Die Kölner Uni nimmt pro Jahr 25 Mio. Euro Studiengebühren ein. Während die Leitung die verbesserte Lehre lobt, kritisieren Studierende die Belastung. Die Zahl der psychologischen Beratungen wächst
Der Platz im Dreieck zwischen dem Unihauptgebäude, dem „Philosophikum“ genannten Bau und dem Hörsaalgebäude gegenüber ist weitläufig. Links neben dem Hauptgebäude steht das Albertus-Magnus-Denkmal, unter dem Pflaster führt eine Schnellstraße entlang. Wer hier steht, kommt nicht auf die Idee, dass Platznot eines der größten Probleme der Universität Köln ist.
Die Universität der Rheinmetropole ist für Studenten eine der attraktivsten der Republik. An den räumlichen Bedingungen kann das nicht liegen. Auf jeden Studenten kommen vier Quadratmeter, an der Ludwig-Maximilian-Universität München sind es doppelt so viele. Die Hochschule ist für 25 000 Studenten gedacht, 42 000 sind eingeschrieben. Um die Jahrtausendwende waren es sogar 64 000.
Den ersten Aderlass erlebte die Universität, als die damalige rot-grüne Landesregierung 650 Euro Gebühren für Langzeitstudenten ab dem 14. Semester einführte. Die 2005 gewählte schwarz-gelbe Landesregierung schaffte den Langzeittarif ab. Sie erlaubte den Hochschulen aber, Gebühren bis zu 500 Euro pro Semester von allen Studierenden zu nehmen.
Davon machte die Kölner Universität Gebrauch. Rektor Axel Freimuth glaubt nicht, dass der Rückgang der Studierendenzahlen der Einführung der Studienbeiträge, wie die Hochschulleitung die Gebühren nennt, geschuldet ist. „Wir haben in allen Fächern einen Numerus clausus eingeführt“, sagt er. Die Hochschulleitung wollte die Zahl der Studierenden senken, damit sich die Bedingungen für die Verbleibenden bessern.
Die Universität nimmt mit den neuen Gebühren 25 Mio. Euro jährlich ein, bei einem Haushaltsvolumen von 400 Mio. Euro. „Wir haben durch die Studienbeiträge mehr Handlungsspielraum“, sagt Freimuth. Denn die übrigen Haushaltsmittel sind stark gebunden. Liegenschaften müssen gepflegt, Personal muss bezahlt werden. Das Geld aus den Gebühren muss größtenteils für die Verbesserung der Lehre ausgegeben werden, so sieht es das Gesetz vor. Die Gebäude darf die Universität mit dem Geld nicht renovieren lassen, obwohl das dringend nötig ist – in manchen Seminarräumen drohen die Lampen abzufallen. „Das Hauptproblem der Universität ist der bauliche Zustand vieler Gebäude“, sagt er. Gerade erst musste er wieder zwei Vorlesungssäle schließen.
Insgesamt hat die Einführung der Studiengebühren laut Freimuth aber einiges bewirkt. Etwa, dass den Bibliotheken heute 15 Euro pro Jahr und Student zur Verfügung stehen, vorher waren es 3 Euro . Sie haben länger geöffnet, es gibt mehr Tutorien und an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät – an der rund 10 000 Studenten studieren – doppelt so viele Prüfungstermine wie früher. „Die Nachfragemacht der Studierenden hat zu erheblichen Veränderungen im Dialog zwischen ihnen und Dozenten geführt.“ Dadurch habe die Lehre stärkeres Gewicht erhalten, sagt der Rektor.
Die Studierenden haben sich kräftig gegen die Einführung gewehrt, zweimal besetzten sie sogar das Rektorat. Der Allgemeine Studentenausschuss klagt gegen die Gebühren. „Studiengebühren wirken sozial selektiv“, sagt Studentenvertreter Patrick Schnepper. „Leute aus bildungsfernen Schichten kommen durch sie nicht an die Uni.“ Zwar gebe es heute mehr Bücher in den Bibliotheken. „Aber für 500 Euro könnte man sich diese Bücher selbst kaufen“, sagt der Biologiestudent.
Die Studentenvertreter fürchten, dass mit den Geldern aus den Gebühren nur Mittelkürzungen kompensiert, die Studienbedingungen aber nicht verbessert werden. Zumindest in seiner Fakultät kann Schnepper keine Anzeichen für einen besseren Dialog zwischen Lehrenden und Lernenden feststellen.
„Man muss sich anhören, dass es schon eine Verbesserung ist, wenn es keine Verschlechterung mehr gibt.“ Nach seinen Beobachtungen sind viele Studenten gestresster als früher, weil sie wegen der Gebühren mehr jobben müssen. „Beim Studentenwerk hat die Zahl der psychosozialen Beratungen stark zugenommen“, sagt er.
Der Geschäftsführer des Studentenwerks Peter Schink führt das aber nicht auf die Gebühren zurück, sondern auf die neue Studienorganisation durch die Einführung von Bachelor- und Master-Studiengängen. „Das Studium ist viel stärker zeitlich reglementiert, die neue Taktung führt zu mehr Stress“, sagt er. An keiner anderen deutschen Universität müssen so viele Studierende nebenher Geld verdienen wie in Köln. „Wir haben eine Jobberquote von 78 Prozent, im Bundesdurchschnitt liegt sie bei 66 Prozent.“
In Köln zu leben ist teuer, Studenten haben einen höheren Geldbedarf – der durch die Gebühren weiter steigt. „Damit hat man den Studierenden noch ein Päckchen mehr auf die Schultern gelegt“, sagt Schink.
Anja Krüger
Quelle: Financial Times Deutschland
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