Für Factoring-Anbieter ist die Finanzkrise Segen und Fluch zugleich:Einerseits beschert sie ihnen neue Kunden, andererseits erschwert sie dieRefinanzierung
VON Friederike Krieger
Namhafte Banken sind schwer angeschlagen, die Aktienkurse fahren Achterbahn – die Kreditkrise sorgt auf den Finanzmärkten für Katerstimmung. Die deutschen Factoring-Unternehmen blicken trotzdem optimistisch in die Zukunft. „Auf der Marktseite eröffnen sich durch die Finanzkrise neue Perspektiven“, sagt Franz Michel, Vorstandsmitglied beim deutschen Marktführer Coface. Denn die Banken, die nun selbst mit Liquiditätsengpässen zu kämpfen haben, geizen mit Krediten und verlangen höhere Zinsen.
„Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, die nicht über eine erstklassige Bonität verfügen, werden davon in Mitleidenschaft gezogen“, sagt Michel. Er erwartet, dass die Firmen auf der Suche nach Alternativen zum Bankkredit verstärkt bei Factoring-Anbietern landen werden. Factoring-Unternehmen kaufen offene Rechnungen von Firmen. Ihre Kunden erhalten den größten Teil des Geldes meist sofort und den Rest, wenn ihre Schuldner gezahlt haben. Dafür berechnen die Factoring-Anbieter eine an der Höhe der Forderung bemessene Grundgebühr und einen Zins auf den vorgeschossenen Rechnungsbetrag.
Factoring hilft den Firmen nicht nur, schnell an ihr Geld zu kommen. „Die Unternehmen können mit Factoring unter anderem ihre Personalkosten deutlich reduzieren, da Factoring-Anbieter auf Wunsch auch Mahnwesen und Inkasso übernehmen“, sagt Thomas Frericks, stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbands Factoring für den Mittelstand (BFM), dem vor allem kleinere Anbieter angehören.
Noch ist die Marktdurchdringung gering, doch Factoring expandiert stetig. Die rund 120 Factoring-Anbieter in Deutschland wachsen seit Jahren zweistellig. In diesem Jahr werden sie Forderungen im Wert von mehr 100 Mrd. Euro ankaufen.
Die Finanzkrise macht den Factoring-Anbietern allerdings an anderer Stelle zu schaffen. Die wenigsten Gesellschaften verfügen über genügend Eigenkapital, um die Forderungen anzukaufen. Viele Unternehmen leihen sich das Geld bei Banken – und leiden damit ebenso unter der Kreditklemme wie ihre Kunden. „Vor dem Hintergrund der aktuellen Finanzmarktkrise verhalten sich die Banken bei der Kreditvergabe derzeit spürbar restriktiver gegenüber den Endkunden wie auch zahlreichen Factoring-Anbietern“, sagt Frericks.
Einige kleinere Factoring-Anbieter setzen deshalb auf Zweitfactoring. Dabei verkaufen sie die Forderung eines Kunden an einen größeren Factoring-Anbieter, den sogenannten Refactor, weiter und verschaffen sich so Liquidität. Aber Zweitfactoring hat seinen Preis. „Die Factoring-Anbieter müssen einen relativ großen Teil ihrer Marge an den Refactor weiterreichen“, sagt Frericks. Zweitfactoring eigne sich daher nicht als Notlösung in der Krise. „Unzureichend positionierte Gesellschaften werden sich überlegen, ob sich ihre Geschäftsmodelle noch rechnen und eventuell den Factoringmarkt verlassen“, sagt er.
„Die Zeiten des billigen Zugangs zu Liquidität sind vorbei“, sagt auch Michel von Coface. Er glaubt allerdings nicht, dass die Finanzkrise nachhaltige Auswirkungen auf die Refinanzierung von Coface haben wird. Die Kosten seien zwar gestiegen, in der Kreditklemme stecke die Firma aber nicht. Coface gehört den französischen Sparkassen- und Genossenschaftsbanken, die über ein starkes Privatkundengeschäft und damit über viele Spareinlagen verfügen. Sie sind daher liquider als andere und müssen sich weniger Geld von anderen Banken leihen.
Factoring-Anbieter, die einer Bank gehören, haben allerdings ein Problem, wenn der Mutterkonzern in die Krise gerät: Er könnte sie mit in den Abgrund reißen. Alexander Moseschus, Geschäftsführer des Deutschen Factoring-Verbands, hält es aber für unwahrscheinlich, dass Factoring-Anbieter auf diese Weise vom Markt verschwinden. Er fürchtet auch nicht um die Refinanzierung der Branche. „Factoring-Anbieter kaufen nur saubere Forderungen“, sagt er. Weil die Gesellschaften ihre Kunden wie auch deren Schuldner vor dem Erwerb einer Rechnung auf Herz und Nieren prüfen, sei das Ausfallrisiko gering, was den Zugang zu Krediten erleichtere. Zudem versichern sie die Forderungen.
Mehr Sorgen als die Finanzkrise bereitet Moseschus die Unternehmensteuerreform, die Anfang 2008 in Kraft getreten ist. Sie hat zu einer Doppelbesteuerung von Factoring-Unternehmen geführt. Seit der Reform müssen die Kunden 25 Prozent der Zinsen, die sie an einen Factoring-Anbieter oder eine Bank für einen Kredit zahlen, ihrem gewerblichen Gewinn zurechnen und versteuern. Auch der Factor muss auf seine Refinanzierungskosten Gewerbesteuer zahlen. Banken müssen das nicht. Sie unterliegen dem Gewerbesteuerprivileg.
„Diese Ungleichbehandlung führt zu Wettbewerbsnachteilen gegenüber konventionellen Kreditgeschäften und benachteiligt gleichzeitig deutsche Factoring-Unternehmen gegenüber ausländischen Anbietern“, sagt Moseschus. Diese Botschaft ist inzwischen auch in der Politik angekommen. Die Fraktionen von CDU/CSU und SPD haben bereits einen Änderungsantrag gestellt. Danach erhalten die Factoring-Anbieter die gleichen Steuervorteile wie Banken, wenn sie im Gegenzug zustimmen, sich künftig von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht überwachen zu lassen.
Moseschus kann mit dieser Regelung leben, zumal die Aufsicht nicht so streng ausfallen soll wie bei den Banken. „Wer in einem derart großen Markt aktiv ist, sollte eine Finanzaufsicht light nicht scheuen“, sagt er. Wichtig sei, dass der Änderungsantrag noch in diesem Jahr durchkommt. Nur dann werden die Factoring-Anbieter rückwirkend zum 1. Januar 2008 von der Gewerbesteuer befreit.
Quelle: Financial Times Deutschland
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