Der Verkauf von Postbank und Dresdner Bank geht in die entscheidende Phase.Vor allem die Commerzbank will eineDreierfusion, doch sie stößt mit ihrem Plan auf Widerstand: Politiker,Gewerkschafter und Josef Ackermann -alle reden bei diesem Deal mit
Von Christine Mai, Sven Clausen, Tim Bartz, Frankfurt, und Ulf Brychcy, Berlin Um kurz vor sieben, eine halbe Stunde zu spät, fährt Klaus-Peter Müller an diesem Juniabend vor dem Berliner Hotel Intercontinental vor. Drinnen hat sich die wirtschaftspolitische Prominenz der CDU versammelt, der Wirtschaftsrat. Die Kanzlerin hat gesprochen und der Chef der Europäischen Kommission. Es war ein langer Tag. Doch der Höhepunkt des Jahrestreffens steht noch aus – der Auftritt des Ehrengastes.
Müller rauscht durch den Ballsaal direkt aufs Podium, Kurt Lauk, der Präsident des Wirtschaftsrats tritt ans Mikrofon. Die Vorstellung ist eine einzige Huldigung: Professor Dr. h.c. Klaus-Peter Müller, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Commerzbank, Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, ein Manager voller „moralischer Vorbildhaftigkeit“, jetzt auch Chef der Corporate-Governance-Kommission, für die er „wie geschaffen“ ist, „ein deutscher Unternehmer europäischer Güte“. Lauk holt Luft. „Lieber Klaus-Peter“, sagt er und verleiht dem 63-Jährigen das höchste, was der Wirtschaftsrat zu verleihen hat: Die „Gedenkmünze Ludwig Erhard“ in Gold. Beifall.
Spätestens nach diesem Abend ist klar: Es gibt kaum einen Topmanager, der im politischen Berlin höher angesehen ist als Müller. Für die Commerzbank ist das von unschätzbarem Wert. Denn der Aufsichtsratschef und sein Vorstandssprecher Martin Blessing haben Großes vor. Sie wollen neben der Deutschen Bank einen zweiten großen Finanzkonzern schmieden, mit rund 84 000 Beschäftigten, 26 Millionen Privatkunden und 2570 Filialen.
Die Chance dazu bietet ihnen eine Konstellation, wie sie günstiger noch niemals war: Die Allianz will ihre Dresdner Bank verkaufen, die Deutsche Post ihren Mehrheitsanteil an der Postbank. Millionen deutscher Privatkunden werden neu verteilt. Die Commerzbanker wollen das zum ganz großen Schlag nutzen: Ihr Haus soll mit der Dresdner Bank verschmelzen, dann wollen sie die Postbank dazunehmen – und am Ende das Sagen haben. „Eine solche Konstellation wird es voraussichtlich auf Jahre hinaus nicht mehr geben“, sagt Eckart Windhagen, oberster Bankenexperte der Unternehmensberatung McKinsey in Deutschland.
Doch so reizvoll das Projekt für die Spitzenmanager auch sein mag. Die Ausgangslage hat auch in ihrer Komplexität historisches Format: Denn bei der Frage, wie die Zukunft der deutschen Bankenbranche aussieht, mischt ein Großaufgebot mächtiger Akteure mit. Die Bundeskanzlerin und der Bundesfinanzminister, die Deutsche Post, die einflussreiche Großgewerkschaft Verdi, die deutsche Hochfinanz, die besten und höchstbezahlten Berater der Republik und einige internationale Geldkonzerne, die auf den lukrativen Einstieg in den deutschen Bankenmarkt hoffen. „Leider“, sagt der Vorstandschef eines der beteiligten Unternehmen, „haben nicht alle die gleiche Zielfunktion.“
Die Politik
Jens Weidmann und Jörg Asmussen ticken ähnlich. Das war schon an der Uni Bonn so, wo die beiden VWL studierten. Jetzt, rund 15 Jahre später, sind sie die Stars der deutschen Spitzenbürokratie – und müssen über die Zukunft der Postbank entscheiden. Weidmann ist als Wirtschaftsberater von Angela Merkel das ordnungspolitische Gewissen der Kanzlerin. Und Asmussen, seit heute Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, gilt als einflussreichster Ratgeber von Minister Peer Steinbrück, wenn es um den Finanzplatz Deutschland geht.
Die Politik hat gleich einen doppelten Hebel: Über die Staatsbank KfW ist Berlin mit gut 30 Prozent Haupteigentümer der Deutschen Post, die 50 Prozent plus eine Aktie an der Postbank hält. Zudem hat sich der Bund beim Börsengang des Instituts bis Ende 2008 zusichern lassen, dass er bei jedem weiteren Verkauf von Postbank-Aktien durch die Deutsche Post mitreden darf.
Es kommt also auf das Votum der beiden Beamten an, wenn das Schaulaufen um die Postbank beginnt. „Die beiden neigen wohl einer marktnahen Lösung zu“, sagt einer, der mit den beiden regelmäßig zusammenarbeitet. Im Klartext heißt das: Wer den höchsten Preis bietet, sollte den Zuschlag erhalten.
Für die Commerzbank kein besonders attraktives Szenario. Sie hat beim Kaufpreis deutlich weniger Spielraum als die Deutsche Bank oder große ausländische Institute wie Santander aus Spanien. Deshalb sind Müller und seine Helfer in der Hauptstadt unterwegs, um für eine „deutsche Lösung“ zu werben: Die hohen Renditeerwartungen der Ausländer seien nur durch einen massiver Stellenabbau zu erreichen.
Der Verkauf der Postbank ist für die Regierung ein höchst brisantes Vorhaben. Im nächsten Jahr ist Bundestagswahl. Wenn sich Merkel und Steinbrück im Dreieck von Konsolidierung, Arbeitsplatzabbau und möglicher Sonderausschüttung durch den Postbank-Verkauf falsch positionieren, wird der politische Gegner das als Vorlage nutzen. „Das Thema hat beim Finanzminister eine sehr hohe Priorität“, sagt ein enger Mitarbeiter Steinbrücks.
Außer von Asmussen lässt sich Steinbrück von seinem Staatssekretär Werner Gatzer beraten, der für den Bund im Post-Aufsichtsrat sitzt, sowie von Henry Cordes, der die für Privatisierungen zuständige Abteilung VIII im Ministerium leitet. Wie der Minister entscheidet, ist unsicher. Die Kanzlerin, heißt es bei Lobbyisten, neige einer Lösung zu, bei der Commerzbank, Dresdner Bank und Postbank in einer Dreier-Konstellation vereint werden.
Für die Banker, die das Terrain sondieren, eine unerquickliche Situation: „Der Berliner Position sollte man nicht zu früh vertrauen“, sagt die Spitzenkraft eines beteiligten Konzerns. „Die ändert sich schnell.“
Die Dealmaker
Für Paul Achleitner geht es um die Ehre – und wenn es schlecht läuft, auch um seinen Job. Als Deutschlandchef der US-Investmentbank Goldman Sachs schob er den Verkauf der Dresdner Bank an die Allianz mit an. Als Finanzvorstand der Allianz lichtete er später das beispiellose Dickicht von Industriebeteiligungen. Milliardenschwere Aktienpakete wickelte er mit viel Geschick ab – und kräftigem Gewinn für den Konzern. Der Dresdner-Deal ist jedoch ein Fehlgriff. Beim Kauf 2001 war das Institut noch 24 Mrd. Euro wert, heute steht es mit der Hälfte in den Büchern der Allianz. Konzernboss Diekmann und Controlling-Chef Helmut Perlet sind es leid, unzufriedene Investoren zu vertrösten. Das Firmen- und Privatkundengeschäft der Finanztochter läuft zwar sehr gut, die Investmentbank Dresdner Kleinwort allerdings belastet die Zahlen. Anfang des Jahres entschied Diekmann: Die Bank muss weg.
Dass diese Entscheidung am Ende auch mit dem Postbank-Verkauf zusammenhängt, liegt vor allem an Achleitner. „Paul will einen komplexen Deal. Der muss so kompliziert sein, dass ihn am besten niemand versteht und er den Wirtschaftsnobelpreis gewinnt“, sagt einer, der viel mit ihm zusammenarbeitet. Als Architekt der deutschen Bankenkonsolidierung in die Geschichtsbücher einzugehen – es wäre die Krönung seiner Karriere.
Nur gibt es da eben noch ein gewaltiges Problem mit den Zahlen. Von den 12 Mrd. Euro Buchwert gelten im Markt höchstens 10 Mrd. Euro als realisierbar. Für den Österreicher, der lange die schützende Hand über die Dresdner gehalten hat, eine brandgefährliche Situation: „Wenn Achleitner Milliarden abschreiben muss, wird es schwer für Diekmann, ihn zu halten“, prophezeit einer aus der Führung des Dax-Konzerns.
Eine Paketlösung mit Postbank und Commerzbank käme dem Manager zupass. Sein Kalkül: Im Rahmen eines großangelegten Aktientauschs würde sich der rapide Wertverlust der Dresdner-Bank-Aktien nicht in den Büchern niederschlagen. Die Commerzbank würde die Allianz-Tochter übernehmen und mit eigenen Aktien bezahlen. Im zweiten Schritt würde sie die Postbank kaufen – und die Allianz indirekt zum Miteigner machen.
Für Achleitner hätte sich das Bewertungsproblem fürs erste gelöst. Der Commerzbank-Spitze wäre eine solche Lösung ebenfalls recht. Könnte sie doch mit einem Schlag zur Nummer eins der Branche aufschließen: der Deutschen Bank.
Bereits seit Monaten rechnen und tüfteln die Beteiligten. Die Post lässt sich von Morgan Stanley beraten, die Postbank von UBS, Allianz von Goldman Sachs, die Commerzbank von JP Morgan und Credit Suisse. Im Sommer müsse es eine Entscheidung geben, fordert die Spitzenkraft eines Beteiligten. „Es wird nicht besser, je länger es sich hinzieht.“
Die Commerzbank-Aktionäre sind schon jetzt nervös. Die Abwicklung des Megadeals wäre nur durch Ausgabe neuer Aktien zu finanzieren. Davon aber wollen die Eigner nichts wissen: Auf der Hauptversammlung im Mai schmetterten sie den Antrag auf Erweiterung der möglichen Kapitalerhöhung ab.
Die Finanzierungsnöte der potenziellen Käufer machen mittlerweile auch den Postbank-Verkäufern Sorgen. Bei der Deutschen Post befürchtet man, dass der Börsenwert von gut 9 Mrd. Euro einem zügigen Verkauf entgegensteht. „Das hat denen ausgerechnet der Zumwinkel eingebrockt“, sagt ein Beteiligter. Der unehrenhaft ausgeschiedene Post-Chef hatte im Herbst die Übernahmediskussion öffentlich angeschoben. Der Kurs der Postbank-Aktie kletterte daraufhin von 44 Euro auf zeitweise über 66 Euro. Öffentlich versuchen alle Beteiligten nun, den Kurs herunterzureden.
Doch egal, wie hoch der Kaufpreis am Ende ist – unklar bleibt, wie Blessing und Müller die Aktionäre davon überzeugen wollen, dass ihnen die Integration gelingt. „Das ist nicht schwieriger als ein Zweier-Thema“, redet ein hochrangiger Manager die Herausforderung klein. „Die Transaktionsphase wird schwierig werden, nicht die Integrationsphase.“ Dresdner Bank und Commerzbank könnten zusammengelegt werden, die Marke der Allianz-Tochter könnte wegfallen, ein Teil der Beschäftigten zur Postbank wechseln, so das Szenario. Jobs würden hauptsächlich in Bereichen wie Abwicklung, Zahlungsverkehr oder Rechenzentrum gestrichen.
Doch so eifrig in Frankfurt und München, Bonn und Berlin auch für die große Lösung geworben wird – Skepsis bleibt. Deutschlands Topbanker können auf kein einziges Beispiel einer erfolgreichen Fusion zweier Großinstitute verweisen. „Es fehlt die Erfahrung mit solch komplexen Transaktionen“, sagt Michael Junker, Experte für Finanzdienstleistungen bei der Beratungsfirma Accenture. Und: „Eine Dreier-Fusion ist ungleich komplexer als ein Zusammenschluss von zwei Partnern.“ Auf Jahre hinaus wäre die Führung der neuen Superbank mit sich selbst beschäftigt.
Eine gute Chance für die Deutsche Bank, in dieser Zeit auf Kundenfang zu gehen.
Der Kontrahent
Etwas mehr als vier Jahre ist es her, da ließ der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder Josef Ackermann aus einer Aufsichtsratssitzung von Siemens bitten – um ihm am Telefon die Postbank anzudienen. Der Chef der Deutschen Bank zögerte. Post-Vorstand Klaus Zumwinkel forderte viel Geld und eine weitreichende Selbstständigkeit des Instituts unter dem Deutsche-Bank-Dach. Schließlich winkte Ackermann ab, auch wegen des Widerstands seiner eigenen Investmentbanker. Statt dessen ließ er seine Bank den Börsengang der Post-Tochter organisieren.
Auch im Sommer 2008 ist das Interesse der Deutschen Bank an der Postbank nicht allzu groß. Zwar ist die Bank im Rennen um Deutschlands größtes Einzelinstitut im Privatkundensegment. Ackermann hat das Ziel ausgegeben, die stabilen Geschäftsbereiche auszubauen, um das zyklische Investmentgeschäft abzufedern. Auch die Aussicht, auf Platz zwei im heimischen Bankenmarkt zurückzufallen, lässt den Schweizer alle Optionen offenhalten.
Doch die Rücksichtnahme auf politische Befindlichkeiten schreckt die Frankfurter. Deutlich besser würde ihnen das Privatkundengeschäft der Dresdner Bank gefallen. Die Kundenstruktur ähnelt der eigenen, es locken erhebliche Kostensynergien. Das Finanzpolster wäre sogar dick genug, um die Allianz in bar auszuzahlen.
Noch lieber wäre es dem Branchenprimus jedoch, die Citibank zu übernehmen. Das deutsche Privatkundengeschäft der US-Großbank Citigroup wäre leichter zu integrieren als die deutschen Wettbewerber. Und bei den Verhandlungen ginge es nur um den Preis – nicht um Politik.
Die Quertreiber
Andrea Kocsis sitzt in ihrem Eckbüro in der Verdi-Zentrale, mit Blick auf die Spree und den Berliner Ostbahnhof. „Die Situation ändert sich“, sagt sie. Dann hält die stellvertretende Vorsitzende des Verdi-Bundesvorstandes kurz inne und schiebt hinterher: „Aber das verändert nicht unsere Position.“ Und die ist eindeutig: Die Postbank soll Teil der Deutschen Post bleiben, möglichst noch für lange Zeit.
Die 42-jährige Gewerkschafterin organisiert gemeinsam mit ihrem Verdi-Vorstandskollegen Uwe Foullong den Widerstand gegen den Postbank-Verkauf. „Da wird dem Finanzmarkt etwas vor die Füße geworfen“, sagt sie. Ihre Aufgabe sieht Kocsis darin, dies zu verhindern. Da hilft es, dass sie seit gut einem Jahr die Arbeitnehmerriege im Aufsichtsrat des Postkonzerns anführt, als stellvertretende Vorsitzende des Kontrollgremiums. Sie ist das Pendant zu Jürgen Weber, dem Chef des Aufsichtsrates, dem Ex-Chef der Lufthansa, dem gestählten Manager. Er führt die Aktionärsvertreter an.
Die Rollenverteilung ist klar. „Die Anteilseigner wollen die Postbank verkaufen, um den Aktienkurs zu treiben“, stellt Kocsis fest. „Die haben einfach andere Interessen als die Beschäftigten.“ Sie übernimmt die Rolle der Quertreiberin in diesem Spiel, an dessen Ende die Neuordnung der deutschen Bankenlandschaft stehen soll. Viele tausend Stellen würden wegfallen, sollte die Postbank mit einem anderen Geldhaus fusionieren. Für eine Dreier-Konstellation hat die Gewerkschaft schon mal die Schreckenszahl von 20 000 auf den Marktplatz geworfen.
Alle Beteiligten wissen: Je höher der Preis sein wird, den Postchef Frank Appel für seine Bank erhält, desto größer wird für den neuen Eigner der Rationalisierungsdruck. Konsolidierung der Bankenlandschaft heißt eben auch: Filialen zusammenstreichen, Abläufe straffen, Doppelfunktionen beseitigen, Stellen streichen.
„Niemand in der Politik kann ein Interesse daran haben, dass viele tausend Arbeitsplätze gestrichen werden“, warnt Kocsis die Bundesregierung. Der Bund ist größter Post-Aktionär und damit mitverantwortlich für die Unternehmenspolitik – jedenfalls nach Auffassung von Verdi.
Die Gewerkschafter treten mit einem gesunden Selbstbewusstsein auf, schließlich konnten sie jüngst mit dem Postmindestlohn und bei den Tarifverhandlungen Erfolge erzielen. Andrea Kocsis weiß allerdings auch, dass ihre Gewerkschaft und die Mitarbeiter einen Verkauf der Postbank letztlich nicht verhindern können. Was ihnen dann immerhin noch bliebe, wäre der Kampf für großzügige und langfristige Absicherungen, etwa beim Kündigungsschutz. Das wiederum könnte die Freude beim Käufer der Postbank deutlich eintrüben – und bei deren künftigem Chef.
Die Rivalen
Wer auch immer künftig das Sagen bei der Postbank hat – es wird wohl ein McKinsey-Mann sein. Sowohl der heutige Vorstandschef des Bonner Instituts, Wolfgang Klein, als auch Commerzbank-Chef Blessing haben prägende Berufsjahre bei der Unternehmensberatung verbracht. Ende der 90er-Jahre zieht Wolfgang Klein fast an Martin Blessing vorbei. Blessing kümmert sich nach seinem Einstieg im Frankfurter Büro 1989 um die Großbanken, Klein von Düsseldorf aus um die Sparkassen. „Dass Blessing der Bessere ist, war immer klar. Die Hierarchie war eindeutig“, sagt ein damaliger Kollege.
1996 ziehen die beiden weiter zur Dresdner Bank. Blessing, als Enkel des ehemaligen Bundesbankpräsidenten Karl und Sohn des einstigen Deutsche-Bank-Vorstands Werner, standesgemäß als Mitleiter des Geschäftsbereichs Private Kunden. Klein, der Aufsteiger, erhält als Leiter des Bereichs Grundsatzfragen einen ebenfalls aussichtsreichen Posten.
Die Chance zum Überholmanöver bietet sich Klein, als die Dresdner Bank auslotet, ob sie einen Online-Broker starten soll. Klein ist Mitglied des Projektteams und spekuliert auf einen Topjob. Blessing betrachtet das Vorhaben mit offener Skepsis, es kommt zur ernsten Verstimmung zwischen den beiden. Das Projekt geht schließlich im Kompetenzgerangel des Konzernvorstands unter.
Klein zieht entnervt weiter zum Deutschen Sparkassen- und Giroverband, wo er geschäftsführendes Vorstandsmitglied wird. 2001 wird er Vorstand der Postbank, sechs Jahre später deren Chef. Blessing bleibt noch ein wenig bei der Dresdner: 2000 übernimmt er den Vorstandsvorsitz der Online-Bank Advance, 2001 wechselt er in den Vorstand der Commerzbank, dessen Vorsitz er im Frühjahr dieses Jahres übernimmt.
Nun treffen die Rivalen wieder aufeinander. Für Klein, Jahrgang 1964, und Blessing, Jahrgang 1963, bietet die Konstellation jeweils die Chance, zum wichtigsten Banker ihrer Generation aufzusteigen.
Klein hat seine Truppe hinter sich. Bei Post und Postbank machen sie keinen Hehl daraus, dass sie Blessings und Müllers Plan für selbstherrlich halten. „Es kann ja sein, dass Müller der Kanzlerin schöne Sachen von Konsolidierung erzählt. Aber wo ist das Geld?“, fragt einer.
Zum Jahresanfang war Klein bereits kurz vorm Ziel. Der damalige Post-Chef Zumwinkel hatte mit Allianz-Chef Diekmann die Fusionspläne zwischen Dresdner Bank und Postbank praktisch unterschriftsreif. „Der Champagner war schon kaltgestellt“, sagt einer, der damals dabei war. Für Klein eine Traumkonstellation: Er wäre Chef der mit Abstand größten deutschen Privatkundenbank geworden.
Warum es nicht zu der Fusion gekommen ist, ist unklar. Dass Zumwinkel durch die Steueraffäre aus dem Amt gefegt wurde, hat nicht gerade geholfen. Aber auch Diekmann habe plötzlich und unerwartet sein Interesse verloren, heißt es von Verhandlungsteilnehmern. Gab es politischen Druck?
Für Klein ist die Aussicht, seine Bank mit einer Kombination aus Dresdner Bank und Commerzbank zu fusionieren, deutlich unattraktiver. Blessing hätte das deutlich größere Haus im Rücken – und Klein wäre wieder nur die Nummer zwei.
Blessing hat den Vorteil eines ausgezeichneten Netzwerks. Dabei helfen ihm die alten Verbindungen aus McKinsey-Tagen. Als er für die Beratung in Frankfurt arbeitete, kümmerte sich ein paar Zimmer weiter Frank Appel um die Kunden aus der Logistikbranche. Appel, Jahrgang 1961, ist inzwischen Vorstandschef der Deutschen Post.
In die Allianz ist Blessing ebenfalls exzellent verdrahtet. Achleitner kennt er noch gut aus dessen Frankfurter Zeit, nicht zuletzt weil seine Frau Dorothee bei Goldman Sachs in Achleitners Team arbeitete. Und mit Dresdner-Bank-Chef Herbert Walter verbindet ihn eine besondere Erfahrung. Als die Deutsche Bank und die Dresdner Bank 2000 intensiv über eine Fusion verhandelten, leiteten die beiden Jungmanager jeweils das Projektteam zur Integration des Privatkundengeschäfts: Blessing bei der Dresdner, Walter bei der Deutschen Bank. Die beiden leisteten ordentliche Arbeit. Dass die Fusion trotzdem nicht zustande kam, lag nicht an ihnen. Ihre Chefs konnten ihre Eitelkeiten einfach nicht zurückstecken.
Der Showdown
Wer immer das Sagen bei einer fusionierten Bank haben wird – er wird das ganz große Rad drehen. Schon bald könnte es soweit sein: Seit Mitte vergangener Woche darf Postbank-Chef Klein nicht mehr an den Vorstandssitzungen seines Mutterkonzerns teilnehmen. Sein Vorstandsmandat ruht, weil er in einen Interessenkonflikt kommen könnte als Chef einer Bank, die er selbst verkaufen muss.
Das Rad beginnt sich zu bewegen.Mitarbeit: Herbert Fromme
Quelle: Financial Times Deutschland
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