Hermes rechnet mit steigender Nachfrage im Bürgschaftsgeschäft, unter anderem wegen der aktuellen Finanzkrise. „Das Risikobewusstsein bei Unternehmen nimmt zu“, sagt Vorstandsmitglied Jochen Dümler. „Das ist positiv für das Wachstum.“ Durch die Finanzkrise steigen aber auch die Risiken für Unternehmen und damit für die Versicherer. „Wir erwarten, dass die Preise steigen werden“, sagt Dümler. Unternehmen müssten aber nicht zwangsläufig mit höheren Kosten für Bürgschaften rechnen. Der Versicherer prüft bei jedem Projekt die Finanzstärke des Kunden. „Wir entscheiden das sehr individuell“, sagt er. „Bonität wird belohnt.“
Anja Krüger
Quelle: Financial Times Deutschland
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