Immer mehr Regierungen in Schwellen- und Entwicklungsländern unterstützenihre Landwirtschaft mit Hilfe von Agrardeckungen. Für diese Programme brauchensie Rückversicherer, denn die haben das nötige Kapital und Wissen
Die Bauern im Hochland von Peru sind sehr arm. Sie haben keine Rücklagen, eine Missernte bedeutet für sie Verelendung. Seit diesem Jahr verlieren die Campesinos auch bei der schlimmsten Dürre oder sintflutartigem Regen ihre Existenz nicht. Fällt die Kartoffelernte deutlich unter den langjährigen Durchschnitt, erhalten sie eine Entschädigung vom Rückversicherer Hannover Rück. Die Prämie für die Deckung zahlt der Andenstaat.
„In Peru versichert die Regierung ganze Regionen“, sagt Andreas Bronk, Agrarexperte der Hannover Rück. Für die Bauern ist die Ernteversicherung mehr als bloßer Risikoschutz. Durch die Versicherung haben sie Zugang zu Krediten, denn sie bieten den Banken Sicherheiten. Mit dem Geld können sie zum Beispiel Düngemittel erwerben und so ihre Produktion intensivieren. „Mit Hilfe der Versicherung integriert die Regierung die Bauern in den Wirtschaftskreislauf“, erklärt Bronk.
Immer mehr Regierungen in Entwicklungs- und Schwellenländern setzen auf das Instrument Agrarversicherung. In Tansania und dem Senegal sowie auf Jamaika laufen Pilotprojekte. In Brasilien haben sich die Prämieneinnahmen nach Bronks Angaben in diesem Segment in wenigen Jahren von 10 Mio. $ auf 200 Mio. $ vervielfacht. Dass der Staat die komplette Prämie zahlt, ist allerdings die Ausnahme. Chile hat die Versicherung vor acht Jahren eingeführt. Bei kleinen Betrieben bezuschusst der Staat die Prämie mit bis zu 80 Prozent, bei mittleren mit maximal 50 Prozent, und bei großen übernimmt er 20 Prozent. Ecuador beginnt in diesem Jahr mit der Einführung, Bolivien im kommenden Jahr. Anders als direkte Subventionen an die Landwirtschaft betrachten internationale Institutionen wie die Welthandelsorganisation solche Zuschüsse mit Wohlwollen.
Die Deckung von Agrarrisiken ist für Rückversicherer ein vielversprechendes Feld. „Dieser Markt hat ein großes Potenzial, weil sich auf diesem Gebiet immer mehr Staaten engagieren“, sagt Jan-Oliver Thofern, Deutschlandchef des Rückversicherungsmaklers Aon Benfield. Regierungen und Institutionen wie die Weltbank brauchen für die Umsetzung der Programme Rückversicherer, weil sie das erforderliche Kapital und das unverzichtbare Know-how mitbringen.
Der Assekuranz spülen die Initiativen Geld in die Kassen. „Wir sehen einen deutlichen Anstieg der Prämien über die vergangenen zehn Jahre“, sagt Jürg Trüb von der Swiss Re. Nach seinen Angaben liegen die weltweiten Prämieneinnahmen in diesem Segment bei 19 Mrd. $. Programme in den sogenannten Emerging Markets wie China, Brasilien oder Russland geben dem Markt Auftrieb. In China sind die Prämieneinnahmen durch Subventionen innerhalb der vergangenen drei Jahre von 100 Mio. $ auf rund 2,5 Mrd. $ gewachsen. Damit ist China nach den USA der weltweit zweitgrößte Markt. „Während Subventionen in Emerging Markets eher zunehmen, gibt es in etablierten Märkten Diskussionen und zum Teil bereits Subventionskürzungen“, sagt Trüb.
In den westlichen Industriestaaten setzen die Regierungen das Instrument längst ein. Rund 80 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche in den USA ist versichert, bezuschusst vom Staat. „Mehr als die Hälfte der weltweiten Prämie kommt aus den USA“, sagt Hannover-Rück-Experte Bronk.
International setzt sich die sogenannte Mehrgefahrenversicherung in der Landwirtschaft immer mehr durch. Im Unterschied zur traditionellen Hagelversicherung deckt sie nicht nur Schäden durch gefrorene Niederschläge. Die Assekuranz kommt hier auch für Schäden aufgrund von Dürre, Flut, Starkregen oder Kälte auf. In Spanien gibt es seit Jahrzehnten die Mehrgefahrenversicherung mit staatlicher Unterstützung. Auch in Italien, Frankreich und anderen europäischen Ländern subventioniert die Regierung die Versicherungsprämie für die Verträge.
Dagegen bekommen Bauern in Deutschland keine staatliche Hilfe bei der Versicherung ihrer Ernte. Das wird sich erstmal auch nicht ändern, glaubt Udo Hemmerling, Bereichsleiter Wirtschaft und Recht beim Deutschen Bauernverband. „Für uns ist dieses Thema nicht vorrangig“, sagt er. Bund und Länder hätten in der Vergangenheit immer wieder signalisiert, dass sie keine Zuschüsse für die Deckungen zahlen wollen. „Wenn es eine staatliche Förderung für Versicherungslösungen gibt, muss der Impuls von der Europäischen Union ausgehen“, sagt er. Das könnte geschehen, wenn die 2013 auslaufende EU-Förderung für die Landwirte neu ausgehandelt wird.
Hierzulande sind nach Angaben der Vereinigten Hagelversicherung 80 Prozent der versicherbaren Ackerflächen gegen Hagelschlag gedeckt. Mit einem Anteil von 65 Prozent ist der Versicherer in Deutschland Marktführer. Für deutsche Bauern ist es schwierig, sich gegen andere Risiken als Hagel zu versichern. Es gibt keine Deckung gegen Dürreschäden – obwohl in heißen Sommern die Ausfälle aufgrund anhaltender Trockenheit enorm sind.
Die Vereinigte Hagelversicherung und andere haben zwar neue Policen auf den Markt gebracht, mit denen Bauern ihre Ernten auch gegen die Risiken Sturm, Starkregen, Frost und Erfrieren versichern können. Aber diese Policen sind etwa doppelt so teuer wie die traditionelle Hagelversicherung, die je nach Art der Feldfrucht und geografischer Lage im Schnitt 1,3 Prozent der Versicherungssumme kostet. „Vielen Landwirten ist die Mehrgefahrenversicherung zu teuer“, sagt Heinzbert Hurtmanns, Bezirksdirektor der Vereinigten Hagelversicherung in Rheinland-Pfalz und Luxemburg.
Ein Grund für den hohen Preis: Die klassische Hagelversicherung wird mit 0,2 Promille der Versicherungssumme besteuert. Für die Deckung der anderen Risiken verlangt der Fiskus die übliche Versicherungssteuer von 19 Prozent – auch für den integrierten Hagelschlagschutz.
Dabei nimmt das Hagelrisiko für deutsche Bauern in der Erntezeit ab, sagt Hurtmanns. Aufgrund des Klimawandels gibt es zwar im Frühjahr und im Herbst mehr Hagel, in den Erntemonaten aber weniger. Für die Bauern ist das kein Grund zur Entwarnung. Denn in den für das Einbringen der Ernte relevanten Zeiten nehmen Stürme und Starkregen zu.
Anja Krüger
Quelle: Financial Times Deutschland
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