VW-Aktie schießt über 1000 Euro · Autokonzern teuerstes Unternehmen ·Aktienindex komplett verzerrt
VON Elisabeth Atzler, Christian Kirchner, Frankfurt, Herbert Fromme, Köln, und Richard Milne, London
Die völlige Verzerrung des Aktienindex Dax durch die Kapriolen der VW-Aktie hat bei Anlegern und Händlern Entrüstung ausgelöst. „Man muss etwas machen, weil sonst auch die Seriosität von Instrumenten wie den Dax-Derivaten in Gefahr ist“, sagte Ascan Iredi, Abteilungsleiter Aktien der Postbank. „Ich koche“, sagte der Fondsmanager einer großen britischen Gesellschaft. „Das ermutigt nicht, weiter in Deutschland zu investieren.“
Die VW-Aktie sprengte gestern alle Maßstäbe. Das Papier des Autoherstellers schnellte zwischenzeitlich auf 1005 Euro, ein Plus von rund 100 Prozent. Volkswagen war mit einem Börsenwert von 296 Mrd. Euro zwischenzeitlich das teuerste Unternehmen der Welt – vor dem Ölkonzern Exxon Mobil. Grund für den extremen Kurssprung sind Panikreaktionen von Spekulanten, die mit sogenannten Leerverkäufen auf eine fallende VW-Aktie gewettet hatten.
Der deutsche Leitindex ist wegen der Kurskapriolen des VW-Papiers derzeit nicht mehr aussagekräftig. Bereits am Montag war das Papier um fast 150 Prozent in die Höhe geschossen und hatte den Dax stark verzerrt. Auch gestern schloss der Index in erster Linie wegen der VW-Aktie mit einem Plus von 11,3 Prozent. Das Papier macht 17 Prozent des Index aus.
„Was sich derzeit um die VW-Aktie abspielt, ist ungeheuerlich“, sagte Jörg Schneider, Finanzchef des Rückversicherers Münchener Rück, der FTD. „Solch ein absurdes Auf und Ab, verursacht durch wen auch immer, ist Gift für die Kapitalmärkte.“ Die größte deutsche Fondsgesellschaft DWS forderte die Deutsche Börse auf, rasch zu reagieren und die Zusammensetzung des Leitindex anzupassen. So etwas lasse das Vertrauen der Privatanleger in die Aktie schwinden, kritisierte Christoph Berger von Cominvest.
Die Deutsche Börse lehnt bislang eine Anpassung ihrer Dax-Richtlinien ab. „Eine Änderung ist im Indexleitfaden nicht vorgesehen“, sagte ein Sprecher. Die Börse beobachte lediglich die weitere Entwicklung. Auch die Finanzaufsicht BaFin sieht derzeit keinen Grund, tätig zu werden.
Der US-Indexanbieter Morgan Stanley Capital International (MSCI) dagegen änderte seine Regeln. Spätestens Ende November zieht MSCI bei der Berechnung seiner Indizes die von Porsche gehaltenen Cash-Optionen auf VW-Papiere vom Streubesitz der Stammaktien ab. Damit wird die Aktie erheblich geringer gewichtet.
Ausgelöst hatte die Explosion des VW-Papiers die Mitteilung von Porsche, über Aktien und Optionen bereits 74,1 Prozent an VW zu kontrollieren. Da Niedersachsen weitere 20,1 Prozent hält, sind kaum noch VW-Aktien im Streubesitz – nur 5,8 Prozent. Das Problem: Spekulanten, die sich für Leerverkäufe Aktien ausgeliehen haben, müssen sich diese nun wiederbeschaffen und zurückgeben – obwohl es kaum welche gibt.
Bei solchen Geschäften verkaufen Trader geliehene Aktien in der Hoffnung auf sinkende Kurse – um sie vor Rückgabe billig zurückzukaufen und Gewinn zu machen. Laut der Beratungsfirma Data Explorers sind 12,9 Prozent der VW-Aktien an Spekulanten ausgeliehen, mehr als bei jedem anderen deutschen Unternehmen.
Schätzungen zufolge haben Hedge-Fonds und Banken bis zu 30 Mrd. Euro Verlust gemacht, weil ihre Kurswetten nicht aufgingen. Marktinsidern zufolge haben über 100 Hedge-Fonds VW-Aktien leer verkauft. „Ich habe Hedge-Fonds-Manager am Telefon gehabt, die in Tränen ausgebrochen sind“, sagte ein Analyst.
Ein Porsche-Sprecher wies Vorwürfe des DWS-Chefs Klaus Kaldemorgen zurück, der Autobauer habe die VW-Aktie manipuliert: „Hier werden Ursache und Wirkung miteinander verwechselt.“
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Quelle: Financial Times Deutschland
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