Ein Drittel der deutschen Fernsehserien entsteht in Köln. Etliche Senderhaben hier ihren Sitz. Sie leiden unter sinkenden Werbeeinnahmen. Aber es gibtauch gute Nachrichten
Jahrelang lebte er ungestört im Stadtteil Widdersdorf, dann erlebte der Kölner plötzlich einen ungeahnten Rummel: Laster mit Requisiten und Catering versperrten die Straße, Maler strichen die Wände seiner Wohnung dunkelgrau, wegen der besseren Lichteffekte. Der Kölner hatte seine Wohnung für Filmaufnahmen zur Verfügung gestellt. Was die Produktionsfirma dort anstellte, um die Fersehserie „Alarm für Cobra 11“ zu drehen, überstieg jedoch seine Vorstellungen.
Am meisten erstaunten ihn die vielen Teenager, die vor seiner Haustür Schlange standen und auf Autogramme hoffen. Von Schauspielern, deren Namen er noch nie gehört hatte. Nach dem Dreh versetzten die Filmleute alles wieder in den ursprünglichen Zustand.
Ein Drittel der bundesweiten TV-Produktionen kommt aus Köln und der Umgebung. Manche Einwohner stören die ständig präsenten Filmteams, vor allem wenn sie Straßen und Parkplätze blockieren. Andere profitieren von der lebendigen Kultur- und Kreativwirtschaft. Sie stellen ihre Wohnung für zwei, drei Tage zur Verfügung und erhalten eine Monatsmiete als Entschädigung. Oder sie verdingen sich für ein paar Euro als Komparsen für die „Lindenstraße“ oder eine andere Vorabendserie.
Mehr als 50 000 Menschen verdienen in Kölner Agenturen, Produktionsfirmen, Sendern oder Verlagen ihr Geld. Auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs Gereon in der Innnenstadt, dem Media-Park, haben sich 250 Unternehmen angesiedelt, darunter Radio Köln und der Deutsche Sportverlag. In Mülheim produziert Harald Schmidt seine TV-Show auf einem ehemaligen Fabrikgelände. Nicht nur große Sender wie RTL, der WDR oder N-TV sind in der rheinischen Metropole zu Hause. Auch kleinere Exoten wie der türkische Hochzeitskanal Dügün TV haben hier ihren Sitz.
Den Sendern macht die krisenbedingte Werbeflaute zu schaffen. Der TV-Werbemarkt ist zwischen Januar und August 2009 um ein Prozent geschrumpft. RTL habe dabei zehn Prozent verloren, die ARD-Anstalten sogar 15 Prozent, sagt Claudia Scheibel von der WDR Mediagroup.
Die Firma vermarktet die Werbezeiten des Senders und hat gemeinsam mit den acht übrigen ARD-Anstalten die Vermarktungstochter AS&S gegründet, deren Erlöse auf die Sender verteilt werden. Verantwortlich für die Rückgänge im ersten Programm ist nicht nur die schlechte Wirtschaftslage. „Die ARD hat ein Programmproblem“, sagt Scheibel. Die neue Vorabendserie „Eine für alle“ ist gefloppt. Mit den Quoten sinken die Werbeetats. „Wir rechnen nicht mir einer signifikanten Erholung“, sagt sie. Lichtblick für die Sender: 2010 findet die Fußballweltmeisterschaft in Südafrika statt. „Davon profitieren alle Medien“, sagt sie.
Auch für die Stadt, die gerade den Weggang der Zeitschriften „Capital“ und „Impulse“ verkraften musste, gibt es positive Impulse. Der Lübbe-Verlag verlegt seinen Sitz aus Bergisch-Gladbach nach Köln, die Murdoch-Tochter Shine Group zieht ins Carlswerk im Stadtteil Mülheim.
Qualifiziertes Personal ist für Unternehmen ein gutes Argument, in die Domstadt zu kommen. Mehr als 110 Anbieter stellen 180 Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten zur Verfügung, dazu gehören die Kunsthochschule für Medien, die Internationale Filmschule Köln, diverse Studiengänge an der Universität Köln und der Fachhochschule sowie die Kölner Journalistenschule für Wirtschaft und Politik.
Auch weiche Standortfaktoren wie die hohe Lebensqualität in Köln sind für Unternehmen wichtig. Das gilt für den Verlag Wolters Kluwer, der mit dem Kauf des Carl Heymanns Verlags 2006 beschloss, in Köln seinen Hauptsitz anzusiedeln. Auf dem Weg vom traditionellen Juraverlag zu einem modernen Informationsdienstleister hat der Verlag allein 2008 mehr als 100 Mitarbeiter eingestellt. „In Köln wollen wir unsere Zentrale weiter ausbauen und insbesondere unser Geschäft mit Rechts- und Steuerinformationen weiterentwickeln“, sagt Ulrich Hermann, Vorsitzender der Geschäftsführung.
Für den Standort sprechen aus seiner Sicht die Kölner Universität mit der anerkannten juristischen Fakultät, die vielen Medien-, Online- und Softwareunternehmen – und die unzähligen Verbände mit ihren Netzwerken und ihrem Fachwissen.
Anja Krüger
und Marlene Röhl
Quelle: Financial Times Deutschland
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