Ob Factoring für Selbstständige interessant ist, hängt von der Art derKundenbeziehung ab
Von Anja Krüger
Als er sich selbstständig machte, wollte er auf Nummer sicher gehen. Mit seiner Eventgastronomie hatte der Koch, der lieber anonym bleiben möchte, ein solides Geschäftsmodell, Verträge mit Fernsehsendern sorgten für weitere Einnahmen. Eines aber machte ihm Sorgen: dass Kunden nicht oder nur mit großer Verspätung zahlen würden. Der Koch entschied sich, seine Rechnungen an eine Factoring-Gesellschaft zu verkaufen.
Kerngeschäft der Factoring-Branche ist der Kauf von Rechnungen, die Firmen anderen Firmen stellen. Manche Factoring-Gesellschaften kaufen auch Forderungen von Selbstständigen. Der Koch ist Kunde der Pro Com Factoring und Beteiligungs GmbH. Das Darmstädter Unternehmen konzentriert sich auf Firmen mit einem Umsatz bis 250 000 Euro. „Unter diese Zielgruppe fallen viele Selbstständige“, sagt Geschäftsführer Erich Hellmund. Dazu gehören freie IT-Berater genauso wie Schwertransportbegleiter.
Für wen Factoring geeignet ist, hängt nicht von der Berufsgruppe ab, sondern vom Geschäftsablauf, sagt Hellmund, der auch im Vorstand des Bundesverbands Factoring für den Mittelstand ist. „Je mehr Kunden ein Selbstständiger hat und umso kurzfristiger die Verträge sind, desto mehr läuft er den Zahlungen hinterher“, sagt er. Verkauft ein Selbstständiger Rechnungen, erhält er 80 Prozent der Zahlung sofort, 20 Prozent, wenn der Kunde zahlt. Das kostet 2 bis 3,5 Prozent der Forderungssumme plus Zinsen.
Steuerberater gehören nicht zu Hellmunds Kunden, obwohl diese Berufsgruppe bei der Konkurrenz in den Fokus rückt. Steuerberater dürfen seit April ihr Rechnungsmanagement auslagern, wenn der Mandant damit einverstanden ist. Davon will die zum Verbund der Raiffeisen- und Volksbanken gehörende Gesellschaft VR Factorem profitieren. „Wir haben eine Exklusivkooperation mit der Datev“, sagt Geschäftsführer Hauke Kahlcke. Die Genossenschaft Datev ist der führende Softwareanbieter für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Anwälte. Schickt der Steuerberater eine Rechnung an seinen Kunden, erhält die Factoring-Gesellschaft automatisch die Informationen. Nach einer Plausibilitätprüfung bekommt der Steuerberater 90 Prozent des Rechnungsbetrags. Die übrigen 10 Prozent gibt es, wenn der Klient die Rechnung gezahlt hat.
Billig ist der Service nicht: Bei einem Jahresumsatz von 4 Mio. Euro zahlt der Kunde knapp 58 000 Euro für Zinsen und Gebühren. Der Deutsche Steuerberaterbund begrüßt grundsätzlich, dass seine Mitglieder nun Forderungen verkaufen können. Man habe sich aber noch keine Meinung darüber gebildet, ob und unter welchen Voraussetzungen es für Steuerberater sinnvoll ist, das in Anspruch zu nehmen, heißt es beim Verband.
Quelle: Financial Times Deutschland
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