Dass es bei Tchibo auch Finanzprodukte gibt, ist Vermittlern seit Jahren einDorn im Auge. Jetzt greift die Vertriebslobby zu neuen PR-Maßnahmen
Apotheker und Vermittler von Finanzverträgen haben zwei Dinge gemeinsam: Von Verbraucherschützern hagelt es auf beide regelmäßig Kritik herab, dass sie eher am Verkauf als an der Beratung interessiert sind. Doch war der Vertrieb von Riester-Renten bei Tchibo im Jahr 2002 noch eine Sensation und der Begriff der Röster-Rente geboren, haben sich Verbraucher längst an kreative Vertriebswege für biedere Finanzdienstleistungen gewöhnt.
Selbsternannten Verbraucherschützern passt das gar nicht. Zu ihren eifrigsten zählt der „AfW – Bundesverband Finanzdienstleistung“, der nach eigenen Angaben die Interessen von mehr als 30 000 Finanzdienstleistern vertritt. „AfW: Tchibo stoppt Investment-Vertrieb“, schreibt der Verband gestern in seiner Pressemitteilung. Das sei der erste Erfolg einer gemeinsamen Aktion des Verbands mit dem Wettbewerbsverein WiW und dem Branchendienst „Versicherungstip“. Die Aktion besteht aus einem Brief, in dem Tchibo wegen eines auf seiner Internetseite angebotenen Comdirect-Investmentfonds abgemahnt wird.
Doch zwischen dem AfW – Sitz Berlin – und Tchibo – Sitz Hamburg – gibt es wohl eine lange Leitung. Oder der AfW versteht es, sich zu vermarkten. „Wir haben das Angebot bereits im März von unserer Internetseite genommen“, sagt eine Tchibo-Sprecherin. Mit der Abmahnung habe der Verkaufsstopp aber nichts zu tun. Die Nachfrage sei eingebrochen. Tchibo kooperiert beim Verkauf von Finanzverträgen mit Comdirect, der Postbank und dem Direktversicherer Asstel.
Darauf wolle der Verband eigentlich auch aufmerksam machen. „Die Versicherungsvermittlung bei Tchibo läuft noch“, sagt AfW-Vorstand Norman Wirth. Das sei für den Verband ein Skandal – denn seiner Meinung nach braucht der Kaffeeröster dafür eine Vermittlererlaubnis. Die hat er aber nicht und die will er auch nicht. „Wir sind Tippgeber“, sagt die Tchibo-Sprecherin. Das heißt: Das Unternehmen weist Kunden auf Angebote hin und vermittelt nicht selbst.
Das sehen Gegner der „Tippgeber“ anders. Dass sie Durchsetzungskraft besitzen, mussten schon der Versicherer Arag und der Einzelhandelskonzern Rewe erfahren. Kritiker dieser Kooperation konnten den Verkauf von Arag-Policen bei der Rewe-Tochter Penny von Richtern für unrechtmäßig brandmarken lassen – allerdings war der Verkauf ohnehin nur als Test geplant. Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute zerschoss dem Versicherer Signal Iduna die Zusammenarbeit mit Aldi sogar noch vor dem Start. Und auch die Gegner des Tchibo-Vertriebs geben keine Ruhe. Ihre Klage liegt beim Landgericht Hamburg.
Anja Krüger
Quelle: Financial Times Deutschland
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