Naturkatastrophen, Pandemien, Terrorismus – auch Staaten benötigen einumfassendes Risikomanagement. Bei vielenbesteht noch großer Nachholbedarf
Von Friederike Krieger E r hat die Gesamtsituation im Blick, weiß, welche Risiken von welchen Seiten drohen, und kennt Mittel und Wege, wie man Gefahren vermeiden kann. Einen Chief Risk Officer, bei dem alle Fäden des Risikomanagements zusammenlaufen, beschäftigt inzwischen jedes große Unternehmen.
Auch der öffentliche Sektor täte gut daran, sich eine solche zentrale Instanz zuzulegen, glaubt Ivo Menzinger vom Rückversicherer Swiss Re. „Die Unterschiede zwischen einem Land und einem Unternehmen sind gar nicht so groß, wenn es um den Bedarf an Risikomanagement geht“, sagt Menzinger. Auch Länder sehen sich einer immer komplexer werdenden Gefahrenlage gegenüber. Naturkatastrophen, Pandemien und Terrorismus bedrohen Leben und Besitz der Bevölkerung sowie öffentliche Infrastrukturen. Hinzu kommen noch fiskalische Risiken, beispielsweise Finanzierungsprobleme der Altersvorsorgesysteme. Zugleich sind nur limitierte Ressourcen zur Risikovermeidung vorhanden, das heißt, der öffentliche Sektor muss die verschiedenen Gefahren gegenüberstellen und eine Auswahl treffen.
„Den Schritt zu einer umfassenden Risikoanalyse gehen viele Länder noch nicht“, erklärt Menzinger. Oft kochen die unterschiedlichen Behörden ihr eigenes Risikomanagement-Süppchen. Welche Gefahren Priorität haben, entscheidet die Regierung häufig auf Basis der Risikowahrnehmung der Bevölkerung. Die muss aber nicht unbedingt mit den wissenschaftlichen Fakten übereinstimmen. So werden nach einer Überschwemmung schnell Forderungen nach besseren Schutzmaßnahmen wie einer Verstärkung der Dämme laut. Dass in Europa jährlich rund 40 000 Menschen im Straßenverkehr sterben, interessiert dagegen kaum jemanden.
„Es gibt heutzutage keinen Konsens über die Bedrohungslage“, kritisiert Gerold Reichenbach, SPD-Bundestagsabgeordneter und Berichterstatter seiner Partei für Bevölkerungsschutz und Öffentliche Sicherheit im Innenausschuss des Bundestags. Um das zu ändern, hat Reichenbach vor rund einem Jahr zusammen mit seinen Kollegen aus CDU, FDP und von den Grünen das „Zukunftsforum Öffentliche Sicherheit“ ins Leben gerufen. Gemeinsam mit rund 50 Fachleuten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Verwaltung und Hilfsorganisationen versuchen die Politiker, die grundlegenden Risiken für die deutsche Bevölkerung zu identifizieren. Ein längst überfälliges Projekt, glaubt Reichenbach. Schon 2002 hatte die Innenministerkonferenz beschlossen, dass die Bundesländer Risikobewertungen anfertigen und später zu einem Ganzen zusammenfügen sollen. Die meisten Länder haben ihre Hausaufgaben bis heute nicht erledigt. Manche wollten sich nicht in die Karten schauen lassen, anderen fehlten schlicht die nötigen Daten, sagt er.
Das Ausland ist schon weiter. Die Schweiz hat 2003 eine umfassende Risikoanalyse ihres Lands angefertigt. Allerdings blieb es bei einer Einmalübung, fortgeschrieben haben die Eidgenossen die Untersuchung nicht. In Großbritannien gibt es dagegen ein „Civil Contingencies Secretariat“, das Risiken überwacht, Handlungsbedarf aufzeigt und im Krisenfall die Koordination übernimmt. „Das Interesse an einem umfassenden Risikomanagementansatz nimmt zu“, sagt Menzinger von der Swiss Re. Zudem steige der Bedarf an finanzieller Absicherung. Zu den Kunden des Rückversicherers zählt auch der Naturkatastrophenfonds der mexikanischen Regierung, für den die Swiss Re eine Deckung gegen Erdbebenschäden organisiert hat.
Zitat:
“ „Es gibt keinen Konsens über die Bedrohung“ “ – Gerold Reichenbach, SPD –
Quelle: Financial Times Deutschland
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